von Niculin Janett, 05.10.2018
Lernen von den Besten
Beim Jazzfestival «generations» gibt es nicht nur Konzerte, sondern auch so genannte Masterclasses, in denen junge Profi-Musiker von Jazzgrössen lernen können. Wir haben mal reingehört, wie das abläuft
Kommunikation geschieht auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Formen. Verbal, nonverbal. Passiv, aktiv. Direkt, indirekt. Mensch kommuniziert, sobald er ist. Kommuniziert wird im Moment auch in der Kantonsschule Frauenfeld, und dies in den unterschiedlichsten Farben und Gestalten. Das vor 20 Jahren gegründete Festival Generations bietet neben hochkarätigen Konzerten in verschiedenen Klubs der Thurgauer Hauptstadt auch Masterclasses für junge Profimusiker an. Studenten von den verschiedensten Jazzhochschulen Europas (und teils auch den USA) bekommen für eine Woche die Facetten des Jazz kommuniziert. Schlussendlich wird dann gegen Ende der Woche die Generations Unit 2018 zusammengestellt, eine Kombo aus den herausragendsten Teilnehmern der Masterclass.
Unterrichtet werden die Studenten von einigen der angesagtesten Musiker der New Yorker Jazzszene: Donny McCaslin (Sax), Jason Lindner (Keys), Nate Wood (Drums) und Jonathan Maron (Bass), dies, wie immer am Generations, unter der Führung des australischen Posaunisten Adrian Mears. Und diese Masterclasses mit dem Fokus auf deren Art der Kommunikation zu beobachten, ist ein höchst spannendes Unterfahren.
Es ist nicht gerade einfach, einen Musikstil zu unterrichten, in dem theoretisch jeden Moment alles passieren kann, denn Jazz ist ja zu einem grossen Teil improvisierte Musik. Die Finessen dieser Musikform zu vermitteln kann kommunikativ zu einer grossen Herausforderung werden, da die Linien zwischen gut, schlecht, richtig oder falsch sehr unscharf und flexibel sind…
Nate Wood. Der Zurückhaltende
Der Schlagzeuger Nate Wood, bekannt geworden unter anderem durch die Band Kneebody, ist ein zurückhaltender Kommunikator. Die Masterclass-Band probt während meines Besuchs eine Komposition des Bassisten der Kombo. Es wird zuerst brav nach Jazz-Regelbuch Solo um Solo gespielt, die Melodie zweimal rezitiert, am Ende wird Platz gelassen für die Soli von Bass und Schlagzeug.
Die Musik verstummt - wie auch Nate Wood. Dann jedoch: „Okay. Now remove the jazz“ - „jetzt entfernt den Jazz“. Nach ein paar unsicheren Blicken erklärt Wood. Er möchte versuchen, die regelkonforme Art dieses balladeske Stück zu spielen, zu durchbrechen. Mehr Groove, mehr Gewicht auf die Melodie und die Harmonien des Stückes, weniger Fokus auf individuelle Soli. „Vielleicht nur ein Pianosolo, das könnte hübsch sein“.
Die Band, zusammengesetzt aus einer konventionellen Rhythmsection mit Piano, Gitarre, Bass und Schlagzeug sowie Bläsern (zwei Saxophonisten und ein Posaunist) spielt, und Nate Wood spielt bald schon am Schlagzeug mit. Über den Drumgroove versucht er, seine Idee der Interpretation des Songs zu kommunizieren. Die Schlagzeugerin der Workshopband greift die Ideen auf und versucht, sie weiterzuspinnen. Allgemein ist spannend zu sehen, wie die „Schüler“ innerhalb der Band verschieden fungieren. Einige sind sehr selbstbewusst und reissen durchaus auch mal das Zepter an sich und übernehmen die Führung, andere halten sich lieber im Hintergrund auf, vielleicht im Versuch, nicht negativ aufzufallen. So entsteht eine ruhige, aufgeräumtere, aber auch etwas verhaltene Version des Stückes. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich die jungen Musiker in ihrem Rapport miteinander weiterentwickeln werden.
Donny McCaslin. Der Direkte
Aktiver geht es in der Masterclass von Donny McCaslin zu und her. Der Saxophonist steht inmitten seiner Workshop-Gruppe und gibt, während des voranschreitenden Stückes, Anweisungen, unterbricht auch mal die Musik mittendrin. „You’re too passive“, sagt er zum Schlagzeuger. McCaslin will mehr rhythmische Energie, welche das von ihm selbst komponierte Stück unterstützen soll. Die Harmoniefolgen der Komposition sind höchst komplex, einer der beiden Trompeter der Band hat seine liebe Mühe. McCaslin ist verständnisvoll. „Ich habe viele Übestunden in dieses Stück investiert, bis ich es gemeistert habe“, meint er. „But practise will get you there“ - Übung macht den Meister. Er erzählt die Geschichte von Bill Gates, welcher im verlauf seiner Recherchen und Studien als junger Mann verschiedene „Meister“ ihres jeweiligen Faches auf ihre gemeinsamen Nenner untersucht haben soll. Gates habe herausgefunden, dass, egal wie unterschiedlich die Arbeitsweise und der Mensch, in der Regel jeder mindestens 10’000 Stunden Arbeit in die Perfektionierung seiner Kunst investiert habe. McCaslin selbst scheint sich diese Aussage sehr zu Herzen genommen zu haben. Dies ist augenscheinlich, wenn man sein Saxophonspiel studiert und erkennt, wie unfassbar versiert und virtuos der Tenorist sich auf seinem Instrument zu bewegen weiss. Er ist noch bis bis Samstagabend mit seiner Band jeweils um 21 und 22 Uhr im Dreiegg zu hören.
Maria Schneider: Die Klare
Neu gibt es am diesjährigen Generations das Composer Project. Dozentin ist da keine geringere als Maria Schneider, die Grande Dame des modernen Jazz-Schreibens. Sie unterrichtet fünf ausgewählte junge KomponistInnen und erarbeitet mit ihnen ein Programm, welches am Freitag im Casino Frauenfeld von der aus den Masterclass-TeilnehmerInnen zusammengestellte Generations Big Band aufgeführt wird, dirigiert von Maria Schneider selbst.
In ihrer Composer’s Class ist schnell ersichtlich, wie viel Gewicht Schneider der Klarheit zuordnet. Sei es nun im Bezug zu Musik, oder ihrer Kommunikation. Schneider scheut nicht davor zurück, direkte Kritik an den Kompositionen der Masterclass-TeilnehmerInnen zu üben. Diese Kritik ist extrem pointiert und klar, lässt keine Fragen offen. Eine Eigenschaft, die übrigens auch in ihrer eigenen Musik immer anzutreffen ist. Während sie die Raffiniertheit und Schönheit einer Big Band-Komposition von Cinzia Catania, einer der Teilnehmerinnen, lobt, vermisst sie gleichzeitig die Flexibilität und Freiheit, welche zu hören ist in einem anderen von Catanias Hörbeispielen, dieses gespielt von einem Quartett der Sängerin. Schneider beharrt darauf, dass ihre Schützlinge ihre musikalischen Gedanken konsequent zu Ende denken. „Think things through. You can write complex stuff. If it’s consistent, it’s not complex anymore“.
Und so werden sich die Früchte dieser verschiedensten Kommunikationsweisen am Freitag, 19 Uhr, im Casino, am Konzert der Composer und der Generations Unit 2018, offenbaren.
Weitere Beiträge von Niculin Janett
- Ravel auf Jazz (13.05.2019)
- Bühne frei für junge Talente (22.10.2018)
- Maria und die Vögel (08.10.2018)
- Unter David Bowies Stern (06.10.2018)
- Minua in Romanshorn: So müsste Weisheit klingen (14.02.2018)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Musik
Kommt vor in diesen Interessen
- Reportage
- Jazz
Ist Teil dieser Dossiers
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