von Jana Mantel, 01.08.2024
Wie ein Spaziergang durch einen Zaubergarten
Der Kunstverein Konstanz zeigt noch bis 29. September Fotografien von Herlinde Koelbl. Die Ausstellung trägt den Titel „Metarmophosen“. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Fünf Ausstellungen im Jahr stemmt der Kunstverein Konstanz, eine davon widmet sich vielfach der Kunstform Fotografie. Verantwortlich dafür ist Dorothea Cremer-Schacht vom Kunstverein, sie sagt: „Mir liegt eine gute Mischung am Herzen und die Arbeiten von Herlinde Koelbl passen ganz hervorragend hierher, stehen sie doch für aktuelle Themen wie die Veränderung und den Zyklus unserer Welt.“
Schon vor ein paar Jahren war Herlinde Koelbl zu Gast im Kunstverein, mit ihrem aktuellen Projekt „Metarmophosen“ trat die in Lindau geborene und erfolgreiche Fotokünstlerin erneut an den Kunstverein heran. Mit Erfolg. „Ihre Arbeiten treffen meinen Anspruch auf Qualität“, ergänzt Kremer-Schacht und eine gewisse Bewunderung für Herlinde Koelbl, die zu den renommiertesten deutschen Fotokünstlerinnen gehört, ist spürbar.
Ansammlung von Farbenpracht
Tatsächlich darf man sich bei dieser Ausstellung auf eine gewaltige Ansammlung von Farbenpracht aus aller Welt freuen. Wer allerdings nett abfotografierte Blümchen erwartet, wird enttäuscht werden. Hier finden sich 35 gerahmte Fotografien und rund 20 bedruckte Fahnen, die für den künstlerischen Anspruch von Herlinde Koelbl stehen.
Mit der gleichen Empathie, mit der sie seit Jahrzehnten Menschen fotografiert, nähert sie sich seit 2015 den Blumen. Sie selbst konkretisiert, „Ich habe schnell verstanden, dass ich mich beim Fotografieren der Natur dieser genauso annähern muss, wie einem Menschen.“
„Viele Menschen wenden sich von verwelkten Pflanzen ab, ich dagegen richte meinen Blick dann erst recht dorthin.“
Herlinde Koelbl, Fotografin
So ist Koelbls große Zuneigung zur Natur spürbar in all den ausgestellten Fotografien, und zwar zu jeder Phase im Wachstum einer Blume. „Viele Menschen wenden sich von verwelkten Pflanzen ab, ich dagegen richte meinen Blick dann erst recht dorthin“, erklärt sie, „Diese Veränderungen in der Natur vom Blühen bis zum Vergehen gehört zum Leben dazu und ich möchte alle Phasen dieses Prozesses aufzeigen. So manches Mal zeigt sich kurz vor dem Vergehen noch einmal eine ganz besondere Pracht in den Blumen.“
Ihre Leidenschaft für das Medium Fotografie lebt sie bis heute aus, einen Pinsel in die Hand zu nehmen, um etwas Gesehenes festzuhalten, wäre ihr dagegen nie in den Sinn gekommen. „Ich habe immer noch Lust auf das Fotografieren, es ist jedes Mal aufs Neue eine geistige Herausforderung“, so Koelbl und mit einem Schmunzeln ergänzt sie, „Picasso hätte sicherlich ähnlich geantwortet, er hätte auch nicht aufhören können zu malen.“
Video: Herlinde Koelbl über „Metarmophosen“
Wie Herlinde Koelbls Karriere begann
Ihre Fotografie-Begeisterung begann vor vielen Jahren mit einem Foto, das sie von ihren Kindern machte. „Ich habe die spielenden Kinder nicht wie damals üblich aus der Ferne fotografiert. Ich bin vielmehr in diese Situation hineingegangen und habe damit auch die Perspektive verändert“, so Koelbl, „das ist etwas, das mir immer wichtig war und noch ist, ich möchte den Menschen nah sein und die Distanz, die automatisch aufgrund einer Kamera da ist, aufbrechen“, schiebt sie nach.
Die Natur als Augenöffner
Sie haben sich wahrlich gefunden, die Naturfotografie und Herlinde Koelbl. Hier trifft Poesie auf Technik und Natur auf einen geübten Blick. „Alle ausgestellten Fotografien wurden nicht am Computer nachbearbeitet und es sind auch keine Ausschnitte aus Fotos zu sehen. Alle gezeigten Fotos sind exakt so, wie ich sie im Moment des Fotografierens als von der Natur fertig komponiert wahrnehme“, und weiter denkt sie laut, „seitdem ich die Natur fotografiere, ist meine Welt noch reicher geworden. Es ist wie eine Art von Achtsamkeitstraining, man kann so viel in nur einem einzigen Blatt einer Blume lesen.“
„Genaues Hinsehen lohnt sich immer.“
Herlinde Koelbl, Fotografin (Bild: Franz Reichrath)
Dann deutet sie auf eine Arbeit, die in Konstanz aufgenommen wurde, „Bei einer Geburtstagsfeier vor ein paar Jahren bei der Familie Stiegeler, blieb ich an einer Blüte in ihrem Garten hängen. Alle anderen gingen weiter, ich war fasziniert, blieb stehen und habe diese fotografiert. Die Natur erschafft so viele Formen, Farben und Strukturen, ein genaues Hinsehen lohnt sich immer.“
Somit darf man den Besuch bei der aktuellen Ausstellung, die Auswahl der Arbeiten sowie die Auswahl der Rahmung und die Hängung stammt übrigens von Herlinde Koelbl selbst, wie eine Einladung zu einem Spaziergang durch einen Blumengarten verstehen. „Meine Arbeiten haben bewusst keine Titel, ich möchte die Besucher damit nicht beschränken. Jeder darf selbst für sich sehen“, sagt Koelbl.
Dorothea Cremer-Schacht hat dies bereits getan und eine Arbeit gefunden, die sie besonders anspricht, „Da ist eine Blüte die nach oben strebt, sie steht für mich für ein positives Signal, für ein Weitermachen im Leben“, sagt sie gedankenvoll und schließt, „Übrigens schaue auch ich nun meine eigenen Blumen noch einmal ganz anders an.“
Mehr zur Ausstellung
Ausstellung Metarmophosen – Herlinde Koelbl im Kunstverein Konstanz läuft noch bis 29.9.24
Folgende Veranstaltungen finden im Rahmen der Ausstellung statt:
Gartenführung zum Thema Metarmophosen mit Elisabeth Stiegeler am Samstag, 10.8. um 15 Uhr / 15 Uhr
Anmeldung hierfür unter: anmeldung@stiegeler-park.de
Vortrag zum Thema Vergehen und Verwandeln mit Prof. Dr. Aleida Assmann, UNI Konstanz
Dienstag, 20.8.24 um 19 Uhr
Weitere Informationen unter www.kunstverein-konstanz.de
Video: SRF-Sternstunde mit Herlinde Koelbl
Von Jana Mantel
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