von Inka Grabowsky, 10.02.2025
Was für ein Wunderwerk!
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Die Performance «Div’in» von Léa Thomens Kompagnie «Horizon-Vertical» im Phönix Theater dreht sich um unseren Körper – und um seine Grenzen. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
«Es ist das Ende einer langen Reise», sagt Léa Thomen nach der gelungenen Vorstellung. Schon 2021 habe sie mit der Recherche zum Thema Körper begonnen. «Ich möchte in meinen Leben so lange wie möglich tanzen. Also musste ich lernen, wie ich meinem Körper Erholung verschaffe.»
Um zu verstehen, was zwischen Muskeln, Gelenken, Nerven und Knochen abläuft, hat sie eine Physiotherapeuten-Ausbildung absolviert. Und sie erstellte das Konzept für die künstlerische Umsetzung des Gelernten in «Div’in». Das Wortspiel aus «Dive-in» (eintauchen) und «divine» (göttlich) ist ein erster Verweis für die Bewunderung der Choreografin für das Wunderwerk Körper.
Mit allen Sinnen
Schon im Foyer des Phönix-Theaters wird das Premierenpublikum auf das Ganzkörper-Erlebnis eingestellt. Von der Decke hängen Zeichnungen, die Léa Thomens geschaffen hat. «Ich verwende goldene Farbe als Symbol der Wertschätzung. Gold steht für extreme Stabilität. Der Mensch muss sich dagegen mit der Zerbrechlichkeit seines Körpers auseinandersetzen.»
Ein Gesprächsthema für die Wartenden bieten Karten mit Sinnsprüchen, die die Künstlerin für die Performance ausgewählt hat: Man zieht seinen Orakelspruch: «Wann hast du das letzte Mal Schmerz in deinem Körper gefühlt? Und Vergnügen?» Oder: «Richte deine Aufmerksamkeit auf einen Körperteil und atme dort hinein.» Bewusst Atmen sollen ohnehin alle. Bevor es in den Zuschauerraum geht, wird eine gemeinsame Übung absolviert: Augen zu, und dreimal langsam Ein- und Ausatmen: «Erinnert euch an die Wahrnehmung, wenn ihr hineingeht», rät Léa Thomens.
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Unsichtbares sichtbar gemacht
Im Bühnenraum geraten die Performenden Soraya Leila Emery, Anna Zurkirchen und Dario Rigaglia ausser Atem. Zunächst bilden sie einen Menschenstapel und wechseln in Zeitlupe die Position. Auf ihren Körpern und dem weissen Untergrund ist eine Videoprojektion zu sehen, die Romain Thomen, der Bruder von Léa, geschaffen hat.
Wenn man sich auf das Thema «Im Innern des Körpers» eingestellt hat, glaubt man Zellhaufen zu erkennen, Zotten, Synapsen, Fasern oder Gewebe in Grossaufnahme und Farbe. Die Kostüme (mitgestaltet von Léa Thomens Mutter Marie) unterstützen den Effekt. Die Spitze erinnert an eine Zellstruktur. Für die Szenografie zeichnet Léas Vater Xavier mitverantwortlich: «Meine Eltern sind eben meine grössten Fans und Unterstützer», lacht die Choreografin.
Treibender und beruhigender Sound
Begleitet werden die Bewegungen von der Musik von Nello Novela, der am Bühnenrand mit E-Gitarre und Mikrophon sitzt. Die Wirkung der brummenden Bässe bleibt nicht aus: Auch das Zwerchfell der Zuschauenden zittert - eine Erfahrung für alle Sinne eben.
Mal ertönt der ruhige Takt des Herzschlags, mal treiben die Rhythmen zu Drehungen, Windungen und Überschlägen an. Das kann nicht lange gut gehen: Eine Performerin rezitiert die Empfindungen beim körperlichen Zusammenbruch: «A paralyzing pain and a numbness I have never felt before.» Sie sei von einem Moment auf den anderen «auf der anderen Seite.» Die beiden anderen wechseln in die Rolle von Ärzten mit weissen Kitteln, um den ermatteten Körper wieder zu heilen.
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Die Community hält zusammen
Die Uraufführung eines neuen Stückes ist für Tanz-Aficionados ein willkommener Anlass, sich im Phönix Theater zu treffen. Micha Stuhlmann, die selbst auf ihre Premiere von «ZwischenWeltWesen» am 21. März hinfiebert, genoss für einmal, die Leistung anderer zu bewundern.
Claudia Heinle ist als Caterer mit dabei: «Léa ist eine Kollegin aus dem TanzNetz Thurgau. Bei einem unsere Treffen hatte ich gekocht. Léa muss es gefallen haben, denn sie fragte mich, ob ich zum sinnlichen Erleben bei ihrer Performance etwas beitragen würde.» Heinles geschmorte Zwiebelhäute mit Nuss zum Auftakt und die selbstgerollten Pralinés zum Abschluss fanden begeisterte Abnehmer.
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Phönix bleibt ein Ostschweizer Tanzmekka
Das Phönix Theater ist nicht einfach Schauplatz eines Gastspiels von Thomens Compagnie Horizon Vertical, sondern Koproduzent. «Ich bin schon vor Jahren, als ich nach Weinfelden kam, von Philippe Wacker gut im Phönix aufgenommen worden», so die Künstlerin. «Deshalb habe ich für dieses Projekt hier angefragt.»
Programmleiterin Julia Sattler stellte gerne die Infrastruktur des Hauses für die dreiwöchigen End-Proben zur Verfügung. «Dieses Mal konnten wir nur mit Raum, Zeit und Gagen helfen», so Sattler. «Im kommenden Jahr können wir mit Mitteln der Kulturstiftung sogar eine eigene Produktion auf die Beine stellen.»
Die Ausschreibung hat die Compagnie «remidemi» gewonnen. Im Februar 2026 soll Premiere sein. Léa Thomen versucht derweil über wemakeit Gelder einzuwerben, um ihr 18-köpfiges Team fair bezahlen zu können.
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Nächste Vorstellungen
Nächste Vorstellung im Phönix Theater: 21. Februar 2025: «Anger Management» von Joshua Monten
Nächste Vorstellung von «Div’in» am 29. März 2025 im Tanzraum in Herisau.
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Von Inka Grabowsky
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