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von Manuela Ziegler, 27.10.2025

Kulturförderung unter der Lupe

Kulturförderung unter der Lupe
Genau hingeschaut: Dieser Beitrag widmet sich der Vergabe der Kulturförderbeiträge im Kanton Thurgau. | © Canva

Einmal im Jahr vergibt der Kanton Thurgau sechs mit insgesamt 150’000 Franken dotierte Kultur-Förderbeiträge. Wie gerecht ist die Vergabe? Eine quantitative und qualitative Recherche gibt Aufschluss. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Alle Jahre wieder - regelmässig schreibt das kantonale Kulturamt insgesamt sechs Förderbeiträge für Kulturschaffende aus. Sie sind mit 25’000 Franken dotiert und damit der am höchsten dotierte Einzelpreis im Kanton für Künstler:innen. Aktuell läuft die Ausschreibung für 2026. Bewerbungen sind noch bis 15. Januar 2026 möglich. Die Ausschreibungsunterlagen können auf der Homepage www.kulturamt.tg.ch abgerufen werden.

 

Mehr zur aktuellen Ausschreibung

Wozu dienen die Förderbeiträge? Die Beiträge sollen – im Sinne eines Stipendiums – einen persönlichen und künstlerischen Entwicklungsschritt ermöglichen sowie Freiraum schaffen für eine gezielte Vertiefung oder Erweiterung der künstlerischen Kompetenzen. Sie werden an Künstlerinnen und Künstler ausgerichtet, die durch ihren Leistungsausweis und ihr Potenzial überzeugen und konkrete Zielsetzungen und Pläne für ihre künftige Tätigkeit darlegen können.

Wer kann sich bewerben? Um einen Förderbeitrag bewerben können sich professionell tätige Kulturschaffende aller Sparten, die ihren Wohnsitz im Thurgau haben oder einen engen Bezug zum Kanton aufweisen.

Wer entscheidet über die Vergabe? In einem zweistufigen Verfahren entscheidet eine Jury bestehend aus den Fachexpertinnen und Fachexperten des Kulturamts und weiteren Fachpersonen über die einzelnen Anträge. Bei der Vergabe der Beiträge werden verschiedene Sparten berücksichtigt. Die Förderbeiträge werden an einer öffentlichen Veranstaltung am 1. Juli 2026 überreicht.

Wo kann man sich bewerben? Die Ausschreibungsunterlagen können auf der Homepage www.kulturamt.tg.ch  abgerufen werden. Eingabeschluss ist der 15. Januar 2026.

 

Wir haben die Ausschreibung zum Anlass genommen, die Vergabe der Förderbeiträge mal genauer anzuschauen. Wie gerecht werden die Preise vergeben? Profitiert eine Sparte besonders? Erhalten mehr Männer oder mehr Frauen die Auszeichnung? Gewinnen eher jüngere oder ältere Kulturschaffende? Und welchen Einfluss hat die Herkunft auf den Preis? Neben der quantitativen Analyse haben wir auch Einzelgespräche mit Thurgauer Künstlerinnen und Künstlern geführt.

Die quantitative Analyse von 2020 bis 2024 zeigt in weiten Teilen ein ausgeglichenes Bild. Allerdings: Menschen mit ausländischen Wurzeln haben den Preis seltener erhalten: Nur fünf von 22 ausgezeichneten Kulturschaffenden hatten Migrationshintergrund. 

Insgesamt ergibt sich auf den verschiedenen Ebenen folgendes Bild: 

 

Geschlecht: Das Verhältnis von weiblichen und männlichen Preisträgerinnen ist nahezu gleich. Die Frauen überwiegen leicht.

 

Alter: Die meisten Förderungen erhielten die 30-Jährigen mit 12, dann die 40-Jährigen mit 9, gefolgt von den 20-Jährigen mit 6 und den 50-Jährigen mit 2 ein 60-Jähriger erhielt die Förderung.

 

 

 

Sparte: Die meisten Preisträger:innen stammen aus der Sparte Bildende Kunst (14), weit abgeschlagen folgen Musik (6), Film+Foto (4) , sowie Literatur (3)  und Tanz+Theater (3).

 

Herkunft: 22 gebürtige oder im Thurgau aufgewachsene Künstler erhielten den Preis, drei Ostschweizer, zwei Westschweizer und ein Deutscher. Nur fünf der Förderbeitragsgewinner:innen hatten ausländische Wurzeln. Bei zweien ist der Geburtsort unbekannt. 

 

Wohnort: Sieben Preisträger:innen leben im Thurgau, 11 sind in die Ostschweiz verzogen, die übrigen in der Schweiz verteilt, nur je einer nach Deutschland beziehungsweise Österreich verzogen.

 

Die Förderstellen im Thurgau

Die Zuständigkeiten der verschiedenen Kulturförderstellen im Thurgau sind nicht auf den ersten Blick zu durchschauen. Deshalb soll ein kurzer Überblick über die Förderlandschaft der öffentlichen Hand helfen, die Aussagen einzuordnen. Mit Kulturamt und Kulturstiftung sowie den regionalen Kulturpools gibt es im Thurgau drei Förderstellen. 

Das Kulturamt vergibt aus dem Lotteriefonds personenbezogene Förderbeiträge, sowie unter anderem Beiträge für Veranstaltungen, Kulturvermittlung, Infrastrukturprojekte, in der Regel an die Veranstalter:innen. Über das Kulturkonzept vergibt das Kulturamt auch mehrjährige Leistungsvereinbarungen mit Kulturinstitutionen, die sich über mehrere Jahre bewährt haben. 

Die Kulturstiftung vergibt Werk- und Projektbeiträge an professionelle Einzelkünstler:innen. Sie vergibt zudem Stipendien, beteiligt sich an neuen Formaten und fokussiert sich auf das zeitgenössische Kulturschaffen im Kanton.

Die insgesamt acht Kulturpools sind regionale Institutionen. In ihnen sind mehrere Gemeinden zusammen geschlossen. Sie vergeben Beiträge für Veranstalter:innen und Einzelkünstler:innen für Projekte, die in ihrer Region stattfinden. Insgesamt fliessen im Schnitt aus den Kulturpools rund 900’000 Franken pro Jahr in regionale Kulturprojekte. Dabei sind die Budgets in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich: Während das Budget im Kulturpool Untersee-Rhein bei 27’000 Franken liegt, verfügt der Kulturpool Thurkultur über ein Budget von 245’000 Franken. Das liegt daran, dass Thurkultur viel mehr Mitglieder hat als der Kulturpool Untersee-Rhein: 23 zu 4. Das heisst: Je mehr Gemeinden sich beteiligen in einer Region, umso mehr Geld steht zur Verfügung. 

Keine Doppelförderung: Grundsätzlich gibt es keine gleichzeitige Unterstützung durch Kulturamt und Kulturstiftung. Von den Kulturpools erhält man nichts, wenn das Kulturamt fördert. Ist das Projekt bei der Kulturstiftung angesiedelt, können auch die Kulturpools auf Antrag unterstützen.

Die Förderlandschaft in der Schweiz

In der Schweiz gibt es glücklicherweise eine vielfältige wie leider auch unübersichtliche, weil heterogene Förderlandschaft. Die Stiftung Spheriq spricht von fünf Grundformen der Förderung: Öffentliche Hand, Stiftungsbeiträge, Sponsoring, Mäzenatentum und Crowdfunding. Und sie erkennt grundsätzlich Optimierungsbedarf in Sachen Mittelbeschaffung, angesichts Förderbeiträgen, die ins Leere laufen und Gesuchsstellender, die über Zusatzaufwände und Unklarheiten bei der Vergabepraxis klagen. 

Eine eigens geschaffene Online-Plattform soll speziell im Bereich Stiftungen für mehr Transparenz und Effizienz sorgen. Auch Thurgauer Kulturschaffende kennen diese Herausforderungen der Mittelbeschaffung. Unsere mehrteilige Recherche zur Kulturförderung in diesem sehr konkreten Bereich der individuellen Förderbeiträge will für mehr Klarheit sorgen.

Was Thurgauer Kulturschaffende dazu sagen

Über die Ergebnisse der zahlenbasierten Untersuchung der personenbezogenen Förderbeiträge haben wir mit Michelle Geser Lunau, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kulturamt Thurgau gesprochen. Sie erklärt in einem Interview Entscheidungsprozesse und erläutert Hintergründe zu den Förderbeiträgen.

Neben der quantitativen Analyse haben wir auch Einzelgespräche mit Thurgauer Künstlerinnen und Künstlern geführt. Ziel dabei war, die Perspektive der Kulturschaffenden auf Kulturförderung abzubilden. Zu Wort kommen in weiteren Teilen der Serie die bildenden Künstlerinnen Isabelle Krieg und Lina Maria Sommer, sowie die Musiker David Lang und Christoph Luchsinger.

 

Der Recherchefonds

Die Beiträge zur Kulturförderung sind entstanden im Rahmen unseres Recherchefonds. Zum 15. Geburtstag von thurgaukultur.ch haben wir im Mai 2024 einen Jubiläums-Recherchefonds initiiert, um bislang unterbelichtete Themen unter die Lupe nehmen zu können. 

 

Unter dem Titel „15 Jahre, 15 Geschichten“ sollen tief recherchierte Beiträge zu verschiedenen Themenfeldern des Thurgauer Kulturlebens entstehen. Alle Beiträge werden in einem Dossier gebündelt. Der Recherchefonds wird unterstützt von der Stiftung für Medienvielfalt und der Crescere Stiftung Thurgau.

 

Bewerbunbgen für weitere Recherchen sind jederzeit per Mail an redaktion@thurgaukultur.ch möglich

 

 

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