von Inka Grabowsky, 23.02.2022
Eine Wanderung durch die Schweiz
Über drei Jahre hat Daniel Felix an seinem Wanderfilm „Chumm mit“ gearbeitet. Jeder Kanton wird von seiner schönsten Seite gezeigt. Dazu gibt es Reportagen und Interviews. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
„Mein Vater hat mir die Freude am Wandern schon als kleiner Bub vermittelt“, sagt Daniel Felix. „Er hatte immer eine Attraktion oder Belohnung für mich am Ende der Strecke – mal war es eine Bergbahnfahrt oder ein Restaurantbesuch. Auch heute noch brauche ich ein Ziel, auf das ich zulaufen kann.“ Warum Daniel Felix also einen Film über das Wandern dreht, ist damit klar.
Nur warum soll man sich das Ergebnis anschauen, wenn man selbst kein Wandervogel ist? Felix ist um keine Antwort verlegen: „Wer nicht gern wandert, sollte ins Kino gehen, um die wunderschönen Landschaften zu bestaunen, ohne sich aus seinem Sessel wegzubewegen.“
Tatsächlich hat er recht. „Chumm mit“ bietet schönste Bilder der Schweiz, und zwar aus jedem der 26 Kantone – mit einem Schwerpunkt auf der Ostschweiz. Schliesslich ist nicht nur der Filmemacher selbst in Weinfelden zuhause, er hat hier auch seine sechs filmbegeisterten Mitstreiter gefunden.
„Es wäre schön gewesen, wenn der Kurt hätte sehen können, was du gemacht hast. Es ist klar: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“
Paola Felix, Mutter des Filmemachers Daniel Felix (Bild: Inka Grabowsky)
„Dieser Film ist ein nichtkommerzielles Projekt, obwohl er einen riesigen finanziellen Aufwand mit sich brachte“, erzählt Daniel Felix. „Wir haben mal überschlagen: Es wären wohl mehrere hunderttausend Franken an Kosten zusammengekommen, wenn wir übliche Löhne bekommen hätten.“
Das siebenköpfige Team arbeitet jedoch unentgeltlich in den Ferien, mit einer sehr vagen Hoffnung auf spätere Belohnung. „Es wäre schon schön, wenn wir nach dem Verleih an die Kinos oder einer möglichen Zweitverwertung im Fernsehen einen Kassensturz machen und etwas zum Verteilen übrigbliebe“, so der Regisseur, Drehbuchautor und Kameramann. Der Kanton Thurgau hat sich mit 30'000 Franken an der Produktion beteiligt.
Vor vier Jahren hatte er den Film „Durs Appenzellerland“ fertiggestellt. Auch dieses Werk lief zunächst in den Kinos und wurde dann nach Absprache mit der SRG für das Fernsehen umgeschnitten. „Ich bin ja in beiden Welten zuhause“, lacht Felix, der im Brotberuf als Sendeleiter bei SRF arbeitet. Immerhin sind die Auslagen bei den Dreharbeiten durch Sponsoren und Unterstützer bereits jetzt finanziert.
Video: Trailer zum Film
Vorpremiere gelungen
Ein illustres Publikum hatte sich im Liberty-Kino in Weinfelden eingefunden, um die Welturaufführung des Wanderfilms von Daniel Felix zu feiern. Den wohl berührendsten Kommentar gab im Anschluss seine Mutter Paola (die Witwe von Fernsehstar Kurt Felix) im Gespräch mit Moderator Reto Scherrer: „Es wäre schön gewesen, wenn der Kurt hätte sehen können, was du gemacht hast. Es ist klar: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“
Der Musiker Michael von der Heide, dessen Lied „Hinderem Berg“ den passenden Soundtrack zu den Wanderszenen beisteuert, wies stolz auf seinen wenige Sekunden langen Cameo-Auftritt im Film hin. Weinfeldens Stadtpräsident Max Vögeli hatte das nicht nötig. Er spielt sowohl am Anfang als auch am Schluss eine entscheidende Rolle und sorgt mit einem geborgten „Stadt-Leiterwägeli“ für einen Running Gag. Der Umgang mit dem zur Verfügung gestellten Vehikel erweist sich immer wieder als schwierig.
Fast zwei Stunden Infotainment
Einen roten Faden zu finden, um die 26 Wanderungen zusammenzuhalten, war nur eine der Herausforderungen, vor der Regisseur Felix stand. Um die Zuschauer den zwei Stunden-Film über bei der Stange zu halten, gibt es kleine Spielszenen, in denen die Filmer für einmal vor die Kamera wechseln und Missgeschicke inszenieren. Sie wirken zwar mitunter etwas gestellt, erfüllen aber ihren Zweck.
Bemerkenswert abwechslungsreich sind die Kameraführung und die Montage. Luftbilder folgen auf Makro-Aufnahmen von Blüten oder Tieren, der Sternenhimmel dreht sich im Zeitraffer, und nach Interviews sind sorgfältig zusammengestellte Reportagen zu sehen. So lernt man, wer die Schilder an den Wegen herstellt, wie die Wege in Stand gehalten werden und wie Wanderkarten entstehen.
Eine Wanderung aus jedem Kanton
Um den Film realisieren zu können, war zunächst eine intensive Recherche nötig. Das Team hatte sich von den Wanderwegs-Organisationen eines jeden Kantons drei Strecken empfehlen lassen, daraus die repräsentativste ausgesucht und war sie mit lokalen Mitwanderern und zwei Kamerateams abgelaufen.
Nur welche Wanderung wird einem Kanton tatsächlich gerecht? „Im Thurgau starten wir beispielsweise am Wasserschloss Hagenwil, passieren die alte hölzerne Sitterfähre und enden am Hauptwiler Weiher“, so Felix. Wer aber innert drei Minuten eine drei Stunden Wanderung zusammenfasst und dabei auch noch die Eigenheiten des Kantons herausarbeiten will, der läuft Gefahr, Klischees zu verfallen.
Die Thurgau-Sequenz musste also selbstverständlich zur Bluescht, der Obstbaumblüte stattfinden. Um so spannender sind die Wanderstrecken, die nicht nur die Bilderbuchschweiz zeigen: „Überrascht war ich von der Wanderung durch Basel-Stadt“, so Daniel Felix. „Das hätte ich nicht so interessant erwartet.“
Das Buch zum Film
Die Wanderstrecken, die Länge der Wege, das Höhenprofil – all das wird im Film kurz gezeigt – zu kurz, um sich alles merken zu können, wie Daniel Felix erkennen musste: „Wir haben den Film einem Testpublikum gezeigt und hörten: Super, aber können wir das auch schriftlich haben.“
Felix gab die Anregung an den Teamkollegen Max Iseli weiter, der einschlägige Erfahrungen hat. Er hatte vor neun Jahren ein Buch zum Weg der Mittel-Thurgau-Bahn zum Thurbo mit herausgegeben. „Eigentlich wollten wir ja mit Swisstopo eine Wanderkarte machen, aber das erwies sich als zu kompliziert“, erzählt er. „Also habe ich Kanton für Kanton aufgeschrieben, was ich beim Dreh erlebt habe und die passenden Bilder herausgesucht.“
Iseli hat ein geübtes Auge. Er war im Wanderfilm mitverantwortlich für die beeindruckenden Aufnahmen aus der Vogelperspektive. „Die Kamera-Drohne im Rucksack war ja nicht so schwer“, lacht er, „die Akkus leider um so mehr.“
Die nächsten Termine
Öffentliche Vorpremiere von „Chumm mit – DER Schweizer Wanderfilm“ am 27. Februar 2022 im Kino Liberty in Weinfelden, am 1. März auch im Schlosskino in Frauenfeld.
Das Buch zum Film ist bei Flügelrad erschienen und kostet 26 Franken.
Von Inka Grabowsky
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