von Niculin Janett, 06.10.2018
Unter David Bowies Stern
Auf dem letzten David-Bowie-Album "Blackstar" spielte Donny McCaslin das Saxophon. Beim Festival «generations» konnte man den Tenorsaxophonisten nun mit eigener famoser Band erleben.
Vor nunmehr bald zwei Jahren, im Januar 2016, ist mit David Bowie eine der einflussreichsten Figuren der globalen Musikszene verstorben. Dies aber nicht ohne einen letzten, tief schürfenden und nachhallenden musikalischen Ausruf von sich zu geben, mit dem avantgardistischen, düsteren Album „Blackstar“, welches zwei Tage vor seinem Tod erschienen ist. Texte und Musik des an Krebs leidenden Sängers beziehen sich denn auch unmissverständlich auf die Auseinandersetzung mit dem nahenden Tod. Ein ergreifendes Manifest, und bestimmt keine leichte Kost.
Wie so oft in seiner weitreichenden Musikkarriere greift Bowie auch für dieses Album zu eher unkonventionellen Mitteln. Denn die Band, welche die Songs des Briten einspielt, ist diejenige des US-Tenorsaxophonisten und Jazzmusikers Donny McCaslin. Die dichte, mächtig elektronische Wand aus Synth-Klängen aus McCaslins verzerrtem Saxophon und Keyborder Jason Lindners Tasteninstrumenten scheint den perfekten Soundteppich für die dunklen Ideen Bowies zu bieten.
„Blackstar“ löst einen grossen Hype um McCaslin aus
Bowies Tod schlägt hohe Wellen in der Musiklandschaft, und das Album wird in den höchsten Tönen gelobt. Eine Tatsache, welche auch an der Bekanntheit von Donny McCaslin nicht spurlos vorbei geht. Schon vor dem Erfolg mit Bowies letztem Werk ist der Saxophonist ein wichtiger Name in der Jazzszene. Seit den Neunzigern arbeitet er zusammen mit den verschiedensten namhaften Exponenten des Jazz, hat mittlerweile drei Grammys gewonnen, unter anderem für seine Saxophonsoli auf Maria Schneiders Alben „Concert in the Garden“ und „The Thompson Fields“. Maria Schneider ist übrigens auch das verbindende Element zwischen Bowie und McCaslin, welche bei den Aufnahmen von Bowie’s Single „Sue“ zusammen mit dem Maria Schneider Orchestra ein erstes mal kollaborieren.
„Blackstar“ löst einen grossen Hype um McCaslin und seine Band aus. Prompt erscheint dann auch 2016 mit „Beyond Now“ ein Album, welches unter anderem Songs von Bowie neu interpretiert und sich so vor der Popikone verneigt.
Eine geballte Ladung aus Saxophon, Synths, Bass und Drums
Kommen wir ins Jetzt. Generations Frauenfeld 2018. Das Festival ist in vollem Gange. Und mit von der Partie auch eine gewisse Band eines Saxophonisten namens McCaslin. Der 52-jährige ist Dozent an der Masterclass des Generations Workshops, und er hat dafür gleich seine ganze Band mitgebracht: Keyboarder Jason Lindner, Bassist Jonathan Maron und Schlagzeuger Nate Wood. Die vier Ausnahmekönner sind aber nicht nur in ihrer Funktion als Lehrer in Frauenfeld tätig, sondern treten von Mittwoch- bis Samstagabend zusammen im Jazzclub Dreiegg auf - mit im Gepäck das neue, noch nicht erschiene Album „Blow“.
Eine gute halbe Stunde zu spät betreten die vier Musiker die Bühne im Dreiegg - dank einer doch eher erstaunlichen Wartezeit im Restaurant von beinahe zwei Stunden. Die Band lässt sich von dieser Unannehmlichkeit aber nichts anmerken, und vom ersten Ton an bläst einem eine gepfefferte Ladung an synthifiziertem Saxophon und Keyboard um die Ohren, kombiniert mit heftigem Bassgewummer und harten Drumbeats.
Video: Donny McCaslin beim generations 2018 (Teil 1)
Auch in diesem Konzert wird Bowies Musik wiederbelebt, stammt doch „Lazarus“, der zweite Song im Set, aus Bowies Feder.
Mit grosser Kraft arbeiten sich die vier Elektronik-Spezialisten durch ein energetisch hoch geladenes Repertoire, ohne dabei aber auch nur eine Sekunde die Freiheiten der Jazz-Improvisation zu vergessen. Wie ein Besessener bläst sich McCaslin durch den dichten Wald aus Lindners Synthesizern, oft selbst mit durch Effekte verzerrtem oder gar mehrstimmigem Saxophonklang. Es scheint, dass seine zum Teil enorm komplexen melodischen Muster perfekt dafür geeignet sind, um mit dem gerne und bewusst statischen, aber extrem treibenden Groove von Drummer Wood und Bassist Maron zu kontrastieren.
Wenn sich dann Jason Lindner selbst aus seinem Synth-Wald herausbewegt zum Solo, nimmt der Bandsound eine faszinierende, beinahe freigeistige Form an, welche bewusst und geschickt mit der Spannung spielt, die zwischen süffigen Pop-Harmonien und kaputten Zerrklängen entsteht.
Video: Donny McCaslin und Band beim generations 2018 (Teil 2)
Dass die vier Herren trotz Schwerstarbeit grossen Spass haben, ist aber offensichtlich. Nicht nur einmal zwirbelt Drummer Wood augenzwinkernd und in bester (sehr ironischer) Rock’n Roll-Manier seine Drumsticks in den Händen. Man sieht oftmals das breite Grinsen in McCaslins markanter Visage, nur um dann wieder einem konzentrierten, beinahe schon stoischen Blick zu weichen, wenn die Multiphonics auf dem Saxophon erklingen.
Video: Donny McCaslin beim generations 2018 in Frauenfeld (Teil 3)
Nach zwei Sets wuchtigem Strom-Jazz ist der beeindruckende Spuk vorüber. Man bleibt etwas erschöpft, aber zufrieden zurück. Subtil war es nicht, das Konzert. Aber das soll es auch nicht sein. Es war schwer, heftig, unglaublich groovy und ziemlich „in your face“. Man wagt zu vermuten, dass auch ein Herr Bowie, ein Mann bekannt für seine lakonische Ironie, an einer solchen Darbietung Gefallen gefunden hätte.
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