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Der vierte Neuanfang im siebten Jahr

Der vierte Neuanfang im siebten Jahr
Engagieren sich für das Kult-X: Michael Kubli (Vorstand), Eve Hübscher (Geschäftsleitung ab 2025), Noemi Signer (Geschäftsleitung von 2022 bis 2024) und Jonathan King (Technikleiter). | © Michael Lünstroth

Beim Kreuzlinger Kulturzentrum Kult-X bleibt der Wandel die Konstante: Geschäftsführerin Noemi Signer wechselt ans Theaterhaus Thurgau, Eve Hübscher übernimmt die Leitung ab Januar. (Lesedauer: ca. 6 Minuten)

Die Zukunft des Kulturzentrums Kult-X ist seit der Volksabstimmung Ende September gesichert, richtig Ruhe kehrte seither trotzdem nicht ein auf dem Kreuzlinger Schiesserareal. Zum neuen Jahr gibt es einen weiteren Wechsel in der Geschäftsführung des Trägervereins des Kulturzentrums. Noemi Signer, seit Juni 2022 im Amt, verlässt das Haus in Richtung Weinfelden. Sie übernimmt dort die Leitung des Theaterhaus Thurgau. 

Eve Hübscher, die bislang das oxyd, einen nicht-gewinnorientierten Ausstellungs- und Experimentierraum in Winterthur leitete, wird neue Geschäftsführerin beim Kult-X. Sie ist Grafikerin, Kuratorin und arbeitet interdisziplinär im kreativen Bereich. Nach Simon Hungerbühler (2018-2019), Christine Forster (2019 bis 2022) und Noemi Signer (2022 bis 2024) ist sie die vierte Person an der Spitze des Kulturzentrums. Innerhalb von sieben Jahren.

 

„Es braucht jetzt eine Person, die mit den Vereinen zusammen an der Zukunftsvision des Hauses arbeitet.“

Noemi Signer, scheidende Geschäftsführerin des Kult-X (Bild: Stefan Böker)

„Ich bin in einer Umbruchszeit gekommen, wir haben hier in den vergangenen zweieinhalb Jahren viel neu strukturiert und aufgebaut. Dieses Organisationsarbeit lag mir sehr, aber jetzt wird es Zeit, das jemand anders übernimmt“, sagt Noemi Signer im Gespräch mit thurgaukultur.ch Die Aufgabe im Kult-X sei spannend und lehrreich gewesen, „es braucht jetzt eine Person, die mit den Vereinen zusammen an der Zukunftsvision des Hauses arbeitet“, findet Signer. 

Sie selbst hält sich offenbar nicht geeignet dafür, denn sie wechselt ans Theaterhaus Thurgau. Was sie an der neuen Aufgabe gereizt habe? „Es gibt dort ein vergleichsweise grosses Team, die Strukturen sind eingespielt und trotzdem gibt es Raum für Neuentwicklungen“, erklärt Noemi Signer.

 

Was bei der Volksabstimmung im September 2024 entschieden wurde

62,5 Prozent der bei der Volksabstimmung über die Zukunft des Kreuzlinger Kulturzentrums abgebenen Stimmen sagten am 22. September 2024 „Ja“. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 44 Prozent. Die Abstimmung beinhaltete nicht nur den 7-Millionen-Kredit für die Sanierung, sondern auch einen jährlichen Betriebsbeitrag an den Trägerverein Kult-X in Höhe von 276’000 Franken pro Jahr. Allerdings nicht auf ewig, sondern begrenzt auf zehn Jahre nach erfolgtem Umbau. Das bedeutet, dass der Betrieb in etwa auf dem aktuellen Niveau zunächst mal bis ins Jahr 2037 gesichert sein sollte. 

Wer jetzt denkt, 276’000 Franken seien aber viel Geld für den Betrieb eines Kulturzentrums, dem sei gesagt, dass mehr als die Hälfte dieser Summer (143’000 Franken) für die Miete der Räume wieder an die Stadt zurückgehen. Für den jährlichen Betrieb bleiben rund 133’000 Franken. 

Allerdings: Auf zusätzliche Mittel für das Programm kann das Kulturzentrum vom Kanton Thurgau hoffen. Bereits in diesem Jahr hatte der Kanton dem Kult-X 95’000 Franken für das Kulturprogramm aus dem Lotteriefonds zugesprochen. Gut möglich, dass dies auch in kommenden Jahren ähnliche Gelder wieder fliessen werden.

Die Arbeiten am Kulturzentrum sind mit der Volksabstimmung nicht erledigt. Im ersten Betriebsjahr nach Sanierung sollen die neuen Möglichkeiten laufend optimiert werden. In der Botschaft zur Volksabstimmung hatte der Stadtrat auch klar gemacht: „Bis das Zentrum seine Wirkung vollumfänglich entfalten kann, ist ein grosses Engagement seitens des Vereins Kult-X notwendig.“ 

In einem Kommentar nach der Abstimmung, hatte thurgaukultur-Redaktionsleiter Michael Lünstroth das Ergebnis eingeordnet. Er schrieb unter anderem: «Es gibt endlich eine sichere Zukunft für ein Kulturzentrum in Kreuzlingen. Warum das ein Erfolg für die ganze Region ist und trotzdem viele Fragen bleiben.» Mehr zu den jahrelangen Entwicklungen gibt es auch in unserem Themendossier.

 

Dass sie das Kult-X verlassen würde, wusste sie schon vor einigen Monaten. „Ich hatte das Gefühl, dass meine Arbeit hier erledigt ist“, so Signer. Etwas pikant war allerdings, dass sie ihre Kündigung nur wenige Tage nach der erfolgreichen Volksabstimmung am 22. September eingereicht hatte. Der Entschluss dazu sei aber schon vorher gereift. „Mir war nur klar, dass ich nicht vor der Abstimmung kündigen werde, weil mir wichtig war, die Aufgabe zu einem guten Ende zu bringen. Und das ist mit dem Ergebnis der Abstimmung gelungen“, erklärt die scheidende Geschäftsführerin. 

Vertrauensarbeit sei wichtig gewesen, sagt der Vorstand

Dass sich die Freude darüber beim Vereinsvorstand in Grenzen hielt, kann man sich vorstellen. „Richtig überrascht hat es uns nicht, wir waren vorher schon in guten und offenen Gesprächen mit Noemi. Insofern konnten wir ahnen, was kommen könnte“, sagt Michael Kubli, Vorsitzender des Kult-X-Vereins. „Unsere Sorge war eher: Finden wir eine gute Nachfolgeregelung für die Geschäftsleitung bis zum Jahresende?“, gibt Kubli Einblick in die Überlegungen des Vorstands. 

Die Leistungen von der scheidenden Geschäftsführerin würdigt er trotz der ungewöhnlichen Umstände des Abschieds explizit: „Noemis Arbeit hat massgeblich dazu beigetragen, dass Ruhe einkehrte und neues Vertrauen aufgebaut wurde. Zwischen den am Kult-X beteiligten Vereinen und dem Trägerverein einerseits, aber auch zwischen dem Kulturzentrum und der Kreuzlinger Lokalpolitik andererseits. Wir sind sehr dankbar für das, was sie hier geleistet hat.“ 

Im Bewerbungsverfahren habe sich auch gezeigt, dass die Sorgen um die Neubesetzung unbegründet waren: „Wir hatten mehr als 40 Bewerbungen, viele davon waren richtig gut. Das zeigt uns, dass das Konzept des Kult-X offenbar überzeugt und attraktiv ist für Arbeitnehmer“, sagt Vorstand Michael Kubli. Der Grundgedanke des Kulturzentrums sei nach wie vor richtig: „Das Kult-X gibt den beteiligten Vereinen eine Bühne. Wir verfolgen einen genossenschaftlichen Ansatz, der kulturelle Teilhabe ermöglicht.“

 

„Uns ist es wichtig, die Vereine gezielt zu unterstützen, sinnstiftende Synergien zu schaffen und kulturelle Produktionen auch über die Stadtgrenzen hinaus sichtbar zu machen.“

Eve Hübscher, neue Geschäftsführerin des Kult-X

Genau diese Idee sei es auch gewesen, die sie besonders an der Aufgabe gereizt habe, sagt die neue Geschäftsführerin Eve Hübscher im Gespräch mit thurgaukultur.ch: „Das Kult-X ist ein Ort für die vielfältige Stadtgesellschaft und eine wichtige Plattform für lokale Vereine. Gleichzeitig setzen wir uns damit auseinander, was Diversität bedeutet, und bemühen uns, verschiedene Realitäten abzubilden. Uns ist es wichtig, die Vereine gezielt zu unterstützen, sinnstiftende Synergien zu schaffen und kulturelle Produktionen auch über die Stadtgrenzen hinaus sichtbar zu machen.“

Wie genau das aussehen soll, das werde sie in den nächsten Monaten gemeinsam mit den mehr als 20 am Kult-X beteiligten Vereinen erarbeiten. 

An ihrer früheren Wirkungsstätte, dem Winterthurer oxyd, hatte die ausgebildete Grafikerin einen breiten Kulturbegriff geprägt: Es ging darum orts- und generationenübergreifende Dialoge herzustellen. Und: Neben den Ausstellungen wurden dort auch Fragen zur Bedeutung von Kunst und Kultur in und für unsere Gesellschaft verhandelt.

Auf dem Weg dahin möchte ich sie alle Menschen einbinden, die Lust haben mitzuwirken. „Ich mag keine Ellenbogenpolitik, ich mag lieber alle Menschen an einen Tisch holen und dann gemeinsam an Lösungen arbeiten“, sagt Hübscher. Kooperationen mit anderen Kulturveranstalter:innen sind dabei eine Option. Ihre Vision für das Kult-X? „Ich mag lebendige Orte, deshalb wünsche ich mir das auch für das Kult-X“, so die neue Geschäftsleiterin. Sie übernimmt ab 1. Januar ein Pensum von 70 Prozent. Weitere 50 Prozent hält Jonathan King, der Technikleiter des Kulturzentrums. Der restliche notwendige Effort muss ehrenamtlich aus den Vereinen gestemmt werden.

„Ich mag keine Ellenbogenpolitik, ich mag lieber alle Menschen an einen Tisch holen und dann gemeinsam an Lösungen arbeiten.“

Eve Hübscher, neue Geschäftsführerin des Kult-X

 

An Aufgaben wird es dem neuen Team nicht mangeln. 2025 wird noch einigermassen routiniert laufen, ab 2026 beginnt der rund sieben Millionen Franken teure Umbau des Hauses. Nach derzeitigen Plänen sollen die Arbeiten im zweiten Quartal 2026 beginnen und bis August 2027 abgeschlossen sein. 

Für den bestehenden Kulturbetrieb beutetet das in der Zwischenzeit: Bis zum Baustart soll er wie bisher aufrechterhalten werden. Und danach werden kreative Lösungen gefordert sein. „Wir wollen mit den Kult-X an verschiedenen Orten gastieren. Quasi wie ein Pop-up-Kult-X. Für uns ist das auch eine Möglichkeit, das Kulturzentrum noch bekannter zu machen in der Stadt“, sagt Vorstand Michael Kubli.

 

So könnte das Kult-X bald aussehen: Visualisierung von aussen.

 

So könnte das Kult-X bald aussehen: Visualisierungen des Grossen Saals. Skizze: Archiv

Wie das Kult-X nach der Sanierung aussehen soll

Nach der Sanierung soll das Kulturzentrum fünf verschiedene Räume bieten: Einen Theatersaal im Erdgeschoss mit 144 Sitzplätzen, einen Musik-Club-Raum (125 Quadratmeter), einen Mehrzwecksaal (200 Quadratmeter) für Kleinkunst, Konzerte, Tanzveranstaltungen und Lesungen. Im Obergeschoss kommen zudem Büros und Besprechungsräume hinzu die auch als Coworking-Space genutzt werden können. Und: Ein rund 90 Quadratmeter grosser Bewegungsraum (mit einem angrenzenden Umkleideraum) für verschiedene Kurse. 

Ein neues Theatercafé im Erdgeschoss soll zentraler Begegnungsort des Hauses werden, der eine Etage tiefer liegende Garten kann zusätzlich genutzt werden. Das grosse Ziel ist am Ende die Entstehung eines Mehrspartenhauses mit vielfältigem Raumangebot. Mindestens 150 Veranstaltungen sollen pro Jahr im Kult-X stattfinden. 

Gibt es einen Wettstreit mit dem Apollo?

Wie viel von den Ideen tatsächlich realisiert werden kann, wird auch davon abhängen, wie sich das Kult-X dem Wettbewerb stellt. In den vergangenen Jahren des Probebetriebs sind in Kreuzlingen auch andere Kulturzentren entstanden wie das Apollo. In dem ehemaligen Kino machen Barbara Haller und Thomas King seit Jahren ein zunehmend attraktives Programm aus Kunst, Konzert und Diskurs. So attraktiv, das inzwischen auch das Filmforum Kreuzlingen und Konstanz (KuK), immerhin ein Kult-X-Mitglied, im Apollo eine eigene Kinoreihe veranstaltet

Ist das der Beginn einer Absatzbewegung? Wenden sich die Gründungsvereine inzwischen ab vom Kult-X? „Nein“, sagt Michael Kubli vom Kult-X-Vorstand, „es ergibt doch Sinn, dass ein Kinoverein, Filme auch in einem früheren Kino zeigt.“ Die Konkurrenz fürchte er nicht. „Ich bin überzeugt, dass es in Kreuzlingen Platz gibt für das Kult-X und das Apollo. Sie haben Räume, die wir nicht haben, umgekehrt gibt es bei uns Möglichkeiten, die es im Apollo nicht gibt. Wir können uns gegenseitig ergänzen. Für Kreuzlingen ist das eher ein Vorteil“, findet Kubli.

 

Das Apollo hat sich in Kreuzlingen als attraktiver Veranstaltungsort etabliert. Bleibt da noch Platz für das Kult-X? Bild: Torben Nuding

Intendanz oder Vielstimmigkeit: Welches Modell ist erfolgreicher?

Für Aussenstehende ist das tatsächlich ein interessantes Live-Experiment zum Thema Führungsstrukturen in Kulturbetrieben: Welche Form des Kulturzentrums ist erfolgreicher? Ein eher programmatisch von einer Quasi-Intendanz geleitetes Haus wie das Apollo? Oder ein demokratisch-genossenschaftlich und vielstimmig ausgerichtetes Projekt wie das Kult-X?

„Wobei man für eine abschliessende Beurteilung noch definieren müsste, was Erfolg eigentlich bedeutet“, wirft die scheidende Geschäftsführerin Noemi Signer noch ein. Guter Punkt. So oder so - es bleibt spannend im Echtzeit-Experiment in der Kreuzlinger Kulturszene.

 

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