von Inka Grabowsky, 23.12.2024
Silvester-Kult im Theaterhaus Thurgau
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Die Bühni Wyfelde probt einmal mehr für ihre traditionelle Silvesterpremiere. Diese Saison hat sich das Ensemble aus Profi- und Amateur-Schauspielern «Ein Glas zu viel» vorgenommen – eine Komödie von Pierre Chesnot mit Krimi-Zügen. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
«Ich liebe es, Geschichten zu erzählen», sagt Regisseur Jean Grädel. «Und ich unterhalte gerne. Aber die typischen Lustspiel-Elemente – die falsche Tür zum falschen Zeitpunkt, die Verwechslung – die kann ich nicht mehr ertragen.» An die 50 Stücke habe er gelesen, als er wusste, dass er auch für die diesjährige Produktion der Bühni Wyfelde zum Spielleiter auserkoren worden war. «Dann klagte ich einem befreundeten Regisseur aus Frankreich mein Leid. Er gab mir den Tipp, es mit dem Stück von Chesnot zu versuchen. Und ich habe es sogar in deutscher Übersetzung gefunden.»
Bevor bei «Ein Glas zu viel» die Überraschungseffekte zünden, beginnt es mit etablierten Komödien-Situationen: Ein Mann erwacht nach einer durchzechten Nacht in einem fremden Bett mit einer fremden Frau. Wie im Hollywood-Film «Hangover» muss er sich langsam zusammenreimen, was alles passiert ist, nachdem er einen Eifersuchtsanfall bei einer Kneipentour herunterspülen wollte.
Der brave Spitzen-Beamte ist davon überzeugt, dass ihn seine Frau mit ihrem Schauspiellehrer betrügt. Nun also hat er Kopfweh, Blutspritzer auf der Hose, sehr viel Geld in der Jackentasche und Probleme mit einem eifersüchtigen Ehemann, der Polizei sowie dem Besitzer eines illegalen Spielclubs. Angst vor seiner Frau hat er auch, weil er nicht zum ersten Mal besoffen Unfug gemacht hat.
Video: Einblick in die Probenarbeit
Thomas Götz im Mittelpunkt
Thomas Götz übernimmt die Rolle des bemitleidenswerten Missetäters. Sie gibt ihm viel Raum zu brillieren. Schmerz, Verzweiflung, Zerknirschtheit auf der einen Seite der Skala der Emotionen kann er zeigen, ebenso wie Bauernschläue und Charme auf der anderen. Der Weinfelder Theaterstar geniesst die Produktion aber nicht nur deshalb: «Sonst bin ich meist als Solokünstler unterwegs, und Solisten werden zu Egoisten.»
Wenn er etwa in «Ergötzliches» allein auf der Bühne steht, kann er improvisieren, sollte mal etwas nicht klappen. Hier in Ensemble ist er auf seine Mitspielenden angewiesen. «Andererseits muss ich mich auch nicht allein um alles kümmern. Das ist quasi eine Erholung für mich.»
Peter Wenk darf aus dem Vollen schöpfen
In einer Doppelrolle gibt es ein Wiedersehen mit einem anderen Thurgauer Theater-Urgestein. Der Theaterpädagoge und Regisseur Peter Wenk verkörpert zwei Antagonisten: den strengen Inspektor der Mordkommission im Trenchcoat und den türkischen Spielclub-Besitzer in Lederjacke.
«Es macht mega Spass», lacht er. «Aber man darf nicht ‹schmieren›, also die Klischees auch noch übertreiben.» Gar so einfach sei die Doppelrolle nicht. «Ich habe einen Kostümwechsel, der so schnell ablaufen muss, dass ich es ohne Hilfe nicht schaffe.»
Zwei neue Gesichter
Für die weibliche Hauptrolle hat Regisseur Grädel mit Marissa Andueza ebenfalls einen Profi engagiert. «Er hat mich auf der Plattform ‹Szene Schweiz› gefunden und angeschrieben», sagt sie. «Ich gefiel ihm nach dem Casting, und mir gefiel das Stück, weil es klug und spannend ist. So was hat man noch nicht so oft gesehen hat.» Sie freue sich, mit Amateuren zusammenzuarbeiten. «Sie haben keine eingefahrenen Arbeitsabläufe, greifen nicht auf zuvor eingeübte Rollen zurück, sondern bringen frische Ideen.»
Neu im Ensemble der Bühni Wyfelde ist auch Patric Baumann, der im Alltagsleben Sek-Lehrer ist: «Ich habe die Produktion vergangenes Jahr gesehen und war begeistert. Und weil ich selbst gerne spiele, bin ich den Aufruf auf der Website gefolgt, mich zu melden.» Er übernimmt die Rolle des Sidekicks unseres Helden – der Freund, der ihm helfend zur Seite steht und dabei einiges einstecken muss.
Kult für die Darstellenden und das Publikum
Die langjährigen Mitglieder des Weinfelder Ensembles haben sich inzwischen daran gewöhnt, den Jahreswechsel auf der Bühne zu verbringen. «Ich feiere durchaus Silvester», lacht etwa Thomas Götz, «nur eben hier im Theaterhaus.» «Ich wüsste gar nicht, was ich ohne die Vorstellung machen sollte», meint die Produktionsleiterin und Lebenspartnerin von Götz, Marta Wechsler. «Die Bühni Wyfelde macht das jetzt schon seit bald vierzig Jahren.»
Offenkundig geht es einem Grossteil des Publikums auch so. Ein Besuch der Bühni Wyfelde ist für viele zum Neujahrsritual geworden. Die Premiere am 31. Dezember jedenfalls war innert Minuten ausverkauft. Gut, gibt es bis zum 25. Januar noch 14 weitere Vorstellungen im Theaterhaus Thurgau.
Hier gibt es Tickets
Tickets für je 35 Franken gibt es über die Webseite des Theaters
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