von Inka Grabowsky, 26.05.2025
Querschnitt von Kreuzlingen

Das Kult-X beging sein zweites Festival. Wie im vergangenen Jahr präsentierten sich die Kulturvereine, die gemeinsam das Haus nutzen, sowohl einander als auch der ganzen Bevölkerung - sehr zur Freude aller Beteiligter.
«Das Kult-X ist genauso divers wie die Bevölkerung der Region», sagt die Geschäftsführerin Eve Hübscher. «Es bedient die unterschiedlichsten Anliegen.» Das Kult-X-Festival zeigt das exemplarisch. Ein Beispiel: Im Kunstraum finden sich am Nachmittag Gartenfreunde ein. Der Kunsthistoriker André Rogger referiert über die Entstehung des englischen Landschaftsgartens. Und während die meist älteren Besucher:innen andächtig lauschen, klingt aus dem Nebenraum donnernder Applaus und lautes Johlen: Die Musikschule Kreuzlingen zeigt die Tanzshow «Feel the Beat». Am Mittag ist das Angebot genauso breit: Kinder können im Kunstlabor basteln, Sport-Einsteiger den Trampolin-Kurs von Marianne Brühlmann ausprobieren und Tanzfreunde Tango Argentino bewundern. «Es ist beachtlich und wunderschön, wie sich das Kult-X von Jahr zu Jahr besser etabliert», sagt Christine Forster, die 2012 die Idee hatte, auf dem ehemaligen Schiesser-Areal ein Kulturzentrum einzurichten. Heute kommt sie als Besucherin und konstatiert: «Das Haus brummt. Das stimmt zuversichtlich für die Zukunft».

Grosse Bandbreite
Am Vormittag eröffnet die Musikschule mit dem Mini Musical «Annie» das Programm. Der Bühnensaal ist zum Bersten gefüllt. Am Abend zieht unter anderem die OJK Jam-Session das Publikum an. Stephan Militz von Kultur Worx hat dafür extra wieder sein Saxophon ausgepackt. «Ich war mal Profimusiker, aber habe ewig nicht mehr öffentlich gespielt, weil immer die richtigen Mitspieler fehlten. Aber nach einem Glas Rotwein habe ich mich aufgerafft und einen alten Freund und Kollegen gefragt. Und der kannte wiederum passende Musiker. Jetzt spielen wir zum ersten Mal zusammen – und es kommt gut.»

Spektakuläres Unpackaging
Zu einer weiteren Premiere verhelfen Rahel Wohlgensinger und Simon Engeli dem Kult-X Festival. Die beiden gehören zum Leitungstrio des See-Burgtheaters. Der Autor, Intendant und Regisseur fragt die Puppenspielerin zu ihrem Beruf aus. Auch ihre Aufgabe in der aktuellen Produktion «Honig im Kopf» wird zum Thema. Die Zuschauer können miterleben, wie «Tilda», die Klappmaulpuppen-Version eines 10-jährigen Mädchens, das Licht der Bühnenwelt erblickt. Das ist unerwartet unterhaltsam.

Wirkung auch nach innen
Geschäftsführerin Eve Hübscher freut sich über die Zusammenarbeit, die das alles möglich macht: «Natürlich bekommen die einzelnen Kulturvereine im Alltag mit, was die anderen machen, aber in einem Workshop hat sich herauskristallisiert, dass sich alle ein besseres Kennenlernen wünschen. Dafür ist das Festival ideal. Alle kommen einmal heraus aus ihrer Komfortzone und können etwas Neues ausprobieren.» OK-Präsidentin Esther Wolfender stimmt zu: «Im vergangenen Jahr wirkte das Kult-X Festival ja unter anderem auch als Werbung für uns vor der Abstimmung über den Umbau. Doch schon damals war uns klar, dass wir das Fest auch für uns wiederholen wollten. Die Kulturvereine können sich dabei gut untereinander vernetzen.»

Garten als Zusatz-Attraktion
Der neu angelegte Garten habe der Community neue Dynamik verliehen, sagt Annelise Schmid aus dem Vorstand des Trägervereins. Claudia Heinle von der Compagnie Tanzraum hatte die Idee. Inzwischen ist der Hinterhof zur grünen Oase geworden, perfekt mit Barfusspfad und Kartoffelbeet. «Es war ein Herzensprojekt», sagt Heinle. Eigentlich sollte sie während des Festivals sich auf ihre Tanz-Performance mit Workshop konzentrieren, doch immer wieder sind ihre Fähigkeiten als Organisatorin gefragt:
«Das Kult-X ist meine Heimat, deshalb engagiere ich mich. Wir sind zu einer Familie zusammengewachsen. Und weil es funktioniert, macht es Spass.»
Claudia Heinle, Tänzerin & Choreografin

Nachhaltiger geworden
«Eve Hübscher hat angeregt, dass wir die Nachhaltigkeit mit im Blick behalten sollten», so OK-Präsidentin Wolfender, «deshalb gibt es nicht nur Öko-Geschirr, sondern auch wieder den Kleidertausch.» Rose Nussgräber steht hinter dem improvisierten Stand im Garten. Sogar an eine Kabine für die Anprobe hat sie gedacht. «Ich mache das privat schon seit Jahren mit meinen Freundinnen. Jetzt kann hier jeder bis zu fünf Kleidungsstücke vorbringen, und fünf andere dafür mitnehmen. Die Reste gehen in die Kleiderbörse vom Open Place.»

Die Nail Bar im Kunstraum zeigt ein Nagelstudio in Vergrösserung. Bild: Inka Grabowsky
Nebenan und mittendrin
Nachhaltigkeit ist genauso Thema im Kunstraum: Die Installation «Nail Bar» ist während des Festivals gut besucht. Das Kollektiv «Idle Hands» hat alte Windschutzscheiben auf Gestellen so arrangiert, dass man sich auf fast gruselige Weise an künstliche Fingernägel erinnert fühlt. Kurator Reto Müller erklärt seine Motivation beim Festival mitzumachen: «Wir sind nicht nur Nachbarn, sondern als Mitglied auch Teil vom Kult-X. Es ergeben sich wunderbare Synergien, und es gibt einen guten Austausch – auch vom Publikum.» Die angesprochenen Synergien liegen an diesem Tag besonders auf der Hand. Der Kunstraum hat einen eigenen Zugang zum Kult-X-Garten und promotet bei der Veranstaltung seine Teilnahme am «Festival der Vorgärten». «Am 21. Juni gibt es hier die Revue der Vorgärten», so der Kurator.
«Wir sind nicht nur Nachbarn, sondern als Mitglied auch Teil vom Kult-X. Es ergeben sich wunderbare Synergien, und es gibt einen guten Austausch – auch vom Publikum.»
Reto Müller, Kurator Kunstraum und Künstler

Familientreffen
Wer immer in der Kreuzlinger Kulturszene aktiv ist oder aktiv war, scheint zum Kult-X-Festival zu pilgern. Anna Rink von Theater an der Grenze meint: «Die Stimmung ist gut in all dem Durcheinander, egal, ob man nun zuschaut oder mitmacht.» KiK-Gründer (und Prix-Kreuzlingen Träger von 2023) Micky Altdorf sagt: «Es ist nicht selbstverständlich, dass alle Kulturvereine an einem Strang ziehen.» Kabarett-in-Kreuzlingen hatte als Beitrag für das Abendprogramm die Poetry Slammerin Piera Cadruvi engagiert: «Sie hatte bei unserem Mostindienslam teilgenommen und für Furore gesorgt. Und wir bieten sie gerne auf, um regionales Schaffen abzubilden.» Das ist genau das, was die ehemalige Stadträtin Dorena Raggenbass geniesst: «Die kulturellen Angebote hier haben hohe Qualität, und dass, ohne gross Kräfte von aussen holen zu müssen. Es entsteht alles mit uns oder durch uns.» Jean Grädel, Trägervereinspräsident von 2020 bis ’22 kommentiert trocken:
«Das Festival zeigt nach aussen: Wir sind viele, und wir sind nicht nur Kulturspinner.»
Jean Grädel, Regisseur
Ausweichquartiere gesucht
Für die Umbauphase, die im Sommer 2026 beginnt, sucht das Kult-X noch Räume zur Zwischennutzung. Für eine Weile werden einige Gebäudeteile nicht nutzbar sein. Sie sollten wahlweise für Kino-, Theater- oder Konzertabende brauchbar sein oder für Tanz und Bewegung.

Von Inka Grabowsky
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