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von Inka Grabowsky, 21.06.2024

Bilanz einer Ära

Bilanz einer Ära
Zufrieden mit der Erinnerungsarbeit: Siegrun Nuber, Astrid Keller und Leopold Huber. | © Inka Grabowsky

Was bleibt nach 34 Jahren See-Burgtheater? Astrid Keller und Leopold Huber haben jetzt ihre Erinnerungen aufgeschrieben. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

«Am Anfang hat es mich ordentlich Überwindung gekostet», sagt Leopold Huber, der langjährige Intendant des See-Burgtheaters, «Ich hatte Angst vor der Menge an Arbeit, aber Astrid wollte ein Statement für das Theater, also habe ich es gemacht.» Leopold Huber hat seit 1994 Stücke für das See-Burgtheater inszeniert und zum Teil auch selbst geschrieben. Astrid Keller war bereits bei der Gründung 1990 als Schauspielerin und später als Mit-Intendantin dabei. Es hatte dementsprechend sich sehr viel Material angesammelt. 

«Er hat die Gelegenheit genutzt und gleich das Archiv ausgemistet», so Keller. Noch fungiert das Paar als Produktionsleitung beim diesjährigen Stück «Prometheus», doch nach der Saison wollen sie ganz loslassen und das neue Leitungstrio aus Giuseppe Spina, Simon Engeli und Rahel Wohlgensinger machen lassen. «Jetzt kommt eine neue Ära», sagt Astrid Keller. 

Die Zeit in der Theaterleitung brachte für sie viel Arbeit, aber auch Vorteile mit sich: «Das Tolle daran war, dass ich mir meine Rollen aussuchen konnte. So durfte ich beispielsweise 2002 den Puck im Sommernachtstraum übernehmen. Damals war es noch absolut unüblich, ihn weiblich zu besetzen. Ich wollte ausbrechen aus der Festlegung auf hübsche Frauen. Deshalb habe ich mir dafür eine Glatze schneiden lassen»  

 

«Das Tolle daran war, dass ich mir meine Rollen aussuchen konnte.» Astrid Keller über ihr Engagement beim See-Burgtheater. Bild: Inka Grabowsky

45 amüsante Anekdoten

Das Autoren-Ehepaar, das seit 47 Jahren zusammen ist, hat zu jeder der vergangenen 45 Produktionen eine Geschichte zu erzählen. 1990 war «Biedermann und die Brandstifter» die erste Inszenierung. «Damals gab es in der Region noch keine regelmässigen Freilicht-Aufführungen», so Dorena Raggenbass, die neue und die frühere Präsidentin des Theatervereins. «Inzwischen ist das See-Burgtheater eine Institution.» 

Den grössten Publikumserfolg hatte das Ensemble mit «Besuch der alten Dame» 1997. «Da war der Zuspruch so gross, dass wir zwei Wochen verlängert haben», erinnert sich Leopold Huber. Ähnlich erfolgreich war «Das Sprungbrett zur Macht», das 2006/7 auf dem Arenenberg das Leben Napoleons III. thematisiert. 

Edith Gloor, eine veritable illegitime Nachfahrin des Kaisers aus dem Thurgau, hatte das Stück im Auftrag geschrieben. «Die Leute haben uns überrannt», so Leopold Huber. «Schliesslich sassen sie auf allen Mauern oder waren in die Bäume geklettert, um zuzuschauen.» 

 

Die Schwarze Spinne
Sorgte für Diskussionen: Die Inszenierung «Die schwarze Spinne» aus dem Jahr 2010. Bild: Mario Gaccioli

Immer ein Stein des Anstosses parat

Huber denkt aber auch gern an «Kalter Krieg und heisse Würstli» 2004/5 zurück, das als Uraufführung am Eichhof-Bunker oberhalb von Kreuzlingen gespielt wurde. Als ironische Revue hinterfragt es unter anderem die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. «Anfänglich gab es Diskussionen, ob wir entweder das Militär verunglimpfen oder es verherrlichen. Und genau da gehört das Theater hin: zwischen alle Stühle.» 

Geradezu einen Skandal rief «Die schwarze Spinne» 2010 hervor: Die Dorfbewohner in den Stück kreuzigen eine Ziege als Sündenbock und stellen dann noch das Kreuz falschherum auf. Kirchenvertreter störten sich an diesem Bild. Bei einem öffentlichen Streitgespräch wurde die Frage geklärt. «Wir haben nichts gegen den Skandal», so Huber, «aber wir haben ihn nicht wegen der öffentlichen Aufregung provoziert. Die Szene passte eben zum Stück.»

 

«Wir haben nichts gegen den Skandal»: Leopold Huber, langjähriger Intendant des See-Burgtheater Kreuzlingen. Bild: Inka Grabowsky

Die Orte des Geschehens 

Heute ist das See-Burgtheater im Seeburgpark zuhause, doch das war nicht immer so. Nach den ersten Aufführungen dort wurde es dem Restaurantpächter zu viel. Das Ensemble musste 1993 umziehen. Es schlossen sich einige Jahre auf Schloss Girsberg an. «Dort gab es nur einen Nachteil: den Zug, der dort regelmässig vorbeifährt», so Leopold Huber. «Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht, und ihn beim ‹Besuch der alten Dame› mit ins Stück einbezogen.» 

2005 kehrten die Schauspieler in den Seeburgpark zurück. Seitdem überraschen sie dort mit immer neuen Bühnenbildern, mal einfach wie bei «Romeo und Julia auf dem Dorfe» 2015 - ein Steinhaufen und zwei Schränke aus der Brockenstube – mal aufwändig wie beim drehbaren Mietshaus in «Die Schweizermacher» 2021.

 

Aufwändige Kulisse: Das Ensemble im drehbaren Mietshaus aus «Die Schweizermacher» im Jahr 2021. Bild: Brigitte Elsner-Heller

Auswahl macht auch Arbeit

Erlebnisberichte, jeweils mit einem Foto hinterlegt und mit Kritiken oder Zitaten angereichert, machen die Erinnerungen an 34 Jahren See-Burgtheater unterhaltsam. Eine Herausforderung sei aber die Auswahl der Bilder und Geschichten gewesen, betont Siegrun Nuber, die seit 17 Jahren als Kommunikations-Designerin für das See-Burgtheater arbeitet und nun auch das Buch gestaltet hat. «Es waren 34 Jahre Herzblut zu spüren. Der Inhalt hat mich fasziniert – und meine Ehrfurcht für die Theaterarbeit verstärkt.» 

Aus den Anfangsjahren habe es pro Aufführung vielleicht drei Fotos gegeben, erklärt Leopold Huber, «aber nachdem die Fotografie digitalisiert worden war, hatten wir unendlich viel Material. Leider waren einige CDs, auf denen ich die Fotos hatte, inzwischen nicht mehr lesbar. Erfreulicherweise hatte sie jemand schon vorher konvertiert und gespeichert, so dass wir auf diese Versionen zurückgreifen konnten.» 

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Astrid Keller ist zufrieden: «Alles, was man schon im Hinterkopf abgelegt hatte, wird durch das Buch wieder präsent. Und das ist schön.»

 

Leseprobe aus dem Buch: Leseprobe_Wir_Spielen_immer.pdf

 

Wo es da Buch gibt

Das Buch «Wir spielen immer» kommt am 11. Juli zur Premiere von «Prometheus» zum Verkauf. Wer nicht zur Abendkasse gehen mag, kann es auf der Homepage des Theaters  www.see-burgtheater.ch  vorbestellen. Es kostet 12 Franken.  

 

 

 

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