von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 05.05.2022
Von Burgen und Rittern
Das Archäologische Landesmuseum in Konstanz inszeniert wieder einmal Geschichte mit Playmobil-Figuren. Das ist immer noch sehr unterhaltsam und lehrreich. Aber allmählich gerät das Format an seine Grenzen. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Im Prinzip ist das eine ziemlich unschlagbare Mischung: Burgen, Ritter, Playmobil. Mit diesem Dreiklang kann man bei Kindern nichts falsch machen. Statt mauligem Genöle erntet man bei Nennung dieser Begriffe fröhliches Glucksen. Und so ist es ziemlich klug vom Archäologischen Landesmuseum (ALM) in Konstanz genau diese Mischung zum Grundrezept für eine neue Ausstellung zu machen.
„Burggeschichten“ heisst sie und der Titel fasst präzise zusammen, was zu sehen ist: Geschichte und Geschichten aus und über Burgen in verschiedenen Zeiten. In vier Szenerien zeigt das Museum, wie sich das Leben auf einer Burg gestaltete und wie sich das Verständnis von Burgen über die Jahrhunderte veränderte.
Betritt man das Dachgeschoss des ALM, hier ist die Playmobil-Ausstellung aufgebaut, dann startet hier auch eine Zeitreise: Von der Eisenzeit, also um etwa 600 vor Christus, bis tief hinein ins 15. Jahrhundert.
Die Rolle von Handel und Mobilität
Am Anfang steht ein weit greifender Nachbau der keltischen Heuneburg. Noch keine Burg im klassischen Sinne, sondern eher eine grossflächige Siedlung auf einem Bergsporn oberhalb der Donau gelegen.
Mehrere tausend Menschen lebten um 600 vor Christus hier. Das Playmobil-Modell zeigt, wie der Alltag damals war, wie die Menschen arbeiteten, womit sie sich beschäftigten und wie schon damals Handel und Mobilität wesentlich für die Gesellschaft waren.
Grosse Denker über eine neue Stadt
Ölschiefer aus Südengland für Armreifen, Bernstein aus dem Baltikum, Korallen und Muscheln vom Mittelmeer für Schmuck und auch Wein und kostbares Tafelgeschirr aus Griechenland und Etrurien kamen auf der Heuneburg an.
Das Modell funktioniert wie ein grosses Wimmelbild, überall gibt es etwas zu entdecken. Manchmal kleine Details, manchmal grosse Geschichten. Auch der griechische Geschichtsschreiber Herodot ist zu sehen. Er nannte den Ort „Pyrene“ und bezeichnete ihn in seinen „Historien“ unter anderem als „die grösste kleinste Stadt der Welt“.
Grosse Detailliebe und viel Humor
Die weiteren Playmbobil-Inszenierungen zeigen, wie sich die Burgen im Lauf der Zeit verändert haben. Von den reinen Verteidigungsanlagen der Römer im 4. Jahrhundert nach Christus über die adeligen Wohnsitze im 11. Jahrhundert nach Christus bis zu den üppigen Repräsentanz- und Trutzbauten im Spätmittelalter. Das ist einmal mehr, es ist bereits die 12. Playmobil-Ausstellung im ALM, mit grosser Detailliebe und viel Humor gestaltet.
Fast alle historischen Bauten haben die Archäologe:innen massstabsgetreu nachgebaut, sie haben Szenen nach wissenschaftlicher Erkenntnis gestaltet und dabei so liebevoll Fehler eingebaut, dass allein die Suche danach eine große Freude ist - vor allem für Erwachsene. Es bleibt auch noch Platz für politische Botschaften und popkulturelle Referenzen: Stichwort Friedens-Flagge und Killer-Kaninchen.
Viel zu entdecken
Bei allem spielerischen Umgang mit dem Thema - die Ausstellung verschweigt nicht die grausamen Seiten des Mittelalters. In einem Wald unweit der hochmittelalterlichen Motte stehen Galgen. Und Figuren baumeln an den Stricken.
Man lernt in der Ausstellung aber nicht nur über plötzlichen Tod, sondern vor allem auch über das Leben in dieser Zeit: Wie wurde gearbeitet? Wie lebten die Menschen zusammen? Wie und wo bauten die Menschen ihre Siedlungen? Und wie waren die Strukturen der Gesellschaften damals?
Routiniert erzählt. Vielleicht zu routiniert
So gibt „Burggeschichten“ eine Vielzahl von Einblicken, erzählt unterhaltsam und lehrreich vom Burgleben und doch bleibt nach dem Rundgang auch der Eindruck von zu viel Routine in der Ausstellung.
Zum 12. Mal inszeniert das ALM Geschichte nun mit Playmobil-Figuren und im Kern, oder besser gesagt, in ihrer Form, haben sich die Ausstellungen nie gross unterschieden. Sie bauen stets auf dasselbe Prinzip: Wissenschaftliche Akribie, kuriose Szenen, liebevolle Details.
Das Erzählprinzip wirkt nach 12 Ausgaben abgenutzt
Das ist nicht falsch. Aber wenn man eine solche Ausstellung nicht zum ersten, sondern, sagen wir, zum sechsten Mal sieht, dann wirkt dieses Prinzip ein bisschen abgenutzt.
Der Schau würde es gut tun, auf Basis der bisherigen Prinzipien, neue Zugangswege und Vermittlungsformate zu schaffen. Formate, die sich von klassischen Ausstellungen abheben, sich von den statischen Darstellungen lösen. Und mehr Multimedialität und Partizipation zulassen.
Wenn den Ausstellungs-Macher:innen das gelingt, könnte das Vermittlungs-Prinzip Playmobil auch in den kommenden Jahren weiter wirken. Bis dahin sei trotzdem ein Besuch der aktuellen Ausstellung empfohlen: Viel leichter als hier bekommt man Kinder nicht ins Museum.
Die Öffnungszeiten
Die Ausstellung „Burggeschichten“ ist noch bis zum 10. September 2023 im Archäologischen Landesmuseum Konstanz (Benediktinerplatz 5) zu sehen. Öffnungszeiten: Di bis So und feiertags von 10 bis 18 Uhr. Eintritt: 6 Euro. Freier Eintritt für alle an jedem 1. Samstag im Monat. www.alm-bw.de
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