«Das ist eine unglaubliche Kraft!»

Wie ist es mit einem grossen Orchester zu arbeiten? Der Thurgauer Schlagzeuger Fabian Ziegler erklärt es in einer neuen Folge seiner Serie «Zieglers Tournee-Tagebuch». (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Ich schreibe diesen Text am 19. September 2024 – langsam steigt die Spannung, denn heute Abend werde ich die litauische Premiere des Schlagzeugkonzerts «Frozen in Time» von Avner Dorman spielen. Ein anspruchsvolles Stück, das mir alles abverlangt – und ein absolutes Meisterwerk des Repertoires für Solo-Schlagwerk und Orchester. Darin bediene ich nicht nur etwa eine Marimba, sondern auch ein Vibraphon, Glockenspiel, Crotales, gestimmte Kuhglocken und eine stattliche Anzahl an Trommeln und Becken.

Die Arbeit mit einem Orchester ist für mich immer etwas Besonderes. In diesem Fall ist es mein Debüt mit dem Lithuanian National Symphony Orchestra aus Vilnius, der Hauptstadt Litauens. Für mich eine besondere Woche, in meiner zweiten Heimat mit dem Nationalorchester spielen zu können. Es hilft auf jeden Fall, in eine vertraute Umgebung zu kommen und nicht in eine fremde Stadt. Die Zeit mit meiner Frau und ihrer Familie ist immer etwas ganz Spezielles, und nun habe ich die Gelegenheit, das auch noch mit meinem Beruf zu verbinden – ein absolutes Privileg.

Von der ersten Probe bis zur Aufführung

Aber was ist denn so anders an der Arbeit mit einem Orchester? Es ist die unglaubliche Kraft, die sich gemeinsam mit einem Orchester entwickeln kann. Hinter mir stehen (beim Werk von Dorman) Tuba, Saxophone, vier Schlagzeuger, Klarinetten, Flöten, Oboen, Streichinstrumente und viele mehr. Insgesamt habe ich rund 70 Musikerinnen und Musiker hinter mir, die mit mir zusammen musizieren werden.

Die erste Probe ist hier immer eine Angewöhnungsphase. Ich versuche, das Orchester zu verstehen, und das Orchester versucht, mich zu verstehen. Dabei haben wir einen «Dolmetscher», der uns hilft, die gleiche musikalische Sprache zu finden – den Dirigenten. Eine Position, die nicht zu unterschätzen ist, denn vieles hängt von ihr oder ihm ab. 

Es war eine Freude, dass ich mit Vilmantas Kaliunas einen souveränen Mann an meiner Seite hatte. Der gebürtige Litauer wohnt in Hamburg und spricht daher perfektes Deutsch und Litauisch als Muttersprache. Das hilft in der Kommunikation und ist für einmal angenehm in meiner Muttersprache Deutsch, denn im Musikbusiness ist Englisch auf jeden Fall eine der Hauptsprachen, da Musikerinnen und Musiker aus aller Welt zusammen musizieren.

Video: Einblick in die Probenarbeit in Vilnius

Der Zusammenhalt unter Schlagzeuger:innen

Neben den wundervollen Konzerten, die ich in Klaipėda und Mažeikiai spielen durfte, sind es natürlich die Menschen, die eine solche Reise besonders machen. Gerade das Schlagzeug ist ein sehr geselliges Instrument. Unsere Instrumentengruppe hat einen großartigen Zusammenhalt – denn egal, wo man hinkommt, man hat sofort eine gute Verbindung zu den Schlagzeugern im Orchester. 

Das liegt zum einen sicherlich daran, dass wir uns die Instrumente immer teilen müssen, da wir nicht immer mit ihnen reisen können. So sind wir immer auf die Unterstützung anderer angewiesen und haben dadurch auch gleich die Kommunikation zu den anderen Schlagzeugern.

Natürlich darf auch das traditionelle Essen vor Ort nie fehlen. Es ist einfach wundervoll und ein Privileg, so viele verschiedene Kulturen und ihre Besonderheiten zu sehen und kennenzulernen. Ich freue mich auf meine weiteren Reisen, die mich im Herbst nach Südkorea, in die USA und zurück nach Litauen führen werden. Auch von diesen Reisen werde ich in meinem Tournee-Tagebuch berichten!