von Fabian Ziegler, 20.07.2023
«Tourneen sind spannend, aber auch wahnsinnig anstrengend»
Mein Leben als Künstler:in (6): Zwischen Bereicherung und Ermüdung: Der Musiker Fabian Ziegler über das Unterwegssein und das Tourleben. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
In den letzten Wochen war ich viel unterwegs. Nicht am Herumreisen für meinen Urlaub – Sommer, Sonne, Sonnenschein – aber an verschiedenen Orten mit der Musik. Wo genau führt mich meine Arbeit als Musiker hin? Was sind die Herausforderungen auf Tour? Was sind die bereichernden Seiten einer Tour?
In der Welt zu Hause
Mein persönliches Ziel ist es, als Solist und Kammermusiker tätig zu sein. Das beinhaltet nicht nur Reisen in der Schweiz, sondern auch oft im Ausland. In den letzten Jahren führten mich meine Konzerte unter anderem nach Neuseeland, Südkorea, Deutschland und in die Vereinigten Staaten von Amerika. Jede Tour, je nach Ensemble oder Gruppe und auch jedes Land, hat seine Eigenheiten.
Für die kommenden Jahre sind viele Konzerttourneen in Planung. Ich freue mich bereits darauf, an bekannten Orten der US-Ostküste, aber auch im pulsierenden Los Angeles oder weniger bekannten Städten die neu für mich sein werden, zu konzertieren. Und damit verbunden werde ich wieder die Möglichkeit haben, mit anderen wundervollen Musikerinnen und Musikern arbeiten zu dürfen.
Jeden Tag neue Herausforderungen
Das Touring beinhaltet extrem bereichernde Seiten. Nebst vielen neuen und spannenden Leuten kommt man in Kontakt mit anderen Mentalitäten. Neue, nicht planbare Tour-Herausforderungen zwingen einen dabei auch, sich selbst noch etwas besser von einer anderen Seite kennenzulernen.
Als enorme Bereicherung finde ich den Kontakt mit Personen aus verschiedensten Herkunftsländern und Kulturen. Ihre persönlichen Geschichten eröffnen mir in jedem Gespräch oder jeder Zusammenarbeit neue Perspektiven auf die heutige Welt und die Musik im allgemeinen.
Heimat ist da, wo meine Familie ist
Wie bereits im Titel meiner Kolumne erwähnt, ist man als international tätiger Musiker in der Welt zuhause. Und trotzdem, richtig zuhause bin ich in Matzingen TG, wo meine Frau, unsere Katze, meine Familie und Freunde mich umgeben und ich meine Wurzeln habe. Ein Hotelbett kann das eigene nicht ersetzen. Ebenso können die sich die fast täglich verändernden Umgebungen während einer Tour gelegentlich ermüdend und ungewohnt wirken.
Im Allgemeinen betrachte ich das Leben als Künstlerin oder Künstler gleich wie bei Sportlerinnen und Sportlern. Es ist eine extrem spannende und zeitintensive Berufung in diesem Gebiet arbeiten zu dürfen. Trotz grosser Freiheiten – und dem Privileg das Hobby zum Beruf machen zu können – bringt unsere Tätigkeit als Künstler auch Verzicht mit sich.
Die Arbeit als Künstler bedeutet auch Verzicht
Verpasste Familienfeiern, das Zusammensitzen mit Freunden aufgrund von Konzerten oder wegen anstrengenden Übungssequenzen im Probelokal über Wochenenden oder Feiertagen sowie häufige Reisetätigkeit gehören auch dazu. Und doch, trotz all dieser «Opfer» ist das Musiker- respektive Künstlerleben, für welches ich mich entschieden habe, äusserst erfüllend.
Geregelter Tagesablauf hilft beim Wohlfühlen
Um trotz aller Hektik etwas Ruhe für mich persönlich zu finden ist es wichtig, sich so zu organisieren, dass sich Reisen und Engagements so angenehm wie möglich gestalten lassen.
Dazu gehören kleine Annehmlichkeiten wie gutes Essen, das Finden von wundervollen Kaffees mit einladenden Kuchen sowie ein möglichst geregelter Tagesablauf. Sport, Lesen und das Erkunden neuer Konzertumgebungen sind nebst vielseitiger Abwechslung sehr bereichernd und helfen mir, meine Aufgaben als Musiker vollumfänglich wahrzunehmen.
Erst neu, dann gewohnt: Der Zirkel des Künstler:innenlebens
Neues vermischt sich mit Gewohntem, Gewohntes entwickelt sich weiter und Neues wird zu Gewohntem.
Die vielen Facetten des Künstlers, der in der Welt zu Hause ist.
Die Serie «Mein Leben als Künstler:in»
Im Juni 2023 lancieren wir die neue Kolumnenserie «Mein Leben als Künstler:in». Darin schreiben die vier Künstler:innen Ute Klein, Fabian Ziegler, Thi My Lien Nguyen über ihren Alltag und ihre Arbeit. Diese vier Künstlerinnen und Künstler schreiben bis Ende Oktober 2023 regelmässig und abwechselnd ihre Kolumnen für die neue Serie. Sie erscheint ab dem 15. Juni immer donnerstags. Die Vorgaben, die wir aus der Redaktion gemacht haben, waren minimal. In Thema, Stil, Darstellungsform, Tonalität und Medialität sind alle Autor:innen frei. Die Autor:innen können sich aufeinander beziehen, müssen es aber nicht.
Eine kritische Auseinandersetzung mit Dingen, die die Künstler:innen beschäftigen, wie den Bedingungen des Kulturbetriebs oder auch mit dem Kulturleben im Thurgau oder was auch immer, ist genauso möglich wie eine Schilderung des Alltags. Ziel der Serie ist es, ein möglichst realistisches Bild der verschiedenen Künstler:innen-Leben zu bekommen.
Idealerweise entsteht so ein Netz aus Bezügen - interdisziplinär und umspannend. Mit der Serie „Mein Leben als Künstler:in“ wollen wir den vielen Klischees, die es über Künstler:innen-Leben gibt, ein realistisches Bild entgegensetzen. Das soll unseren Leser:innen Einblicke geben in den Alltag der Kulturschaffenden und gleichzeitig Verständnis dafür schaffen, wie viel Arbeit in einem künstlerischen Prozess steckt.
Denn nur wer weiss, wie viel Mühe, Handwerk und Liebe in Kunstwerken steckt, kann die Arbeit von Künstler:innen wirklich wertschätzen. So wollen wir auch den Wert künstlerischer Arbeit für die Gesellschaft transparenter machen. Neben diesem aufklärerischen Ansatz ist die Serie aber auch ein Kulturvermittlungs-Projekt, weil sie beispielhaft zeigt, unter welchen Bedingungen Kunst und Kultur heute entstehen.
Was wir uns als thurgaukultur.ch auch erhoffen mit der Serie ist, dass ein neuer Dialog der Kulturschaffenden untereinander entsteht, aber nicht nur. Es soll auch ein Austausch mit dem Publikum, also unseren Leser:innen stattfinden. Das geht über unsere Social-Media-Kanäle, in denen wir direkt miteinander diskutieren können oder in der Kommentarspalte zu den einzelnen Beiträgen auf unserer Website. Wenn du konkrete Fragen an die teilnehmenden Künstler:innen hast, wenn dich ein Themenfeld besonders interessiert, dann kannst du mir auch direkt schreiben, ich leite dein Anliegen dann gerne weiter: michael.luenstroth@thurgaukultur.ch
Alle erschienenen Beiträge der Serie bündeln wir im zugehörigen Themendossier.
Weitere Beiträge von Fabian Ziegler
- «Das ist eine unglaubliche Kraft!» (24.10.2024)
- Wenn das Hobby zum Beruf wird (12.10.2023)
- Über die Magie eines physischen Tonträgers (14.09.2023)
- «Habt keine Angst vor zeitgenössischer Musik!» (17.08.2023)
- «80-Stunden-Arbeitswochen sind normal» (22.06.2023)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Kolumne
Kommt vor in diesen Interessen
- Kulturvermittlung
- Neue Musik
- Elektronische Musik
Ist Teil dieser Dossiers
Kulturplatz-Einträge
Ähnliche Beiträge
Alles, überall, sofort und auf einmal
Mein Leben als Künstler:in (20): Die Pianistin Simone Keller über Mehrfachaufgabenperformanz. Klingt kompliziert, beschreibt aber den Alltag vieler Künstler:innen ziemlich genau. mehr
Der lange Weg bis zur Bühne
Mein Leben als Künstler:in (12): Wie ein kleines Unternehmen: Die Pianistin Simone Keller über Kultur als nervenaufreibendes Projektmanagement. mehr
Kunst, meine Wildnis
Mein Leben als Künstler:in (11): Die Tänzerin Rahel Buschor über vier Stichworte, wie Kunst und Alltag miteinander verschmelzen. mehr