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Wer soll das denn bezahlen?

Wer soll das denn bezahlen?
Sollten sich Künstler:innen an den Kosten für Ausstellungen mehr beteiligen? Eine Ausschreibung aus Romanshorn löst auch im Thurgau eine Debatte aus. | © Canva

450 Franken für die Teilnahme an einer Ausstellung? Während sich Künstler:innen über solche neuen Geschäftsmodelle beklagen, erklärt die Romanshorner Galerie, wie es zu der Ausschreibung kam. (Lesedauer: ca. 5 Minuten)

Es kommt nicht so oft vor, dass auf unserer Instagram-Seite die Kommentare quasi im Minutentakt hin und herfliegen. Insofern war der Post um die Ausschreibung einer Romanshorner Galerie in der vergangenen Woche eine Besonderheit. 450 Franken sollen Künstlerinnen und Künstler zahlen, wenn sie sich an der Ausstellung «Wa söll da?» - Kunst zum Nachdenken und Schmunzeln» im September beteiligen wollen. Da wurde also Sichtbarkeit gegen Geld angeboten und bei vielen Kulturschaffenden kam das gar nicht gut an.

Die in Ermatingen lebende Künstlerin Kerstin Kubalek schrieb beispielsweise: „Eine leider sehr gängige Praxis. Oft nehmen die Galerien die Arbeiten gegen eine noch höhere Gebühr in Kommission und der Künstler muss sich noch um den An und Abtransport kümmern. Für mich zeichnet sich eine gute Zusammenarbeit mit einer Galerie dadurch aus, dass man zusammenwächst, gefordert und gefördert wird und kontinuierlich gemeinsam an Ausstellungen arbeitet.“ 

 

Ergebnis der thurgaukultur-Umfrage zum Thema. Insgesamt wurden 55 Stimmen abgegeben.

 

„Die Ausbeutung von Kunstschaffenden ist ein absolutes No-Go.“

John Dierauer, Fotograf & Künstler

John Dierauer wurde noch deutlicher: „Kunst zu schaffen ist ein enormer Aufwand – geistig, materiell und kreativ. Dass Künstler jedoch für eine Ausstellung zahlen müssen, ist schlichtweg inakzeptabel. Gute Galerien funktionieren nicht nur wegen der renommierten Künstler, die „gut laufen“, sondern vor allem wegen ihrer Kartei an kunstinteressierten und potenziellen Käufern. Die Ausbeutung von Kunstschaffenden ist ein absolutes No-Go.“  

Gleichzeitig sieht er auch ein Dilemma bei den Kunstschaffenden selbst: „Leider beugen sich viele Künstler diesem Druck, nur um überhaupt die Chance zu haben, auszustellen. Entweder man glaubt an die Kunst oder man macht daraus ein Disneyland – ein reines Geschäftsspektakel, bei dem die Kunst selbst völlig in den Hintergrund tritt.“

 

Die Kunst steht Kopf, wenn Geld den Markt bestimmt. Bild: Canva

 

„Es geht hier nur um Sachkostendeckung. Unser Team arbeitet ehrenamtlich. Gewinn erwirtschaften wir nicht.“

Gerda Leipold, Galerie Mayer’s kulturbad

Aber wie kam es denn jetzt überhaupt zu der umstrittenen Ausstellung in Romanshorn? Gerda Leipold ist Kuratorin in der Galerie „Mayer’s Kulturbad“, die für die Ausschreibung verantwortlich ist. Auf Nachfrage von thurgaukultur.ch erläutert sie die Hintergründe der Teilnahmegebühr. „Es handelt sich um die 4. grosse Gruppenausstellung namens «Simply two» im Kornhaus Romanshorn auf mehreren 100 Quadratmetern, die Sachkosten verursacht. Diese Sachkosten können wir nur decken durch die erwarteten Teilnahmebeiträge der Kunstschaffenden sowie den beantragten Fördermitteln beziehungsweise Sponsoringbeiträge. Es geht hier also nur um Sachkostendeckung.“ Wichtig ist ihr zudem zu betonen: „Unser Team arbeitet ehrenamtlich. Gewinn erwirtschaften wir nicht.“

Leipold weist auch darauf hin, dass es bei den anderen Ausstellungs- und kulturellen Aktivitäten in Mayers-Kulturbad keine Teilnahmebeiträge seitens der Künsterl:innen gefordert werden. „Wir arbeiten seit 2013 ehrenamtlich, nicht gewinnorientiert und ausserdem ohne einen Franken der öffentlichen Hand statt. Aus Freude an der Kunst und der Kultur schaffen und schufen wir einen bislang geschätzten Ausstellungsort und initiierten auch die «Romanshorner Kulturtage», erklärt sie.

 

„It’s a give-and-take, und wenn das gegeben ist und ich als Künstlerin „nur“ mit meinen Bildern anreisen und diese aufhängen kann und für den Rest ist gesorgt, dann find ich den Deal eigentlich ok.“

Christina Nu, Künstlerin (Bild: Bettina Schnerr)

Es gibt auch Künstler:innen, die Verständnis für die Galerie haben. Christina Nu zum Beispiel. Sie schreibt auf unserer Instagram-Seite: „Es kommt darauf an, was seitens des Veranstalters alles geboten wird. Für eine Dienstleistung zahlt man, das ist ja nicht ungewöhnlich. Raummiete und eine gut vorbereitete Infrastruktur (Aufhängevorrichtung, Licht...) sowie das Versenden von Einladungen und der Willkommensapéro generieren Kosten. Wie gross ist die Kund:innen-Kartei für diesen Event? Werden schöne Kataloge/Broschüren gedruckt oder digital aufbereitet und bereitgestellt? Wie ist das weitere Marketing nach dem Event?“ 

Am Ende gilt für sie: „It’s a give-and-take, und wenn das gegeben ist und ich als Künstlerin „nur“ mit meinen Bildern anreisen und diese aufhängen kann und für den Rest ist gesorgt, dann find ich den Deal eigentlich ok. Wenn ich meine Aufhängevorrichtung selbst organisieren muss, nur 17 Nasen kommen und es fehlt der professionelle Rahmen, dann fänd ich's nicht ok.“

Dieter Portmann argumentiert ähnlich: „Die Besucher und Käufer bestimmen den Erfolg einer Galerie oder einer Ausstellung. Jede Galerie oder Ausstellung muss sich sehr gut profilieren um gute Künstler und Kunden zu bekommen und zu erhalten. Da wird es schwierig werden den Aufwand und die Kosten gerecht zu ermitteln. Angebot und Nachfrage bestimmt immer noch den Erfolg. Der Galerist und die Künstler sind frei in der Entscheidung zusammen eine Vereinbarung einzugehen. Es ist als Künstler eine Kunst den richtigen Weg zu finden um seine Werke zum Erfolg zu verhelfen.“

„Angebot und Nachfrage bestimmt immer noch den Erfolg. Der Galerist und die Künstler sind frei in der Entscheidung zusammen eine Vereinbarung einzugehen. Es ist als Künstler eine Kunst den richtigen Weg zu finden um seine Werke zum Erfolg zu verhelfen.“

Dieter Portmann, Künstler

Deborrah Schaer ist Expertin im Aufbau und Wachstum von Technologie-Startups und Kunstsammlerin. 2023 hat sie das Projekt toaa initiiert. Toaa steht in diesem Fall für „The Other Art Affair“. Der Name spielt auf eine alternative, zugänglichere Herangehensweise an das Kunstsammeln an – jenseits der traditionellen, oft elitären Kunstwelt. toaa ist eine Community-Plattform, die sich an alle richtet, die neugierig auf das Sammeln von Kunst sind. Sie adressiert zwei Hauptbarrieren, die potenzielle Sammler:innen oft davon abhalten, eine Kunstsammlung zu beginnen: Zugang und Bildung. 

Durch den Aufbau eines Netzwerks von Galerien und Künstler:innen, die für Qualität stehen und dennoch erschwinglich sind, sowie durch die Bereitstellung von Wissen und Einblicken in den Kunstmarkt, Künstlerkarrieren und Preisentwicklungen, erleichtert toaa den Einstieg in die Kunstwelt. So lautet jedenfalls das erklärte Ziel. Mitgliedern bietet toaa exklusive Veranstaltungen, Lerninhalte und persönliche Beratung, um ihnen beim Aufbau einer Kunstsammlung zu helfen.

Schaer schreibt zu dem Fall in Romanshorn: „Galerien, die in Künstler:innen investieren gibt es ganz wenige, weil schwierig und riskant. Da wird über lange Zeit ein Markt für jeden Künstler aufgebaut und via Programm ständig vermittelt. Dafür braucht es die richtigen Galeristinnen, Sammlerinnen und Künstlerinnen. Visibilität und Marketplace ist nie umsonst, warum soll das ausgerechnet im Kunstmarkt anders sein? Ich glaube wir sind hier ein bisschen zu sehr von Gratisarbeit und (staatlicher) Kulturförderung verwöhnt.“

 

„Visibilität und Marketplace ist nie umsonst, warum soll das ausgerechnet im Kunstmarkt anders sein? Ich glaube wir sind hier ein bisschen zu sehr von Gratisarbeit und (staatlicher) Kulturförderung verwöhnt.“

Deborrah Schaer, Kunstsammlerin

Insgesamt überwiegt in den Kommentaren aber Kritik am Agieren der Romanshorner Galerie. Isabelle Krieg wird schweizweit für Ausstellungen angefragt. Ob ihr auch schon mal passiert sei, dass Aussteller:innen sie um eine Teilnahmegebühr gebeten hätten? „Nein, das ist mir noch nie passiert. Ich würde ihnen sagen, sie sollten sich im Gegenteil darum bemühen, selber Gelder aufzutreiben, um den Künstler:innen eine Aufwandsentschädigung zu bezahlen“, machte sie ihre Position klar.

Alex Meszmer, selbst Künstler und inzwischen auch Geschäftsführer bei Suisseculture, beschäftigt sich schon länger mit dem Thema. Er sagt: „ Das ist ein altes Geschäftsmodell, dass immer auf dem Rücken der Künstler:innen funktioniert. Die Veranstalter haben keine Notwendigkeit wirklich dafür zu sorgen, dass es Besucher und/oder Käufer für die Werke gibt, weil sie durch die Gebühren bereits auf ihre Kosten kommen.“ Zudem hat er eine klare Botschaft an alle Künstler:innen: „Die Berufsverbände raten von Teilnahmen bei solchen Veranstaltungen grundsätzlich ab. Die vollmundigen Versprechungen, die solche Veranstalter oft im Vorhinein machen, werden nie erfüllt.“

 

„Die Berufsverbände raten von Teilnahmen bei solchen Veranstaltungen grundsätzlich ab. Die vollmundigen Versprechungen, die solche Veranstalter oft im Vorhinein machen, werden nie erfüllt.“

Alex Meszmer, Suisseculture (Bild: Sascha Erni)

Seine Kritik an der Handlungsweise geht aber tiefer. Meszmer sieht grössere Probleme in der Galerielandschaft: „Galerien haben schon vor der Jahrtausendwende aufgehört aktive Künstlerförderung zu betreiben und sich stattdessen darauf verlegt, die Künstler:innen zu vertreten, die aus dem Gröbsten schon raus sind und sich bereits einen Namen gemacht haben.“ 

Bemerkenswert für ihn zudem: „Interessant ist eigentlich, dass ein Modell, dass in grossen Städten schon lange praktiziert wird, jetzt auch in der Ostschweiz ankommt. Wir müssen über das Thema sicher diskutieren. Aber ein solches neoliberales Modell braucht es nicht. Es gibt bessere Lösungen.“

 

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