von Jana Mantel, 11.04.2024
Die Unschuld des Kükens
Der Kunstverein Frauenfeld präsentiert bis 5. Mai die Ausstellung „Early Feelings“ mit Arbeiten von Ray Hegelbach. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Bei der Besichtigung im März sind die verschiedenen Arbeiten von Ray Hegelbach nicht final in den Räumlichkeiten des Kunstvereins Frauenfeld platziert. An den Wänden aufgereiht warten sie darauf, vom Künstler, der an der Hochschule Luzern, der Akademie für Angewandte Kunst in Wien und der Oslo National Academy of the Arts studierte, stimmig in den unterschiedlichen Räumen gehängt zu werden.
Schon jetzt kristallisieren sich zwei gegensätzliche Formate und künstlerische Herangehensweisen heraus, die auf den ersten Blick gar nicht so recht zusammenpassen wollen. Auf der einen Seite grossformatige Leinwandarbeiten mit Eitemperafarbe und auf der anderen Seite kleine Aquarellbilder. Immer wieder tauchen Küken, Sterne, Nester und Eier auf, in unterschiedlichen Farben und Perspektiven.
Das Auge bleibt kleben
Jedoch, die Ausstrahlung der Arbeiten ist ähnlich und stellt eine spannende Mischung aus Provokation und Leichtigkeit dar. Man bleibt als Betrachter mit den Augen förmlich daran kleben und schaut genauer hin. Etwas, das Ray Hegelbach, geboren 1983 im Thurgau, wohl auch intendiert, er selbst formuliert es so: „Ich möchte die Menschen über ihre Emotionen erreichen.“
Passend dazu lautet der Titel der Ausstellung im Kunstverein Frauenfeld „Early feelings“. Dieser Titel stammt vom Künstler selbst. „Man hat herausgefunden, dass man schon früh im Leben acht Grundemotionen spüren kann“, erklärt er und es schimmert ein wenig durch, dass er gern uns Menschen daran erinnern möchte. So kommen einige Arbeiten von ihm auf einen ersten schnellen Blick harmlos und nett daher, handwerklich ordentlich gearbeitet und fast schon plakativ.
Die Niedlichkeit stören
Kleine Küken sind darauf zu erkennen und nur die auf den Bildern platzierten Schriftzüge irritieren ein wenig und wecken die Neugier. Es sind englische Formulierungen, die die „Cuteness“, wie Ray Hegelbach es nennt, auf seinen Bildern stören. „Ich nutze Schrift als zusätzliches Bildelement“, sagt der Künstler: „Die Auszüge stammen in dem Fall aus einem Kirchenbuch. Überhaupt achte ich im Alltag auf kleine und scheinbar profane Dinge und mache davon Fotos. Aus dieser Sammlung bediene ich mich dann für meine Arbeiten.“
Das können auch Momente sein, die ihm bei einer Internetrecherche begegnen, wie er nachschiebt. „Man sucht etwas im Netz und kommt von einem zum anderen. Dabei wird man mit Bildern konfrontiert, die einen mal mehr und mal weniger fesseln“, kommentiert er. So wechseln sich auch in der Ausstellung Bilder mit einem Sternenhimmel, wie aus einem frisch gestrichenen Kinderzimmer, mit Motiven von Küken ab, denen anscheinend im nächsten Moment an den Kragen gegangen wird.
Licht als weiterer Störfaktor
Ganz besonderen Wert legt Ray auf die Präsentation seiner unterschiedlichen Arbeiten im Raum und arbeitet deshalb mit zusätzlichen Lichtquellen. Dabei haben diese Glühbirnen, die von ihm im Raum platziert werden, keineswegs den Auftrag, ein Bild besonders auszuleuchten, vielmehr nutzt Ray das Licht als zusätzlichen Störfaktor.
Das verstärkt die leicht widerspenstige und etwas sperrige Wirkung der unterschiedlichen Arbeiten, die aber irgendwie auch ehrlich daherkommen und die folgende Aussage des Künstlers überrascht deshalb kaum: „Ich male gern mit Eitempera, das Material fordert mich, denn es ist trüber als Öl und präsentiert sich als echtes Gegenüber“, erklärt er und ja, die Wahl des Materials ist absolut stimmig.
Kunst als echtes Gegenüber
Kunst zeigt sich in dieser Ausstellung als echtes Gegenüber und nicht als Dekoration. Viele neue Arbeiten hat er für die Ausstellung angefertigt, nicht wenige davon zeigen Küken, ein Motiv, das ihn schon länger begleite, wie er selbst sagt. Sie stünden für eine Art Unschuld, mit der er spielt und die er deutlich hinterfragt.
„Die Malerei hat sich erst später als eine gute Art entwickelt, um mich selbst über Kunst auszudrücken“, so Ray, der ursprünglich Grafikdesign studierte und dann nach Wien ging, um sich in der Kunst passender auszudrücken.
Die Rolle des Kunstvereins
Lange Jahre lebte er in Norwegen, einem Land und einer Kultur, die er nicht kannte und die er kennenlernen wollte. Nun, zurück in seiner Heimat fühlt er sich abgeholt und unterstützt, eine Aussage, die sicherlich nicht nur Regula vom Kunstverein Frauenfeld freuen dürfte.
Sie selbst bemerkt: „Wir sehen uns nicht als Galerie, sondern als Plattform, bei der sich Kunstschaffende präsentieren können. Wir alle arbeiten ehrenamtlich und haben uns vor einigen Jahren strategisch zum Ziel gesetzt, junge regionale zeitgenössische Künstler auszustellen. Damit ist oft ein wenig mehr Aufwand verbunden, den wir aber gern auf uns nehmen.“
Einladung per Mehrheitsentscheid
Auch Ray Hegelbach wurde per Mehrheitsentscheid eingeladen, seine Arbeiten wurden bereits europaweit in verschiedenen Institutionen gezeigt. Zudem war er Co-Betreiber des Vereins und Ausstellungsraums Destiny Oslo und Initiant des Ausstellungsprojektes „The Egg Candler“ im Kreuzlinger Kunstraum. Der Kanton Thurgau bedachte ihn bereits drei Mal mit dem Thurgauer Förderpreis für sein Schaffen (2010, 2016, 2023).
Termine in der Ausstellung
Sa 27. April, 15 Uhr: Dialogischer Rundgang mit Ray Hegelbach und Valentin Hauri, Zürich
Anwesenheit des Künstlers: Sa 27. April / So 28. April / So 5. Mai, jeweils 14 bis 17 Uhr
Insgesamt ist die Ausstellung bis zum 5. Mai im Kunstverein Frauenfeld zu sehen.
Von Jana Mantel
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