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«Im Verteilkampf das grosse Ganze nicht aus den Augen verlieren.»

«Im Verteilkampf das grosse Ganze nicht aus den Augen verlieren.»

Grossratswahl 2024: Die Parteien im Kulturcheck. Die Grünliberalen wollen eine klare Etappierung bei den Museumsbauprojekten und kulturelle Bildung in Schulen stärken. Für die GLP haben die Kantonsrätin Nicole Zeitner und Kantonsrat Reto Ammann unseren Fragebogen beantwortet. (Lesedauer: ca. 5 Minuten)

Welches sind die aus ihrer Sicht wichtigsten Kultur-Projekte der neuen Legislatur?

Nicole Zeitner: Die Museumsstrategie soll wie geplant weiterverfolgt werden. Im Zentrum stehen nach wie vor die Optimierungs- und Sanierungsprojekte der kantonalen Museen. Im 2024 freue ich mich ausserdem auf die Kunstausstellung «Heimspiel». Diese präsentiert und vernetzt alle drei Jahre das künstlerische Schaffen der ganzen Region Ostschweiz, des Fürstentum Liechtenstein und Vorarlberg. Erstmalig ist auch das Kunstmuseum Thurgau dabei und die Ausstellung wird in der Webmaschinenhalle des Werk2 in Arbon geplant. Ausserdem übernimmt für die Durchführung das Kulturamt des Kantons Thurgau die Trägerschaft. Also in vielerlei Hinsicht ein wichtiges und sicherlich viel beachtetes kantons- und grenzüberschreitendes Kunstfestival.

Reto Ammann: Die kulturelle Bildung (auch in den Schulen), wird für den Zusammenhalt in der Gesellschaft wichtiger. Gerade vor dem Hintergrund von KI und Bubble-Gesellschaften haben die Kulturschaffenden eine wichtige Rolle der Identitätsstiftung aber auch kritischen Horizonterweiterung.  

Welche Schwerpunkte wollen Sie in der Kulturpolitik in der neuen Legislatur setzen? Was ist Ihnen besonders wichtig?

Nicole Zeitner: In den kommenden Jahren wird sich entscheiden, ob es gelingt die Museumsprojekte zu realisieren, die Rolle der Kulturszene noch weiter zu stärken und sich der Kulturstandort Thurgau weiter entwickelt wird. Die «Strategie Thurgau 2040» steht für ein vielfältiges Kulturangebot mit nationaler und internationaler Ausstrahlung. Aufgrund der angespannten Finanzlage wird der politische Druck zunehmen und damit auch der Druck auf die geplante Umsetzung insbesondere der Bauprojekte. Mir ist es wichtig, den Stellenwert der Kultur auch unter diesen anspruchsvollen Voraussetzungen politisch weiter zu stärken damit auch die im Kulturkonzept 2023 - 2026 festgehaltenen Ziele weiterverfolgt werden können. 

Reto Ammann: Siehe oben. Zudem ist mir persönlich wichtig, dass im Verteilkampf das grosse Ganze nicht aus den Augen verloren wird. Die Kultur im Thurgau ist gut alimentiert, das soll so bleiben, aber es braucht auch Verständnis für andere Systeme, beispielsweise das Vereinswesen und Bewegung und Sport. 

 

«Mir ist es wichtig, den Stellenwert der Kultur auch unter diesen anspruchsvollen Voraussetzungen politisch weiter zu stärken damit auch die im Kulturkonzept 2023 - 2026 festgehaltenen Ziele weiterverfolgt werden können.»

Nicole Zeitner, GLP-Kantonsrätin

Sollen Kunstmuseum und Ittinger Museum wie geplant saniert und erweitert werden? 

Reto Ammann: Sanierungen sind Investitionen und unabdingbar. Es braucht jedoch eine Planung, was wann dringend nötig und was warten kann. Gleiches gilt für Erweiterungen

Nicole Zeitner: Die Sanierung des Kunstmuseums und Ittinger Museum ist unbestritten und im Finanzplan des Kantons enthalten. Dem kulturellen Leuchtturm des Kantons muss Sorge getragen werden. Aufgrund der in der Finanzstrategie vorgeschlagenen Massnahmen besteht nun die Gefahr, dass durch die Deckelung der Kosten die baulichen Massnahmen nicht wie geplant umgesetzt werden können. Dies hätte negative Auswirkungen auf das Gesamtprojekt. Es ist deshalb genau zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, damit die notwendige Sanierung dennoch sinnvoll umgesetzt werden kann.

Ist der Neubau des Historischen Museums in Arbon immer noch richtig?

Nicole Zeitner: Mit dem Werk2 sollen gesellschaftlich relevante Themen ein breites Publikum ansprechen. Gleichzeitig würde ein moderner Museumsbetrieb mit überregionaler Ausstrahlung entstehen und somit eine zeitgemässe Weiterentwicklung der kantonalen Museen. Es braucht daher eine klare Projekt- und Finanzierungsstrategie, allenfalls auch längerfristig, in welchem Zeitraum der Neubau realisiert werden kann.

Reto Ammann: Der Neubau ist wichtig und richtig. Zum einen ist es ein Zeichen in die Region, Ein Versprechen auch aus den Erlösen der TKB PS. Ausserdem zeigt es neue Aspekte der neueren Geschichte und könnte das modernste Museum nicht nur von der Zeitgeschichte her werden. 

«Es gilt Notwendiges von Wünschbarem zu unterscheiden. Diese Erwartungshaltung muss an die Verantwortlichen gestellt werden.»

Reto Ammann, GLP-Kantonsrat

Kann der Kanton die geplanten Ausgaben bei der Sanierung und Erweiterung der verschiedenen kantonalen Museen stemmen?

Nicole Zeitner: Auch hier muss eine sorgfältige strategische Planung erfolgen, was wann und in welchem Zeitrahmen umgesetzt werden kann.

Reto Ammann: Es gilt Notwendiges von Wünschbarem zu unterscheiden. Diese Erwartungshaltung muss an die Verantwortlichen gestellt werden. Eine Etappierung kann hier helfen.  

Ist eine weitere Etappierung der einzelnen Massnahmen notwendig? Falls ja, welches Projekt würden Sie priorisieren: Kunstmuseum & Ittinger Museum? Historisches Museum in Arbon (Museum werk zwei)?, Sanierung Schloss Frauenfeld? Napoleonmuseum am Arenenberg?

Reto Ammann: Im Vordergrund steht wohl das Museum in Arbon. Wir sind aber gespannt, was der Regierungsrat für eine Priorisierung vorsieht. Letztlich muss auch im Auge behalten werden, wo in Steine investiert wird und ob die Kultur insbesondere ausserhalb der Museumswelt nicht zu kurz kommt vor lauter Bauprojekten. Hier werden wir im Grossen Rat sicher darauf achten. 

Nicole Zeitner:

1.     Kunstmuseum & Ittinger Museum

2.     Sanierung Schloss Frauenfeld

3.     Napoleonmuseum

4.     Historisches Museum Werk2

 

«Letztlich muss auch im Auge behalten werden, wo in Steine investiert wird und ob die Kultur insbesondere ausserhalb der Museumswelt nicht zu kurz kommt vor lauter Bauprojekten.»

Reto Ammann, GLP-Kantonsrat

Angesichts der finanziellen Haushaltsentwicklungen: Befürworten Sie in der kommenden Legislaturperiode Kürzungen im kantonalen Kulturbudget? Falls ja - in welchem Bereich?

Nicole Zeitner: Alle Departemente sind aufgefordert, ihre Ausgaben zu reduzieren. Die Priorisierung der Nettoinvestitionen wird dabei eine Massnahme sein.

Reto Ammann: Ich glaube das wird nicht passieren, da sehr viele der Leistungen abgesichert sind in Leistungsvereinbarungen, welche erst kürzlich erneuert und ausgebaut worden sind, Was passieren kann ist, dass sich der Lotteriefonds ein wenig rascher leert als so oder so erwünscht. Aber die Leerung kommt direkt der Kultur zu Gute. Also quasi in mageren Jahren zumindest gleich viel, respektive so viel wie noch nie im Vergleich zu den Vorjahren. 

Nach Zahlen des Bundesamt für Statistik aus dem Jahr 2019 liegt der Thurgau mit rund 28 Millionen Franken (Staatshaushalt plus Lotteriefonds) nur auf Platz 14 im kantonalen Vergleich bei den Kulturausgaben. Investiert der Kanton ausreichend Geld in die kulturelle Infrastruktur und das kulturelle Leben im Kanton?

Nicole Zeitner: Mit dem neuen Kulturkonzept, das seit 2023 in Kraft ist, können jährlich mehr Mittel aus dem Lotteriefonds für die Kultur eingesetzt werden. Die Mehrausgaben ergeben sich aus neuen und auch erhöhten Leistungsvereinbarungen mit kantonal bedeutenden Institutionen, welche die Kultur im Kanton Thurgau beleben. Neu sind auch Infrastrukturbeiträge an Bauten oder Umbauten von kulturell besonders wichtigen Veranstaltungsorten möglich.

Reto Ammann: Es ist festzustellen, dass der Kanton gerade die letzten Jahre nach 2019 stark in Leistungsvereinbarungen und auch mehr Mittel in die Kultur gesteckt hat. Der Kanton investiert ausreichend in das kulturelle Lebe im Kanton. Der ziemlich volle Lotteriefonds sowie das Zusammenspiel von Kulturstiftung, Kulturamt und Kulturkommission sind ein Garant, dass die Sensibilität hier vorhanden ist und direkt in die Politik fliesst. Bei der kulturellen Infrastruktur müssen Experten sich äussern ob bereits Vorhandenes und ein wünschbarer Ausbau langfristig über die Betriebskosten und Sanierungen vertretbar ist. Hier gilt es auch Priorisierungen zu setzen.    

Jahr für Jahr fliessen mehr Mittel in den kantonalen Lotteriefonds als daraus für kulturelle oder gemeinnützige Zwecke genutzt werden. Aktuell liegen rund 52 Millionen Franken im Lotteriefonds. Muss die Vergabe der Mittel aus dem Lotteriefonds reformiert werden?

Nicole Zeitner: Diese Flexibilität in der Kulturförderung ist eher eine Chance. Es soll zuerst das neue Kulturkonzept (2023 – 2026) umgesetzt werden, bevor eine Reform in Angriff genommen wird. Mit der Motion «Thurgauer Sport- und Kulturförderung im Gleichschritt» wird nun aber vorgegriffen.

«Diese Flexibilität in der Kulturförderung ist eher eine Chance.»

Nicole Zeitner, GLP-Kantonsrätin, zu den Millionen im Lotteriefonds

Reto Ammann: Die Frage ist im Parlament bereits beantwortet worden. Die Politik hat klar entschieden, dass ohne der Kultur etwas wegzunehmen, sprich gleich viel wie bisher auszuschütten, etwas weniger in den Topf fliessen soll, so dass der ebenso wichtige, aber klar unterdotierte Sportfonds aufgebaut und gleichzeitig die Vereine, auch Kultur- und Gesellschaftsträger für ihre Leistungen besser alimentiert werden können. Die Kultur und der Sport gehören beide zu wichtigen Pfeilern im Thurgau. Das soll so bleiben. Deshalb muss die Motion der Kantonsräte Ammann, Eugster und Tobler möglichst zeitnah umgesetzt werden. 

Welchen Stellenwert räumen Sie der Kulturpolitik in ihrer politischen Arbeit ein?

Reto Ammann: Als Vertreter einer kleinen Partei sind wir fast gezwungenermassen Generalisten aber mit sehr viel Spezialwissen, da wir uns in die ganz unterschiedlichen Dossiers einarbeiten können. Der grosse Vorteil daraus ist, dass die Auswirkungen von Entscheiden bereits gut abgeschätzt werden kann und so Kürzungen aber auch ein Ausbau nicht leichtsinnig passiert. Persönlich bin ich sehr kulturinteressiert und fördere insbesondere die kulturelle Bildung wie auch Kunst in der Schule. Siehe bspw. der sehr schöne Bericht von thurgaukultur.ch über Museen und Schulen Dies selbst dann, wenn man aufgrund des privaten Hintergrundes nicht von Angeboten wie Scouts profitieren kann. Man macht dies dann halt einfach selber. Acting outside the Box, was Kulturtreibenden gefallen könnte. 

Nicole Zeitner: Als Mitglied der Kulturkommission des Kantons Thurgau ist die Kulturpolitik ein wichtiger Teil meines politischen Engagements und gleichzeitig eine Herzensangelegenheit, um so meinen Beitrag zur Förderung der kulturellen Vielfalt in unserem Kanton zu leisten.

 

So entstand der Kulturcheck

Der Kulturcheck: Wir wollten im Hinblick auf die Kantonsratswahl am 7. April von den bereits im Rat vertretenen Fraktionen wissen, wie sie es mit der Kultur halten. Um ihre Haltung zu verschiedenen Themen abzufragen, haben wir einen Fragebogen entwickelt. In diesem stellten wir zehn konkrete Fragen (beispielsweise zur Zukunft der kantonalen Museen und des Lotteriefonds), aber auch allgemeine Fragen zur Bedeutung von Kulturpolitik und der finanziellen Lage von Künstlerinnen und Künstlern. Drei Wochen hatten alle Fraktionen Zeit, die Fragen zu beantworten.

Wir haben den Fraktionen überlassen, ob sie eine Fraktionsmeinung abgeben oder einzelne Kandidatinnen und Kandidaten zu Wort kommen lassen. Sechs der sieben im Rat vertretenen Fraktionen haben sich die Zeit genommen, auf unsere Fragen zu antworten. Lediglich die EDU antwortete trotz mehrfachen Nachfragens nicht auf unsere Anfrage.

 

Die Wahl: Am Sonntag, 7. April, wird nicht nur der Grosse Rat neu gewählt, sondern auch die Mitglieder des Regierungsrats stehen zur Wahl. In unserem „Kulturcheck“ konzentrieren wir uns allerdings auf die Parlamentswahl.

 

Niedrige Wahlbeteiligung 2020: Insgesamt haben sich 55’633 Thurgauerinnen und Thurgauer an den Grossratswahlen 2020 beteiligt. Das sind 32,6 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung. Damit ist die Wahlbeteiligung gegenüber den letzten beiden Wahlen wieder leicht gestiegen. Verglichen mit den Nationalratswahlen im Herbst 2019 (42,4 Prozent) bleibt sie aber auf tiefem Niveau. Am fleissigsten zur Urne gingen die Wahlberechtigten des Bezirks Kreuzlingen (34,6 Prozent). Die tiefste Wahlbeteiligung verzeichnete der Bezirk Münchwilen mit 29,7 Prozent. (Quelle: Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau)

 

Die Machtverhältnisse im Grossen Rat: Aktuell zählt der Grosse Rat 130 Mitglieder. Die Sitzverteilung lautet derzeit wie folgt: Die SVP hält 45 Sitze, Die Mitte 18, FDP 18, SP 13, Grüne Partei 15, GLP 8, EVP 6, EDU 5, parteilos 1.

 

 

 

 

 

 

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