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von Inka Grabowsky, 15.01.2018

Zwischen Kunst und Kommerz

Zwischen Kunst und Kommerz
Das goldene Evangeliar aus Echternach mit Elfenbein-Nachbildung | © Inka Grabowsky

Manche Bücher sind so alt und wertvoll, dass sie aus konservatorischen Gründen unter Verschluss bleiben müssen. Deshalb gibt es Faksimiles. Zum Beispiel von der Kreuzlinger Firma Coron Exclusiv. Eine Ausstellung im Gewölbekeller des Konstanzer Kulturzentrums am Münster macht auf die Arbeit des Kreuzlinger Faksimile-Herstellers aufmerksam.

Von Inka Grabowsky 

Neun Vitrinen leuchten im dämmrigen Keller. Gold, Edelsteine und Emaille auf den Buchumschlägen glitzern um die Wette. Wer sich für die Buchkunst des Mittelalters interessiert, glaubt sich im Paradies. „Die Mischung von Werken, die sonst ganz Europa verteilt zu sehen sind, sorgt für eine einzigartige Ausstellung“, sagt der neue Kämmerer der Stadt Konstanz, Ulrich Schwarz, bei der Vernissage. Das städtische Kulturamt ist Kooperationspartner des Unternehmens Coron Exclusiv, das die Bücher und  Einzelblätter zur Verfügung stellt. Gezeigt werden Faksimiles, also exakte Kopien von Büchern, die so alt und so wertvoll sind, dass sie der Öffentlichkeit nicht mehr präsentiert werden können. Tageslicht und der Sauerstoff der Luft greifen die Materialen an. „Heute werden kostbare Bücher in Vakuumkammern aufbewahrt“, erklärt der Unternehmensvorstand Herbert Renner. „Nicht einmal Wissenschaftler dürfen an die Originale.“ Deshalb brauchen die Museen und Bibliotheken Faksimiles, die sie Touristen präsentieren können und mit denen Forscher arbeiten dürfen.

Herbert Renner, der Unternehmensvorstand der Coron Exclusiv AGHerbert Renner, der Unternehmensvorstand der Coron Exclusiv AG. Bild: Inka Grabowsky.

Aufwändiger Herstellungsprozess

Die Originale werden 1:1 kopiert. „Es ist immer spannend zu sehen, wenn Experten Original und Faksimile das erste Mal nebeneinander sehen“, so Renner. Ziel ist es natürlich, die Kopie täuschend echt zu machen. Dazu wird die Vorlage fotografiert, das Papier und die Farben analysiert und von Experten nachgebildet. Nur bei bestimmten Materialien muss man Abstriche machen: Das Prunkstück der aktuellen Ausstellung, das goldene Evangeliar aus Echternach, dessen tausend Jahre altes Original im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg unter Verschluss ist, hat auf dem Buchdeckel eine aufwändige Elfenbeinschnitzerei. „Als wir das Buch in den Achtzigern gefertigt haben, war Elfenbein aus Artenschutzgründen schon verboten. Deshalb mussten wir eine Alternative suchen.“ In diesen Fall half ein spezieller gegossener Kunststoff. Die Edelsteine auf dem Einband jedoch sind echt. Wenn sie schief stehen, dann deshalb, weil das im Original auch so ist. Sogar historische Gebrauchsspuren werden imitiert. Die Buchstaben allerdings sind nicht mehr handgemalt, sondern gedruckt. Trotzdem müssen pro Werk bis zu 30 Handwerker aufgeboten und koordiniert werden. Das sorgt für horrende Kosten. „Investitionskosten von einer Million kommen schnell zusammen“, erklärt der Unternehmensführer. „Die Spezialisten, die wir bemühen, sind sehr begehrt. Und erst nach Jahren der Arbeit macht sich der Aufwand bezahlt.“ Ein Faksimile kostet pro Band dann mehrere tausend Franken.

Finanzierung durch Teilen

Um die Herstellung zu finanzieren, produziert der Hersteller nicht nur die Schaustücke für die Besitzer, sondern auch eine limitierte Auflage für den freien Verkauf. „Das wird mit dem Auftraggeber verhandelt. Er bekommt seine Exemplare und eine Lizenzgebühr. Wir dürfen dafür mal 250 Bücher herstellen und mal 499. Nur bei Lose-Blatt-Sammlungen wie aktuell von den schönsten Seiten des Echternachter Evangeliars kommen wir ausnahmsweise auf eine neunhunderter Auflage.“ Die limitierten Auflagen fanden nach Aussage des Kaufmanns bisher reissenden Absatz. Bisher sei immer alles abverkauft worden, so dass man inzwischen auch Produkte der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt aus Graz mitanbiete. „Die Entscheidung, welches Werk wir als nächstes produzieren, ist von enormer Tragweite“, sagt der 71-jährige. „Es muss bei unseren Kunden auf Interesse stossen, kulturhistorisch bedeutsam und ökonomisch sinnvoll zu produzieren sein.“ Hilfreich für das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens ist auch die Ausweitung des Angebots: Coron Exclusiv bietet neben Büchern Porzellan, Schmuck und Münzen an. „Das macht die Hälfte des Umsatzes aus und sorgt für einen regelmässsigen Cashflow. So subventionieren wir das Faksimile-Geschäft. Mitbewerber, die sich dieses Standbein nicht geschaffen haben, haben mit grösseren wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen.“ In Kreuzlingen sitzt übrigens nur die Firmenzentrale mit zwei Mitarbeitern. Ausgeliefert wird vom bayrischen Zirndorf, da ein Grossteil der Kunden innerhalb der europäischen Union wohnt.

Die Ausstellung „Zeitzeugen des Abendländischen Geschichte und Kultur“ im Gewölbekeller des Kulturzentrums am Münster in Konstanz läuft noch bis zum 4. Februar 2018. Der Eintritt ist frei, um eine Spende für die Stiftung Stadtbild Konstanz wird gebeten. Die Einzelblatt-Exponate wechseln wöchentlich. Jeden Tag wird ausserdem ein anders Vollfaksimile ausgestellt.  Ein pdf des Programms gibt es hier

Prachtvolle Buchkunst zeigt die Ausstellung im Konstanzer Gewölbekeller.Prachtvolle Buchkunst zeigt die Ausstellung im Konstanzer Gewölbekeller. Bild: Inka Grabowsky

Einblick in die Ausstellung im Gewölbekeller in KonstanzEinblick in die Ausstellung im Gewölbekeller in Konstanz. Bild: Inka Grabowsky

Das Stundenbuch von Maria Stuart (Originial in der russischen Natioanlbibliothelk St. Petersburg)Das Stundenbuch von Maria Stuart (Originial in der russischen Natioanlbibliothelk St. Petersburg). Bild: Inka Grabowsky

 

 

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