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Ein bisschen Sicherheit in unsicheren Zeiten

Ein bisschen Sicherheit in unsicheren Zeiten
Glücksfall Lotteriefonds: Mit Leistungsvereinbarungen können Kulturschaffende über mehrere Jahre zuverlässig arbeiten. | © Canva

Datenanalyse Lotteriefonds im Millionencheck (3): Wer sich im Kulturleben des Kantons bewährt, kann irgendwann eine Leistungsvereinbarungen mit dem Kanton schliessen. Wie hoch die dotiert ist, unterscheidet sich stark. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Viele Projekte gäbe es im Kanton ohne Lotteriefonds nicht. Das See-Burgtheater Kreuzlingen. Das Theater Bilitz. Der Kunstraum Kreuzlingen. Sie alle finanzieren sich im Wesentlichen aus Mitteln des Lotteriefonds. Übrigens auch thurgaukultur.ch gäbe es ohne Lotteriefonds nicht (mehr zu unserer Finanzierung im Infokasten am Ende des Textes).

Früher alle drei, inzwischen alle vier Jahre veröffentlicht das kantonale Kulturamt ein neues Kulturkonzept. Darin legt es offen, wofür die Gelder aus dem Lotteriefonds eingesetzt werden. In den ersten beiden Episoden unserer Serie zum Millionencheck (hier und hier) hatten wir den Blick auf die Projektförderungen geworfen, die einmalige Beträge an Kulturschaffende auszahlen. In dieser Folge wird es um die mehrjährigen Leistungsvereinbarungen gehen. Diese sind im Kulturkonzept des Kantons gebündelt.

Die Bedeutung des Kulturkonzeptes für den Kanton

Dieses Kulturkonzept ist aber keine reine Geldverteilmaschine, sondern es will auch inhaltliche Schwerpunkte setzen für die nächsten vier Jahre. „Mit dem Kulturkonzept legt der Kanton Förderschwerpunkte fest und beschreibt die Grundlagen und Ziele der Kulturförderung, Kulturpflege und Kulturvermittlung“, heisst es in der aktuellen Ausgabe für die Jahre 2023 bis 2026.

Das bedeutet: Das Kulturkonzept ist ein zentrales Element der Thurgauer Kulturpolitik. Es zeigt den geplanten Weg auf für die kommenden vier Jahre. Darin aufgeführt sind auch die so genannten Leistungsvereinbarungen mit verschiedenen Institutionen aus dem Kulturleben im Kanton.

Eine solche mehrjährige Vereinbarung schliesst der Kanton erst, wenn sich eine Kulturinitiative über mehrere Jahre bewährt hat. Das aktuelle Kulturkonzept stammt aus dem Jahr 2022 und beschreibt die Jahre 2023 bis 2026. Derzeit wird das neue Kulturkonzept 2027-2030 im Kulturamt Thurgau vorbereitet. Deshalb beziehen wir uns in dieser Analyse noch auf das aktuell gültige Konzept.

 

 

Der gesetzliche Rahmen: Was möglich ist mit den Geldern aus dem Lotteriefonds

Schaut man in die gesetzlichen Grundlagen zur Vergabe der Mittel fällt auf: So richtig eng hat der Gesetzgeber die Förderung aus dem Lotteriefonds nicht gefasst. Geregelt ist die Vergabe der Lotteriemittel im Lotteriegesetz und einer dazu gehörigen Verordnung des Regierungsrats über die Verwendung der Gelder aus dem Lotteriefonds

Die „Verordnung des Regierungsrates über die Verwendung der Mittel aus dem Lotteriefonds“ nennt insgesamt neun mögliche Verwendungszwecke: Kulturelle Projekte, Infrastrukturen im Kulturbereich, Förderbeiträge an Kulturschaffende, die Kulturstiftung des Kantons Thurgau, Anschaffungen von Kulturgütern, Denkmalpflege, gemeinnützige Projekte (inklusive Sport), Jugendaktivitäten sowie humanitäre Hilfsaktionen.

Eine angemessene Eigenleistung wird ebenso vorausgesetzt, wie die finanzielle Beteiligung der Gemeinden vor Ort. Kompliziert wird es bei einer weiteren Voraussetzung - die Bedeutung eines Vorhabens. Wie genau wollte man das schliesslich bemessen? Was für den einen eine grosse Bedeutung haben kann, muss es für die andere noch lange nicht. Wohl auch deshalb interpretiert der Kanton die Definition dieses ohnehin weichen Kriteriums breit. Geld aus dem Lotteriefonds kann demnach bekommen, wer ein Projekt plant, „das für den Kanton oder eine grössere Region von Bedeutung, das von gesamtschweizerischer oder interkantonaler Bedeutung ist oder eine Bedeutung für die Regio Bodensee hat“.

Was hat sich seit 2023 verändert?

Neu daran war vor allem: Es gab mehr Geld. Flossen in den Jahren 2019 bis 2022 rund 10,8 Millionen pro Jahr aus dem Lotteriefonds in die Kultur, so sind für die Jahre 2023 bis 2026 13,2 Millionen pro Jahr vorgesehen. Das sind 2,4 Millionen Franken mehr pro Jahr. 

Die Mehrausgaben ergaben sich vor allem einerseits aus neuen Leistungsvereinbarungen mit Institutionen, die bislang noch keine hatten sowie erhöhten Zuschüsse für bereits bestehende Leistungsvereinbarungen. Solche Vereinbarungen geben den Kulturschaffenden etwas Sicherheit in unsicheren Zeiten. Schliesslich ist dadurch oft ein Grossteil der Finanzierung abgedeckt. Die Institutionen können in Ruhe arbeiten, ohne sich ständig Sorgen über die Zukunft machen zu müssen.

Neue Leistungsvereinbarungen gab es ab 2023 zum Beispiel mit dem Seemuseum Kreuzlingen (100’000 Franken pro Jahr), dem Saurer Museum (50’000 Franken), dem Museumsverein Muse TG (90’000 Franken), dem Schulmuseum Mühlebach (70’000 Franken) und dem Typorama in Bischofszell (20’000 Franken). Das liegt vor allem daran, dass nun auch regionale Museen vom Kanton unterstützt werden können.

Manche bekommen erstmals Geld, manche mehr

Eine neue Leistungsvereinbarung erhielten ab 2023: Theaterwerkstatt Gleis 5 (300’000 Franken pro Jahr), Haus zur Glocke (105’000 Franken), Kino Roxy (25’000 Franken), Bildschule Frauenfeld (20’000 Franken) und das Kammermusikfestival Bodensee (16’000 Franken).

Höher dotierte Leistungsvereinbarungen erhielten damals unter anderem die Kulturstiftung des Kantons Thurgau (1,5 Millionen Franken pro Jahr), das Phönix-Theater Steckborn (120’000 Franken), der Kunstraum Kreuzlingen (210’000 Franken), die Schlossfestspiele Hagenwil (80’000 Franken) und thurgaukultur.ch (230’000 Franken) Eine Übersicht zu einigen erhöhten Leistungsvereinbarungen gibt es in der Grafik.

 

 

Wer entscheidet über die Gelder aus dem Lotteriefonds?

Über die Vergabe der Mittel wird mit Hilfe eines mehrstufigen Verfahrens entschieden. Der Regierungsrat entscheidet über die Entnahme aus dem Lotteriefonds bei Beiträgen von über 20 000 Franken bis zu einmalig 3 Millionen Franken und über die Gewährung von neuen, jährlich wiederkehrenden Beiträgen bis zu 1 Million Franken. Alles was darüber hinaus geht, liegt dann in der Entscheidung des Kantonsparlaments, also dem Grossen Rat. Ab Beiträgen von mehr als 200 000 Franken ist zudem die Stellungnahme der Kulturkommission einzuholen.

Bei Gesuchen bis 40.000 Franken gilt: Das Kulturamt entscheidet gestützt auf Stellungnahmen von Fachreferentinnen und Fachreferenten über Beiträge bis zu 20.000 Franken, das Departement für Erziehung und Kultur bis 40.000 Franken. 

Grundsätzlich verwaltet das kantonale Kulturamt den Lotteriefonds. Das Amt kümmert sich um Förderbeiträge für Projekte von Veranstaltern, Vereinen und Institutionen. In den vergangenen Jahr bearbeitete das Team im Schnitt rund 600 Anträge. Fast drei Viertel davon wurden übrigens positiv bewertet. Die Erfolgschance ist also hoch.

Die Kulturstiftung hingegen, selbst durch den Lotteriefonds finanziert, vergibt Werk- und Projektbeiträge für das zeitgenössische professionelle Kulturschaffen im Kanton. Sie initiiert auch selber Projekte. Eine doppelte Förderung ist dabei ausgeschlossen.

Wer profitiert besonders vom Lotteriefonds?

Die grösste Einzelsumme (2,5 Millionen Franken pro Jahr) fliesst in die Denkmalpflege, danach folgt die Kulturstiftung des Kantons Thurgau (1,5 Millionen Franken).

Blickt man auf die einzelnen Institutionen, dann bekommen Theater Bilitz (350’000 Franken pro Jahr), Theaterwerkstatt Gleis 5 (300’000 Franken), thurgaukultur.ch (230’000 Franken), der Kunstraum Kreuzlingen (210’000 Franken) und das See-Burgtheater Kreuzlingen (200’000 Franken) die am höchsten dotierten Leistungsvereinbarungen.

 

Eine Analyse der Daten zeigt auch, welche Sparte besonders von den Zahlungen aus dem Lotteriefonds (bezogen auf die mehrjährigen Leistungsvereinbarungen): Knapp 29 Prozent der Gelder (1,2 Millionen Franken) fliessen in den Bereich „Theater, Tanz, Kleinkunst“.

Gibt es auch hier Sparten, die übersehen werden?

Dahinter folgen: Visuelle Kunst (13 Prozent, 543’000 Franken), „Musik“ (9 Prozent, 406’000 Franken) und „Kulturpflege“ (Museen und Kloster Fischingen, 9 Prozent, 405’000 Franken). Die Sparten Film (75’000 Franken) und Literatur (66’000 Franken) liegen am Ende der Rangliste.

Werden diese Disziplinen also stiefmütterlich behandelt? Das kann man so nicht beantworten. Denn: Fördern kann man ja immer nur das, wozu es ein Gesuch gibt. Aus den Daten geht nicht hervor, wie viele Anträge es zu welchen Sparten gab. Klar scheint aber, dass das kulturelle Profil des Kantons in diesem Bereich vor allem durch „Theater, Tanz, Kleinkunst“ und „Visuelle Kunst“ geprägt wird.

 

 

Der Millionencheck: Unsere neue Serie

1. Der Lotteriefonds im Millionen-Check: Eine Gesamtübersicht und Einführung
.
2. Blick in einzelne Sparten: Was kann man daraus lernen?

3. Wer profitiert von den Leistungsvereinbarungen besonders?

4. Und jetzt? Wir bündeln die Reaktionen auf unsere Datenanalyse

5. Konstruktiver Blick nach vorne: Wie könnte man die Millionen noch besser einsetzen?
 
Alle Beiträge der Serie werden wir in unserem Themendossier zum Lotteriefonds bündeln. Du findest es hier.

Der Thurgau im Vergleich mit anderen Kantonen

Die gute Nachricht ist: In den vergangenen Jahren sind die Ausgaben für Kultur im Thurgau leicht, aber doch kontinuierlich gestiegen. Und trotzdem: Im gesamtschweizerischen Vergleich hinkt der Kanton immer noch hinterher.

Nach Zahlen des Bundesamt für Statistik aus dem Jahr 2021 (aktuellere gibt es derzeit nicht) liegt der Thurgau mit knapp 28 Millionen Franken (Staatshaushalt plus Lotteriefonds) nur auf Platz 18 bei den Kulturausgaben (siehe Grafik). Zum Vergleich: Der Nachbarkanton St.Gallen gibt mit 57 Millionen Franken mehr als doppelt so viel aus für sein Kulturleben.

 

 

Allerdings sind diese Zahlen etwas verzerrend, weil die Kantone unterschiedlich strukturiert und verschieden stark bevölkert sind. Deshalb ist die Zahl der Pro-Kopf-Ausgaben, also wie viel Franken investiert der Kanton pro Einwohner, oft aufschlussreicher.

Mit 98 Franken pro Einwohner unterstützt der Thurgau seine Kultur (2021) und liegt damit in Reichweite zum Nachbarn aus St. Gallen (111 Franken). Schaffhausen berappt 74 Franken pro Kopf für sein Kulturleben. Basel-Stadt liegt in der Rangliste unangefochten vorne mit fast 984 Franken pro Einwohner. Zürich liegt bei 120 Franken pro Einwohner.

 

Wie thurgaukultur.ch vom Lotteriefonds profitiert

Ohne Lotteriefonds gäbe es auch kein Online-Kulturportal thurgaukultur.ch: 2008 als Kulturvermittlungsprojekt gegründet und seit Frühjahr 2009 online, wird thurgaukultur.ch zum grössten Teil aus Geldern des Lotteriefonds und der Kulturstiftung Thurgau finanziert. 230’000 Franken erhalten wir jährlich (ab 2023, vorher waren es 190’000 Franken) aus dem Lotteriefonds, 70’000 Franken (ab 2023, vorher 50’000 Franken) im Jahr von der Kulturstiftung des Kantons Thurgau. Die Eigenfinanzierung wird mit Insertionen, Kulturpartnerschaften und freiwilligen Beiträgen erwirtschaftet. Unser Budget für 2024 betrug so rund 332’000 Franken.

 

Dafür gab es auch einen erheblichen Gegenwert: eine ausführliche Kulturagenda mit allen wichtigen Terminen aus dem Thurgauer Kulturleben (durchschnittlich mehr als 1’000 publizierte Einträge) sowie ein kulturjournalistisches Magazin, das sich mit dem Kulturschaffen aus der Region kritisch auseinandersetzt. Insgesamt erschienen 2024 im Magazin 317 Beiträge, das sind rund 6 Beiträge pro Woche. Zudem sind wir auf den Sozialen Medien Instagram, Facebook und LinkedIn aktiv. Das Engagement zahlt sich aus: Die Zugriffzahlen auf thurgaukultur.ch sind 2024 um 36 Prozent gestiegen. Insgesamt gab es 2024 fast 450’000 Seitenansichten.

 

Die Menschen hinter thurgaukultur.ch sind im Wesentlichen unsere Geschäftsführerin Sarah Lüthy , (60%-Pensum) unsere Agenda-Redaktorin Anja Cosima (15%-Pensum), Social-Media-Redaktorin Daniela Thielecke und unser Redaktionsleiter Michael Lünstroth (50%-Pensum). Zum Team gehören aber genauso unsere Korrespondentinnen und Korrespondenten, die im Kanton unterwegs sind und aus dem Thurgauer Kulturleben berichten. Mit ihnen arbeiten wir auf Basis einer freien Mitarbeit zusammen.

 

thurgaukultur.ch wird von der gemeinnützigen Aktiengesellschaft thurgau kultur ag getragen. Ehrenamtliche Verwaltungsräte sind Daniela Lutz und Philipp Kuhn. Aktionäre sind der Kanton Thurgau und die Kulturstiftung des Kanton Thurgau.

 

Die Redaktion ist journalistisch unabhängig. Wir haben ein Redaktionsstatut dazu verfasst. Mehr zu thurgaukultur.ch hier.

 

 

 

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