von Judith Schuck, 24.02.2025
Mehr Platz für Musik
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Nach langer Suche haben Jugendmusik und Symphonisches Blasorchester Kreuzlingen eine neue Heimat gefunden: Seit Januar proben beide Ensembles im Kirchgemeindehaus. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Wie viele Kulturschaffende leiden auch die Musiker:innen der Jugendmusik (JMK) und des Symphonischen Blasorchesters Kreuzlingen (SBO) seit vielen Jahren an einem Raumproblem. Dabei benötigen die beiden Vereine neben einem Orchestersaal vor allem viele kleine Räume, denn dort findet der Unterricht statt. 1984 bezog die JMK das ehemalige Gemeindehaus von Egelshofen am Gemeindeplatz 1.
Seit geraumer Zeit aber schon mussten Räume extern angemietet werden, zuletzt in der Gaissbergstrasse. Eine Besonderheit im Musikschulbetrieb ist, dass die Unterrichtszimmer nicht kontinuierlich über den Tag verteilt genutzt werden, sondern zu Stosszeiten. Wenn die Schule aus ist, müssen viele Räume gleichzeitig für Musikunterricht zur Verfügung stehen, während sie morgens meist leer stehen.
Bauarbeiten seit Januar
Zu beachten ist ausserdem, dass das Spielen von Musikinstrumenten Lärm, verursacht, weswegen nicht alle Gebäude geeignet dafür sind. Nun haben die beiden Musikvereine, die jeweils für die Schweiz hochrangige Orchester aufweisen, dieses Problem gelöst. Zumindest zu grossen Teilen.
Noch Ende November 2024 unterzeichnete JMK-Präsident Andreas Netzle einen Mietvertrag für Räumlichkeiten im evangelischen Kirchgemeindehaus in der Bärenstrasse 25. In diesem Gebäude herrscht nämlich ein Überschuss an Zimmern. Nachdem im Dezember das Baugesuch bei der Stadt Kreuzlingen eingegeben wurde, konnten im Januar die Bauarbeiten beginnen, die für die neue Nutzung notwendig waren.
Aus eins mach drei
Zwei grosse Büroräume sind nun jeweils in drei Unterrichtsräume unterteilt. Der grosse Saal hat einen Notausgang bekommen und wurde akustisch aufgewertet sowie schallgedämmt. Dies anhand von Deckensegeln, Wandpaneelen, Vorhängen und mobilen Elementen aus Holz, die mit Schafwolle gefüllt sind – alles zusammen mit der Funktion, die Geräusche aufzunehmen und den Raum zu isolieren. Eine Schwierigkeit dabei war, dass das gesamte Gebäude bis in den Keller denkmalgeschützt ist. „Wir haben aber mit der Denkmalpflege gemeinsam eine Lösung gefunden“, sagt Andreas Netzle bei einer Begehung.
Christian Schärer ist Präsident des SBO und damit Untermieter bei der JMK. Er bestätigt, dass der Saal durch die Massnahmen akustisch sehr gewonnen habe. „Die Qualität für Proben hat massiv zugenommen, die Probenarbeiten sind angenehmer, was die Gehörverträglichkeit betrifft und der Raum wird rege genutzt.“ Sein Orchester probt schon seit Januar im KGH, wie die Musikvereine das Kirchgemeindehaus nennen. Für die Jugendmusik ist auch die Nähe zum ersten Standort vor Vorteil. Die Verwaltung von JMK und SBO ist nun in der Bärenstrasse untergebracht und auch Dirigent Stefan Roth hat hier seinen Arbeitsplatz erhalten.
„Es ist ein Haus, in dem Begegnungen stattfinden sollen. Es passt gut zum Kirchgemeindehaus, wenn wir hier wieder mehr Leben drin haben.“
Christian Hauser, Präsident der evangelischen Kirchgemeinde Kreuzlingen
Andreas Netzle spricht von einem Meilenstein in der Geschichte der Jugendmusik. Nachdem sie 2021 ihr 150-jähriges Jubiläum feiern konnte, sei die Eröffnung dieses zweiten Standorts eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte. Wie im Gemeindehaus, sind auch in der Bärenstrasse die Bereiche Orchesterprobe und Instrumentalunterricht vertreten.
Mit dem grossen Saal und dem Bandraum im Keller stehen nun insgesamt acht Räume für die Musik bereit. „Ich glaube, das wird eine Bereicherung für uns“, sagt auch Christian Hauser. Er ist als Präsident der evangelischen Kirchgemeinde Kreuzlingen der Vermieter. Bis Ende September hatte er diese Räume schon an das nahegelegene Alterszentrum Kreuzlingen vergeben, welches wegen Umbauarbeiten Bedarf hatte.
Neues Leben im KGH
„Es ist ein Haus, in dem Begegnungen stattfinden sollen. Es passt gut zum Kirchgemeindehaus, wenn wir hier wieder mehr Leben drin haben“, sagt Hauser. Nicht alles sei reibungslos abgelaufen, räumt der Kirchenpräsident ein. „Aber wir reden miteinander, wann immer wir Bedarf haben und lernen, gegenseitig Rücksicht zu nehmen.“ Kai Kopp ist Musiklehrer an der JMK und sammelt auch noch Erfahrungen: „Wir sind seit drei Wochen in den Unterrichtsräumen. Ich denke, es wird noch kleine Rochaden bei den Raumzuteilungen geben.“
Diese funktionieren zunächst mal nach Instrumentenzuordnung. Im Keller war es die Türbreite, die eine andere Zuordnung forderte, als ursprünglich geplant. Wegen der Lautstärke sollte der Keller als Schlagzeugraum benutzt werden. „Aber die Pauken haben nicht durch die Tür gepasst“, sagt Kopp, darum blieb das Schlagwerk am alten Standort und die Bands bezogen den Keller. Die Schüler:innen fänden den Luftschutzkeller noch cool, da er so ein „Berlin-Band-Keller-Flair“ habe, meint der Musiklehrer.
Stadt unterstützt die Musik grosszügig
Neben der Schalldämmung gab es auch in Sachen Brandschutz einiges zu tun. Darunter neue Türen und eben der neue Fluchtweg aus dem grossen Saal. Insgesamt belaufen sich die Baukosten auf gut 180 000 Franken. Die Stadt Kreuzlingen zeigte sich grosszügig und finanziert das Projekt mit 100 000 Franken. 30 000 Franken kommen vom Kanton aus dem Lotteriefonds. Da hinzu fügen sich Gönner:innen, Spenden und Stiftungen, welche die Raumerweiterung für JMK und SBO unterstützen.
Bleiben noch rund 40 000 Franken, die die beiden Vereine selbst tragen müssen. Um die Kosten für die Baumassnahmen möglichst niedrig zu halten, verzichteten die Auftraggeber auf einen Architekten. Dafür nahm sich der Akustiker Roman Surber den Räumen an. Dazu kommt eine beachtliche Eigenleistung, welche technisch- und handwerklich versierte Vereinsmitglieder erbrachten. Die jährliche Miete für die acht neuen Räume beläuft sich für SBO und JMK zusammen auf 70 000 Franken im Jahr.
Idee: Konzerte für Bewohner:innen des Alterszentrums
Mit der Vertragsunterzeichnung im November sei auch die Vereinbarung zwischen Jugenmusik und Symphonischem Blasorchester aktualisiert worden, sagt Andrea Netzle. „Es gibt klare Verhältnisse darüber, wer was macht.“ Die Kirchgemeinde soll zudem an 35 Tagen im Jahr den grossen Saal für ihre Veranstaltungen nutzen können. Christian Schärer hat aber auch schon Ideen für die Zukunft: „Im Saal könnten Konzerte für die Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen des Alterszentrums stattfinden.“ Schliesslich gebe es bereits Interesse an den neuen Nachbarn.
Mehr zum Thema Räume
Kultur braucht Räume, um sich entfalten zu können. Ateliers, in denen man neue Ideen entwickeln kann. Proberäume, in denen man jeden Ton und jede Zeile so oft wiederholen kann, bis das neue Werk reif ist, aufgeführt zu werden. Und natürlich Bühnen auf denen man all das, was man mit Herzblut einstudiert hat letztlich auch einem Publikum zeigen kann. Das Problem: An all diesen Räumen mangelt es. Im Thurgau. In der Ostschweiz. Eigentlich überall. Seit Jahrzehnten beklagen Kulturschaffende diesen Zustand, aber mindestens genauso lange hat sich nichts daran geändert. Woran liegt das? Dazu haben wir ein eigenes Themen-Dossier eingerichtet.
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Von Judith Schuck
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