von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 10.11.2025
«Die Kultur kann viel vom Sport lernen.»

Mein Leben als Politiker:in (2): Daniel Eugster ist Unternehmer, Politiker, Familienvater. Er liebt Sport, er fördert Kultur. Porträt eines Pragmatikers. (Lesedauer: ca. 7 MInuten)
Wer viele Bälle in der Luft hat, muss gut jonglieren können. Was klingt wie ein etwas zu oft aufgesagter Kalenderspruch, könnte auch ein Lebensmotto von Daniel Eugster sein. Denn: Viele Bälle in der Luft hat Eugster in seinem Leben auf jeden Fall. Er ist Unternehmer, Politiker, Sport-Fan und Kulturermöglicher. Eine Familie hat er auch, insgesamt fünf Kinder. Das muss man erst mal alles unter einen Hut bringen. Stichwort Worklife-Balance. Aber bei dem Stichwort muss Daniel Eugster lächeln: «Ich kenne eigentlich nur eine Lifebalance, ich unterscheide nicht so sehr zwischen Beruf und Privat.»
Ein Dienstagmorgen in Roggwil. Wir treffen uns in Eugsters Firma direkt an der Strasse von Arbon nach St. Gallen. Eugster trägt eine dunkelblaue Jeans, ein dazu passendes Poloshirt mit dem Namen seiner Firma darauf und viel Energie in der Stimme. Seit 2002 ist der Wirtschaftsingenieur Geschäftsführer in seinem Unternehmen, das bereits 1976 gegründet wurde. Die Haustechnik Eugster AG kümmert sich um Themen wie Energieeffizienz, Gebäudetechnik und nachhaltige Sanierung.
Schon hier zeigt sich, was auch seine politische Arbeit prägt: Wirtschaft und Ökologie sind für ihn keine Gegensätze, er denkt beides stets zusammen. Klimaziele sind für ihn wichtig, sie müssen aber aus seiner Perspektive pragmatisch und nah am Markt umsetzbar sein. «Ich versuche immer, nachhaltig zu handeln, aber dabei wirtschaftlich zu denken», formuliert es der 52-Jährige.
Wie Daniel Eugster in die Politik kam
In der Politik ist Eugster eher zufällig gelandet. Nachdem er einen Gewerbeverein in Roggwil gegründet hatte, wurde er gefragt, ob er nicht für den Kantonsrat kandidieren wolle. «Da ich immer Lust habe zu gestalten und Dinge zu entwickeln, habe ich zugesagt», erzählt der 52-Jährige rückblickend. Und gewinnen wollte er dann schon auch. «Dazu bin ich zu sehr vom Leistungssport geprägt», gibt Eugster zu. Es klappte auf Anhieb, seit 2014 sitzt er für die FDP im Grossen Rat des Kantons Thurgau. Dass es die FDP werden würde, war für ihn klar: «Die Partei reflektiert meine Werte am besten, und sie lässt es auch zu, dass man nicht immer einer Meinung sein muss.»
Die Analyse seiner parlamentarischen Arbeit ergibt folgendes Bild: Daniel Eugster zeigt sich als pragmatischer, wirtschafts- und innovationsorientierter Politiker. Kritisch betrachtet könnte man sagen, dass seine Politik stark auf wirtschaftliche Vernunft, technische Lösungen und Verwaltungseffizienz fokussiert ist – soziale, kreative oder transformative Impulse spielen eine untergeordnete Rolle.
Im Detail:
🧭 1. Quantitative Übersicht
Seit 2014 hat sich Daniel Eugster im Kantonsrat an 21 parlamentarischen Geschäften beteiligt, die Themenschwerpunkte waren Energie/Umwelt, Wirtschaft/Steuern sowie Verwaltungstransparenz.
🧩 2. Thematische Schwerpunkte
Wirtschaft & Entlastung von mittelständischen Unternehmen
Motion 5.6.2024: „Warme Progression analog der kalten Progression regeln“ → Steuertabellen automatisch anpassen, um Wirtschaft & Haushalte zu entlasten.
Motion 20.05.2020: „Leitbild Wirtschaftsstandort Thurgau“ → strategische Ausrichtung der kantonalen Wirtschaftspolitik.
Inhaltlicher Fokus:
→ Steuerentlastung, Vermeidung von Doppelbelastungen, Förderung von Investitionen.
→ Denkt in marktwirtschaftlichen, systemischen Kategorien (Indexierung, Wettbewerbsfähigkeit).
Einordnung: klar wirtschaftsliberal, FDP-Kernlinie, aber mit realpolitischem Bezug auf kantonale KMU-Strukturen. (KMU = kleine und mittelständische Unternehmen)
Energie, Klima & Deregulierung
3.7.2019: „Deregulierung für bessere Erdwärmenutzung“
Motion 2.12.2020: „Bildung einer ständigen Kommission Klima, Energie und Umwelt“
Antrag 23.03.2016: „Elektromobilität im Thurgau“
26.2.2020: „Versteuerung der Umstiegsprämie Elektromobilität“
Inhaltlicher Fokus:
→ Förderung von Energiewende-Technologien (Erdwärme, Solar, E-Mobilität)
→ gleichzeitig Forderung nach Deregulierung und Vereinfachung der Verfahren.
Einordnung: Technologiefreundlich – er verbindet ökologisches Interesse (erneuerbare Energien, Energieeffizienz) mit marktorientierter Umsetzung.
Verwaltung & Bürokratieabbau
7.12.2022: „Abbau von bürokratischen Hürden am Beispiel Wärmepumpe“
4.12.2024: „Transparenz der Kosten parlamentarischer Vorstösse“
Inhaltlicher Fokus:
→ Transparente Verwaltung, messbare Effizienz, Abbau administrativer Belastung.
Einordnung: Diese Linie zieht sich durch fast alle seine Geschäfte: Er verfolgt ein effizienzorientiertes, kontrollorientiertes Verwaltungsideal – mit Fokus auf Kosten, Wirkung und Klarheit gegenüber Öffentlichkeit und Parlament.
Investitionen & öffentliche Mittel
05.05.2021 / 12.09.2018: Berichte über strategische Investitionen der Partizipationserlöse
14.08.2024: „Handlungsalternativen im Investitionsbereich prüfen“
26.10.2022: „Thurgauer Sport- und Kulturförderung im Gleichschritt“
Inhaltlicher Fokus:
→ Faire, ausgewogene Investitionspolitik.
→ Öffentliche Gelder sollen zweckmässig, regional balanciert und unternehmerisch klug eingesetzt werden.
Digitalisierung & Innovation
17.02.2021: „Digitale Infrastruktur im Thurgau“
26.01.2022: „Thurgauer Ideenmanagement – ein Erfolg?“
Inhaltlicher Fokus:
→ Förderung der digitalen Infrastruktur und von Innovationskulturen in der Verwaltung.
Einordnung: Daniel Eugster sieht Innovation als Standortfaktor, nicht als Selbstzweck – also digitalpolitisch konstruktiv, aber betont umsetzungsorientiert.
Inhaltlich beschäftigt er sich in seiner politischen Arbeit vor allem mit Energie- und Wirtschaftsthemen. Dazu kommen klassische liberale Themen wie Bürokratieabbau, Digitalisierung und ein möglichst effizienter Einsatz öffentlicher Gelder. «Ich würde mich als wirtschaftsliberalen, lösungsorientierten Pragmatiker beschreiben», antwortet Eugster, wenn man ihn nach seinem politischen Profil fragt. Darüber hinaus sei er «ein Kopf-Herz-Bauch-Mensch». Für gute Entscheidungen brauche es alle drei Elemente.
Bis zu zehn Stunden pro Woche investiert er nach eigenen Angaben in die Arbeit im Kantonsrat: Sitzungen im Grossen Rat und der Fraktion, Sitzungsunterlagen lesen, sich in Themen einarbeiten, Absprachen in der Fraktion und mit anderen Parteien, Mehrheiten organisieren für eigene Vorstösse, Sitzungen nachbereiten – die zusätzliche politische Aufgabe ist herausfordernd. Ob das ausreicht, um dem Auftrag im Parlament gerecht zu werden? Eugster denkt kurz nach und sagt dann: «Mehr ist nicht immer besser, das lernt man auch als Unternehmer. Wenn man zu viel Zeit hat, kann man den Fokus fürs Wesentliche verlieren.»
«Die Politik? Oft komplizierter, als man denkt!»
Die Arbeit im Kantonsrat empfindet er als bereichernd: «Es ist spannend, sich einzubringen. Ich habe in den vergangenen Jahren in der Politik viel gelernt, vor allem auch, wie wertvoll unsere Demokratie ist. Die Politik ist oft komplizierter, als man denkt.»
Erst durch sein politisches Engagement habe er politische Prozesse verstanden und auch Verständnis dafür entwickelt, dass manche Dinge in der Politik einfach länger brauchen als in einem Unternehmen. «Es gibt eine gewisse Trägheit im System und keine besonders ausgeprägte Veränderungsbereitschaft.» Vorteil davon sei aber, dass es so auch eine gewisse Sicherheit und Kontinuität gebe. Insgesamt blickt er aber positiv auf die parlamentarische Arbeit: «Die Vielfalt an Themen und Menschen im Gremium ist spannend. Allem gerecht zu werden, ist anspruchsvoll, aber auch befriedigend, wenn es gelingt», sagt der Kantonsrat.
Sein Ziel in der Politik: immer das grosse Ganze im Blick zu halten, jenseits von Partikularinteressen eine gute Lösung zu finden. Über die Frage, was genau eine gute politische Lösung ausmache, muss Eugster nicht lange nachdenken: «Eine gute Lösung ist, wenn es klare gesellschaftliche Mehrheiten dafür gibt.» Beispielhaft hierfür nennt er die Kommissionsarbeit zur Verteilung der 127 Millionen Franken aus den Erlösen des Verkaufs von Partizipationsscheinen der Thurgauer Kantonalbank. Daniel Eugster fungierte hier als Kommissionspräsident und sorgte dafür, dass alle Regionen einigermassen gleichberechtigt berücksichtigt wurden.
Er engagiert sich für Sport und Kultur
Daniel Eugster hat in seiner Jugend lange Leistungssport gemacht – Handball. Das merkt man noch heute an seinem zupackenden Händedruck. Auch sonst habe er beim Sport viel gelernt: «Ich bin grundsätzlich Mannschaftsspieler», sagt er. Zentral für ihn dabei: «Da müssen nicht immer alle gleich denken, aber alle müssen letztlich an einem Strang ziehen, um Erfolg zu haben.» Das zeigt sich auch an Eugsters politischer Arbeit. Er kooperiert oft überfraktionell, vor allem mit GLP, Mitte und SVP, manchmal auch mit SP und Grünen.
Sein Sportfaible zeigt sich auch in anderen Momenten – mit seinem Unternehmen unterstützt er verschiedene Vereine, vor allem in der Jugendförderung. Vielleicht auch deshalb war er in der Debatte um die Neuverteilung der Swisslos-Gelder auf der Seite des Sports. Wobei er selbst das gar nicht so klar formulieren würde.
Sein Eindruck aus der Debatte: «Viele haben unser Anliegen falsch verstanden. Es ging uns nicht darum, der Kultur etwas wegzunehmen. Aber wenn von der Kultur die vorhandenen Mittel nicht ausgeschöpft werden, ist es doch besser, sie in den Sport zu investieren, als nichts damit zu machen», sagt Eugster. Die jetzt gefundene Lösung helfe dem Sport jedenfalls sehr und tue der Kultur nicht weh – ein Ergebnis, das politisch überzeuge, findet er.
Im Vorfeld der dritten Ausgabe unseres Dialogformats «Kultur trifft Politik» (17. November, Eisenwerk Frauenfeld, hier kannst du dich anmelden) wollen wir aufzeigen, was es heute bedeutet, Politiker:in zu sein. In fünf Texten porträtieren wir Thurgauer Politiker:innen, die sich auf den verschiedenen Ebenen, um den politischen Diskurs bemühen. Wir zeigen auf, welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen und wie viel Gestaltungsmöglichkeiten sie wirklich haben.
In den Folgen der Serie treten auf: Nina Schläfli (SP), Judith Ricklin (SVP), Daniel Eugster (FDP), Patrick Siegenthaler (Die Mitte) und Felix Meier (SP). Bei der Auswahl haben wir auch darauf geachtet, ob die Politiker:innen Berührungspunkte mit kulturellen Themen haben. Und wie sie sich bei diesem Thema in ihren Parlamenten positionieren. Alle Texte bündeln wir schliesslich in einem eigenen Dossier. Du findest es hier.
Bereits im vergangenen Jahr haben acht Thurgauer Kulturschaffende unter dem Titel «Mein Leben als Künstler:in» aus ihrem Leben berichtet. Auch diese Texte findest du nach wie vor bei uns im Magazin. Und zwar hier.
Das Presswerk hat er mit aufgebaut
Tatsächlich sind da ja durchaus zwei Herzen in Eugsters Brust. Denn neben seiner Affinität zum Sport hat er ja auch ein Interesse an Kultur. Sein Unternehmen unterstützt einerseits zum Beispiel die Musikschule Arbon. Andererseits ist er einer derjenigen Menschen, die mit dem Presswerk in Arbon eine der lässigsten Konzertlocations der Ostschweiz geschaffen haben. In einer ehemaligen Produktionshalle von Saurer ertönt heute regelmässig zeitgenössische Pop- und Rockmusik. Es ist ein Paradebeispiel für die Umnutzung industrieller Räume.
Dass es gemeinsam gelungen ist, das Presswerk vor inzwischen acht Jahren zu etablieren, bezeichnet er noch heute als einen riesigen Erfolg. Bis heute unterstützt Daniel Eugster den Verein aktiv, man trifft ihn regelmässig bei Konzerten. «Wenn die Halle voll ist und die Menschen glücklich sind, das ist einfach das Grösste», schwärmt der 52-Jährige.
Eugster ist Co-Präsident im Verein Presswerk, gleichzeitig ist er auch Verwaltungsrat in der Kulturzentrum Presswerk AG. Veranstalter des kulturellen Programms ist der eigens gegründete Kulturverein Presswerk. Dafür gibt es auch Zuschüsse von Kanton und Stadt. Alle anderen Dinge rund um die Eventlocation und das Restaurant übernimmt die AG. Das Kapital der AG stammt von etwa 70 Aktionär:innen.
«Kommerziell» ist für ihn kein Schimpfwort
Damit ist das Presswerk auch ein Beispiel für Public-Private-Kooperationen, wie sie Daniel Eugster versteht. Er setzt auf Partnerschaften zwischen Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Staat, anstatt rein auf staatliche Förderung. Das Motto dahinter: Kulturförderung ist dann am wirksamsten, wenn sie unternehmerisch gedacht und gesellschaftlich getragen wird. «Kommerziell» ist für ihn kein Schimpfwort. Oder andersherum gesagt: Kultur ist für ihn auch ein Standortfaktor, kein reines Subventionsprojekt.
Entsprechend kritisch blickt er auf avantgardistische Kulturprojekte, die gesellschaftlich zwar wertvoll sind, aber wirtschaftlich weniger messbar. Eugster findet: Das Publikum müsse man immer mitdenken.
Wie der Sport Gemeinsamkeit geschaffen hat
Aber das sei ohnehin etwas, das er bei manchen Kulturschaffenden nicht verstehe: «Ich frage mich oft, warum manche Künstler:innen nicht mehr dafür tun, dass sie ein grösseres Publikum haben.» Das sei doch eigentlich nur eine Frage der richtigen Ansprache. «Im Sport gibt man sich extrem Mühe, ein Publikum zu erreichen – ganz einfach, weil man muss.» Eugster ist überzeugt, hier könnte die Kultur viel vom Sport lernen. Schliesslich sei das auch ein Grund, weshalb der Sport bei politischen Abstimmungen sehr gut in der Mobilisierung der Bevölkerung sei.
Zum Schluss noch eine Anekdote: «Wir haben uns beim Handball früher oft gefragt: Wie schaffen wir es, dass auch die Volleyballer und Fussballer zu unseren Turnieren kommen?», erinnert sich Eugster. Die Antwort war denkbar einfach: «Indem wir erst mal zu ihren Turnieren gehen.» Der Rest habe sich dann von selbst ergeben.
Zwischen leisten und fordern
Und das bringt dann ganz gut eine andere Lebensweisheit von Daniel Eugster auf den Punkt: Bevor du etwas von anderen fordern kannst, musst du selbst erst mal etwas leisten.
Nicht der schlechteste Rat, den man in diesen zur Selbstüberhöhung neigenden Zeiten geben kann.

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