von Inka Grabowsky, 22.01.2024
Trio übernimmt See-Burgtheater
Astrid Keller und Leopold Huber geben nach 34 Jahren das Kreuzlinger Freilufttheater in die Hände von Simon Engeli, Rahel Wohlgensinger und Giuseppe Spina. Was das für das Programm jetzt bedeutet. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Das Gesuch für temporäre Bühnenaufbauten im Seeburgpark ist gerade gestellt und in den Amtlichen Publikationen veröffentlicht. Beim See-Burgtheater ist also alles auf ein Weiter-So eingestellt. Tatsächlich soll es wie jeden Sommer seit 34 Jahren mit dem Theater unter freiem Himmel weiter gehen, allerdings nicht so wie bisher gewohnt.
«Wir werden bald siebzig, deshalb wollen wir das Projekt mit warmen Händen weitergeben», sagt Astrid Keller, die schon bei der Gründung des See-Burgtheater 1990 dabei war. «Sie hat mich 1994 überzeugt, mit ihr die Führung und die Intendanz zu übernehmen, als die Initianten Hans-Ruedi Binswanger und Gregor Vogel aufhören mussten», so Leopold Huber. Keller meint: «Ohne uns wäre das Projekt vielleicht in Sande verlaufen. Stattdessen haben wir es geschafft die Publikumszahlen von 150 in den Anfangsjahren auf 10.000 zu vervielfachen.»
Astrid Keller und Leopold Huber prägen das Thurgauer Kulturleben seit Jahrzehnten. Ausführliche Portäts über die beiden, haben wir bereits in den vergangenen Jahren veröffentlicht.
Reformen statt Revolution
Das zukünftige Intendanten-Team aus Simon Engeli, Rahel Wohlgensinger und Guiseppe Spina kann sich trotzdem nicht in ein gemachtes Nest setzen. «Eine jahrzehntelange Aufbauarbeit kann man schnell ruinieren», so Engeli mit gehörigem Respekt. Die Infrastruktur und die etablierten Organisationsabläufe würden sie gerne übernehmen. «Das Publikum anzuziehen und sich zu behaupten ist schwer genug.»
Die Drei wollen auch inhaltlich nicht alles anders machen. «Durch neue Personen entsteht automatisch Veränderung», räumt Rahel Wohlgensinger ein, «schon weil wir unser eigenes Netzwerk an Schauspielerinnen und Schauspielern mitbringen.»
Alles bleibt anders
Bei der Stückauswahl hat das Team freie Hand, wenn es auf Kontinuität setzt. «Eine Markenidentität, wie sie die Ökonomie fordert, hatten wir nie», betont Leopold Huber. «Bei uns gab es immer Abwechslung, weil wir machten, wofür wir brannten.» Astrid Keller ergänzt: «Mit Carmen war sogar eine Oper dabei, aber eben auch das ‹Weisse Rössl› oder etwas Anspruchsvolles wie Liliom im vergangenen Jahr.»
Vorsichtshalber hatte man bei diesem Stoff ein Defizit eingeplant, weil man mangelnde Resonanz fürchtete. «Dank der grossartigen Darsteller hatte es jedoch so viel Erfolg, dass es sogar ein kleines Plus gab.» Das vielseitige Volkstheater mit Anspruch wollen ihre Nachfolger erhalten. Elitär werde es nie sein: «Auf die Tribüne im Seeburgpark setzen sich auch Menschen, die nie in ein Theater gehen würden, aber vielleicht bei einem Spaziergang neugierig geworden sind», sagt Giuseppe Spina.
Openair im Greuterhof geht trotzdem weiter
Der Gewinn für das Sommer Open Air-Theater in Kreuzlingen bedeutet keinen Verlust für das Sommer Open Air im Greutherhof in Islikon. «Zum einen sind wir in der Theaterwerkstatt zu sechst», erklärt Spina. «Noce Noseda wird sich wohl noch mehr engagieren.
Zum anderen gibt es zwei unterschiedliche Probephasen. Wir produzieren das Stück für den Greuterhof im Mai vor, sodass wir danach Zeit für den Seeburgpark haben.» In dieser Saison gäbe es sogar Synergie-Effekte. Einige Ensemblemitglieder hätten einen Doppelvertrag für beide Produktionen.
Die Kunst des Loslassens
Der Prozess der Übergabe sei schon rund fünf Jahre im Gange, erzählt Leopold Huber, der im Sommer noch einmal Produktionsleiter ist. «Wir haben uns langsam zurückgezogen und immer mal wieder jüngere Regisseure engagiert», so Astrid Keller. Giuseppe Spina kam 2022 mit «Lysistrata» zum Einsatz. Simon Engeli führt dieses Jahr die Regie bei «Prometheus», ein Stück, das er selbst gerade in Anlehnung an den klassischen Mythos schreibt.
Sowohl Spina als auch Engeli haben immer mal wieder mitgespielt. «»Ich war 2005 der brave Benvolio in ‹Romeo und Julia›, obwohl ich mich für den coolen Mercutio beworben hatte», lacht Engeli. Spina grinst: «Mich haben sie beim ersten Vorsprechen gar nicht genommen». Spätestens die Hauptrolle als Stelzfuss im Black Rider 2011 hat ihn dafür entschädigt.
Schauspielerin Rahel Wohlgensinger ist immerhin schon einmal als Leiche über die Bühne getragen worden. Ihre Domäne, das Puppenspiel, könnte zukünftig gelegentlich eine Rolle spielen, hofft sie. «Bei ‹Prometheus› ist es geplant, aber sicher nicht bei jeder Inszenierung in den kommenden Jahren.»
Dorena Raggenbass wieder im Boot
Passend zur Erneuerung der Intendanz gibt es auch eine neue – und ebenfalls altbekannte – Präsidentin des Vereins See-Burgtheater. Dorena Raggenbass, die das Amt bei der Vereinsgründung 1999 innehatte, es aber abgab, weil sie Stadträtin wurde, hat sich wieder zur Verfügung gestellt. Ihr Nachfolger und Vorgänger Matthias Begemann war vom Posten nach über zwanzig Jahren im vergangenen Herbst wegen Umzugs zurückgetreten.
«Dorena hatte nach ihrem Rückzug aus der Politik eine Flut von Anfragen, aber uns hat sie zugesagt. Wir waren eben auch sehr schnell», sagt Leopold Huber mit einem breiten Lächeln. Stabilität gibt es auf Seiten des Gönnervereins. Im Namen des Vorstands sicherte René Imesch-Rohrbach dem Intendantenteam volle Unterstützung zu.
Astrid Keller und Leopold Huber arbeiten derzeit an einem Buch mit Erinnerungen an 34 Jahre See-Burgtheater mit dem Arbeitstitel «Wir spielen immer». Es soll am 11. Juli zur Premiere des neuen Stücks «Prometheus» vorgestellt werden.
Von Inka Grabowsky
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