von Judith Schuck, 26.08.2024
Sparen auf Kosten der Kultur
Die Budgetkürzungen in Frauenfeld führen zu grosser Unsicherheit bei vielen Kulturbetrieben. Was auf die Veranstaltenden im kommenden Jahr zukommt, können sie kaum abschätzen. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
„Wir werden ausführlich darüber diskutieren müssen, ob wir unsere geplanten Aufführungen durchziehen können oder unser Angebot reduzieren müssen“, sagt Florence Leonetti, zuständig für Marketing und Kommunikation bei der Theaterwerkstatt Gleis 5. „Das würden unsere Zuschauerinnen und Zuschauer sicher ebenso bedauern wie wir.“ Hintergrund dieser Aussage vom 7. August ist die aktuelle Finanzlage in Frauenfeld.
Das Stadtparlament hatte das Budget 2024 zunächst abgelehnt wegen der zu hoch kalkulierten Ausgaben und einer geplanten Steuerfusserhöhung. Resultat des abgelehnten Budgets war, dass die Kantonshauptstadt ein halbes Jahr lang mit einem Notbudget regieren musste. Das bedeutet, nur Gelder ausgeben zu dürfen, welche gebunden, also vertraglich versprochen sind. Dazu gehören unter anderem Mitarbeitendenlöhne oder Stromrechnungen.
Steuern runter, Sparzwang in der Kultur rauf
Bei der überarbeiteten Version des Budget 2024 gelang es der Stadt, 1,5 Millionen Franken an Ausgaben einzusparen bei einem bleibenden Defizit von 3 Millionen Franken. Die Parteien standen geschlossen hinter dieser zweiten Budget-Vorlage, doch dem ehemaligen SVP-Gemeinderat Kurt Sieber stiess die Steuererhöhung sauer auf.
Die Bevölkerung habe mit der Teuerung bereits genug Geldprobleme, sagte er im Mai gegenüber dem SRF. Sieber wollte das Volk abstimmen lassen und ergriff das Referendum. Mit seiner Gruppe „Besorgte Bürgerinnen und Bürger von Frauenfeld“ sammelte Kurt Sieber über 1000 Stimmen, womit das Budget Nr. 2 am 9. Juni vor die Urne kam.
650‘000 Franken standen zur Disposition
Zur Erleichterung vieler nahmen die Stimmberechtigten das überarbeitete Budget an. Bei einer Ablehnung des Budgets hätten unter anderem die Geldern aus den Leistungsvereinbarungen mit 19 Frauenfelder Kulturinstitutionen nicht ausbezahlt werden können, erklärt Stadtpräsident Anders Stokholm. 650 000 Franken wären zur Disposition gestanden. Und zur Steuerfussanpassung hätten die Stimmberechtigten mit ihrer Annahme des Neubaus zum Hallenbad bereits Ja gesagt.
„In der Abstimmungsbotschaft schrieben wir schwarz auf weiss, dass dies zu einer Steuerfusserhöhung von zwei bis drei Prozenten führen kann. Jetzt sind wir so weit. Wer A sagt, muss auch B sagen“, sagt Stadtpräsident Stokholm gegenüber dem SRF. Der Stadtpräsident wirkte in den vergangenen Monaten resigniert. Am 18. August gibt er schliesslich bekannt, nach 10 Jahren Amtszeit im kommenden Mai vom Präsidium zurückzutreten.
Es wird für Kulturschaffende weniger geben
B sagten die Stimmberechtigten am 9. Juni allerdings auch nicht. Sie wollten die drei Prozent mehr Steuern von 62 auf 65 Prozent nun doch nicht mehr zahlen. Damit fällt das Defizit der Stadtkasse für 2025 um 2,1 Millionen Franken höher aus. Im überarbeiteten Budget gibt es ohnehin schon 5 Prozent Streichungen im Kulturbereich. Wie es im 2025 weitergeht, ist für viele Frauenfelder Kulturinstitutionen noch unklar.
Christof Stillhard, Kulturbeauftragter der Stadt Frauenfeld, meldet Anfang August zurück, dass der Stadtrat nach eingängigen Diskussionen beschlossen habe, dass im Bereich Kultur künftig bei der Promotion, also der Werbung für die hiesigen Kulturveranstaltenden, sowie bei den Beiträgen an die Kulturveranstaltenden eingespart werden müsse.
Sparmassnahmen werden zu spüren sein
Wie schon Florence Leonetti durchleuchten lässt, wird das Sparprogramm auf Kosten des Programms gehen: „Der Beitrag der Stadt Frauenfeld an die Theaterwerkstatt fliesst direkt in unsere Neuproduktionen und ist ein wichtiger Bestandteil für ihre Finanzierung. Unsere Budgetsitzung für 2025 steht Ende September auf dem Plan, also lange bevor der Entscheid über die Einsparungen gefällt wird.“
Im Mai sagte Anders Stokholm im SRF-Interview auf Nachfrage, ob bei der Kultur Gelder einzusparen seien: Natürlich könnten wir da sparen. Die Frage sei, ob wir da als Gesellschaft gewännen. Stokholm ist selbst ein kulturinteressierter Mensch, seit 2022 auch Präsident der Kulturstiftung Thurgau.
Was die Kürzungen für Kunstverein und Eisenwerk bedeuten
Rita Wenger, Präsidentin des Kunsvereins Frauenfeld, weiss schon heute: „Uns würden Sparmassnahmen sehr treffen, da wir darauf angewiesen sind, dass uns die Stadt im Rahmen einer Leistungsvereinbarung, die besteht, wiederkehrende Beträge zukommen lässt.“ Die Mietkosten für die Ausstellungsräumlichkeiten seien relativ hoch. Mit den Beiträgen der Stadt könnten diese lediglich knapp gedeckt werden. „Wir wissen nicht, wie wir den Ausstellungsbetrieb, auf den die Künstlerlinnen und Künstler so sehr angewiesen sind, aufrecht erhalten könnten, wenn die Beiträge gekürzt würden.“
Claudia Rüegsegger ist Leiterin der Geschäftsstelle Kultur im Eisenwerk. Inwiefern das Kulturprogramm im Eisenwerk von Kürzungen der Leistungsvereinbarung betroffen ist, kann sie momentan noch nicht sagen, denn Gespräche mit der Stadt und intern zur Budgetierung stehen noch an.
Christof Stillhard wird demnächst Termine mit Kulturveranstaltenden machen, um mit ihnen die neuen Leistungsvereinbarung ab 1. Januar 2025 zu besprechen. „Das kann sich über Wochen und Monate hinziehen“, sagt der Kulturbeauftragte. Was Rüegsegger zum Zeitpunkt nur sagen kann: Planungssicherheit sei aktuell jedenfalls nicht gegeben.
Von Judith Schuck
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