von Niculin Janett, 22.10.2018
Bühne frei für junge Talente
Das Thurgauer Jugend-Symphonieorchester (TGJSO) kehrt nach einer intensiven Lagerwoche im Bündner Churwalden in den Thurgau zurück und präsentiert im Kulturzentrum Dreispitz in Kreuzlingen ein ansprechend anspruchsvolles Programm an Werken für Streich- Blas- und Symphonieorchester.
Verschiedene Musikstile sind nicht nur unterschiedlich in Klang und Ästhetik. Sie unterscheiden sich nicht zuletzt auch in der Form des Anspruchs und der Herausforderung. Während vielleicht in der Rockmusik nicht zwingend ein virtuoser Umgang mit allen möglichen und unmöglichen Tonarten verlangt wird, liegt die Schwierigkeit da eher in der extrovertierten Präsenz des Musikers auf der Bühne, und nicht zuletzt im Songwriting. Ein Hit kommt ja nicht ohne die perfekte Hookline zustande, die nachher wie Leim im Ohr kleben bleibt. Der Jazz wiederum fordert den Musiker in anderen Bereichen heraus. Harmonische Kenntnisse und rhythmische Souveränität sind da zum Beispiel sehr gefragt. Natürlich ist jede dieser Tugenden immer in allen Musikstilen von Nöten, sie kommen mal hier, mal dort, mal mehr, mal weniger zum Zuge. Nicht anders verhält es sich in der symphonischen Musik. So gut zu hören am Konzert des Thurgauer Jugend-Symphonieorchesters (TGJSO) im Kreuzlinger Kulturzentrum Dreispitz.
Nach einer intensiven Lagerwoche in Churwalden spielen die 65 Jungmusikerinnen und Jungmusiker ihr zweites und abschliessendes Konzert. Und dies mit einem durchaus sehr anspruchsvollen Programm.
Leichte, tänzerische und anspruchsvolle Klänge
Eröffnet wird der Abend, unter der Leitung von Raphael Maximilian Honegger, vom Streichorchester und Dag Wirèns „Serenade For Strings“. Ein Werk, welches sich deckt mit Wirèns eigener Aussage „Meine Musik soll unterhaltend und gefällig sein, eine zuhörerfreundliche moderne Musik“.
Allegro, Andante, Scherzo und Marcia kommen als eine Mischung aus leichten, tänzerischen, jedoch gerne auch dichten und anspruchsvollen Klängen daher. Worin dann auch die Herausforderung liegt an das junge Orchester. Die sich abwechselnden frohlockenden, dann kurz grüblerischen Passagen sind in ihrer Bewegtheit nicht immer ganz einfach zu kontrollieren und intonieren. Wettgemacht wird dies aber spielend durch die beeindruckende Dynamik des Orchesters. Es entsteht ein wunderbar transparenter Klang, subtil und liebevoll.
Wie vom in Doppelfunktion als Moderator und Trompeter fungierenden Dionys Tschopp vorher angekündigt, geht es bei den beiden Blasorchester-Werken etwas pompöser zu und her. Das Orchester nimmt sich Tschopps Aussage „jetzt gaht denn d Poscht ab“ zu Herzen und knattert munter drauf los mit Giuseppe Verdis Ouvertüre zur Oper „Nabucco“. Die akustische Kraft von rund 30 Bläsern unter dem Dirigat von Benjamin Zwick sollte niemals unterschätzt werden. Solch ein potenzieller akustischer Vorschlaghammer wird aber doch nur sehr gezielt und sporadisch eingesetzt, denn auch diese Formation erfreut durch detaillierte Dynamik kombiniert mit grosser Spielfreude.
Es entsteht ein wohliger Kontrast
Herausgefordert werden die Musiker in diesem Konzertabschnitt vor allem auch im rhythmischen Bereich. Stephen Melillos „Stormworks“, das zweite Werk im Programm des Blasorchesters, präsentiert sich in verschiedenen, teils krummen Taktarten und anspruchsvollen „Grooves“. Es entsteht ein wohliger Kontrast zur sanfteren, aber nicht weniger präsenten Attitüde des Streichorchesters.
Kombiniert werden die Tugenden der beiden Formationen schlussendlich mit dem Werk für Symphonieorchester „Symphonic Dances“ von Edvard Grieg. Das ursprünglich für vierhändiges Klavier im späten 19. Jahrhundert komponierte Werk wurde dann bald für symphonisches Orchester bearbeitet und führt wohl die meisten der oben genannten an die Orchestermitglieder gestellten Herausforderungen zusammen.
Orchester und Solisten überraschen mit Nervenstärke und Musikalität
Mitunter inspiriert von nordischen Volkstänzen kommt das Werk sehr lebendig und bewegt daher und präsentiert sehr gekonnt wiederzuerkennende (Leit-) Motive in sich wandelnder Form und (oft solistischer) Instrumentierung. Was den Rezensenten dazu bringt, den einzelnen Solisten des Orchesters ein Kränzchen zu winden. Es ist nun wirklich nicht ganz ohne, eine Passage, welche nach gefühlt 335 Takten Orchester-Tutti im Mezzopiano alleine vorzutragen ist, mit der selben Coolness anzugehen wie eben erwähnte Tutti.
Die Altsaxophonistin Nina Stieger und der bereits genannte Dionys Tschopp scheinen aber mit dieser Situation keine Probleme zu haben, und spielen ihre Solostellen mit ruhigem, vollen und kontrolliertem Klang. Dies gilt übrigens auch für weitere Soloeinlagen von Horn, Klarinette, Flöte und Cello. Es ist augenscheinlich, dass die beiden Gesamtleiter Honegger und Zwick, unterstützt von Barbara Gisler und Dominique Polich (Streicher) sowie Markus Hobi (Blech), in der Lagerwoche viel Zeit und Arbeit in solche Details der Musik investiert haben. Denn immer wieder überraschen das Orchester in seiner Einheit und die Einzelmusiker in ihrer Nervenstärke und Musikalität.
Mit der humorvollen Zugabe „Conga del Fuego Nuevo“ des mexikanischen Komponisten Arturo Marquez beschliesst sich das Programm mit viel Perkussion und volksmusikalischer Melodie. Ein würdevoller Abschluss eines Abends gefüllt mit dem Klang eines erstaunlich souveränen Orchesters, dessen jugendliche Spielfreude sich im Nu auf das begeisterte Publikum zu übertragen vermag und welches, trotz musikalisch teils nicht zu unterschätzenden Anforderungen, den Zuhörer mit der Erinnerung an eine homogene, warme Musik in die kühle Oktobernacht entlässt.
Reinhören: Klangeindrücke vom Thurgauer Jugend-Symphonie-Orchester gibt es auf dem YouTube-Kanal des Ensembles
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