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Grüsse aus dem Bildschirm

Grüsse aus dem Bildschirm
Wie redet man mit einem Bildschirm? Andreas Müller (links) und Florian Rexer wollen das mit ihrem Projekt „Siijuu“ ausloten. | © Michael Lünstroth

Überraschende Gespräche und intensive Momente: Florian Rexer und Andreas Müller wollen mit „Siijuu“ multimedial über Kunst und Kultur reden. Damit stehen sie am 7. Juli im Finale des Kulturstiftungs-Wettbewerbs „Ratartouille“. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Stellen wir uns kurz folgende Situation vor: Du kommst gerade aus dem Theater, wartest am Bahnhof oder der Bushaltestelle auf deinen Heimweg und plauderst mit deinen Freund:innen über den Abend. „War ja nicht so gelungen der Abend, die Inszenierung war komplett überladen“, sagst du, deine Freund:innen stimmen zu und plötzlich hörst du eine Stimme, die sagt: „Was genau hat dir denn nicht gefallen?“ Du drehst dich um, aber da ist niemand. „Hallo, hier bin ich“, sagt die Stimme. Und plötzlich erkennst du, dass ein Bildschirm mit dir redet. Beziehungsweise eine Frau, die auf diesem Bildschirm zu sehen ist.

Sie stellt sich als Regisseurin des Stücks vor, das du soeben gesehen hast und wiederholt ihre Frage: „Was genau hat dir denn nicht gefallen?“ Dann startet ihr ein Gespräch über die Inszenierung, plaudert, tauscht euch aus und am Ende ist dein Kulturerlebnis ein ganz anderes geworden. 

Raus aus den sozialen Medien, rein ins direkte Gespräch

Genau das will „Siijuu“ (vom englischen see you, also: ich sehe dich oder wir sehen uns) erreichen. Das Projekt von Andreas Müller und Florian Rexer möchte eine neue Form von Kommunikation über Kultur initiieren, vermittelt über einen Bildschirm, der Menschen in erwarteten und unerwarteten Zusammenhängen überraschen soll. „Seit der Pandemie kann man sich der Online-Kommunikation fast nicht mehr verschliessen, wir versuchen das zum Nutzen und zum Vernetzen von Kulturschaffenden einzusetzen“, sagt Andreas Müller im Gespräch mit thurgaukultur.ch 

Wir treffen uns an einem heissen Montagnachmittag im Kulturforum Amriswil. Andreas Müller trägt ein rotes Langarmhemd, der Mann scheint kein Problem mit der Wärme zu haben. Florian Rexer ist via Bildschirm zugeschaltet. Ergibt Sinn bei einem Projekt, das ja gerade den Bildschirm als Kommunikationsfläche ins Zentrum rückt.

Was ist also die Idee hinter „Siijuu“? „Wir wollen raus aus den sozialen Medien und rein ins direkte Gespräch mit den Menschen“, sagt der Romanshorner Regisseur Rexer. Mögliche Orte: Eine Galerie, ein Proberaum, während einer Lesung oder eben nach dem eingangs erwähnten Theaterabend. Spontan und live soll so ein spannendes und humorvolles Gespräch über Kunst entstehen. 

 

Digital? Analog? Beim Projekt Siijuu von Florian Rexer und Andreas Müller sollen Grenzen verschimmen. Bild: zVg

 

Versteckte Kamera? Nein, nein, sagen die Initiatoren

Ist das also die versteckte Kamera auf thurgauerisch? „Nein“, sagt Florian Rexer entschieden. „Wir wollen niemanden reinlegen oder vorführen, es geht ums wirklich um die einzelnen Gespräche.“ Sollte jemand ungewollt überrascht worden sein und mit einer Veröffentlichung nicht einverstanden sein, dann bleiben die Aufnahmen auch unter Verschluss. „Wir wollen Freude bringen und keinen Ärger verursachen“, ergänzt Andreas Müller.

Dabei kann jedes Gespräch ganz anders sein. Es kann in verschiedenen Kontexten, in verschiedenen Formen, in verschiedenen Ausrichtungen stattfinden. „Eine Lesung könnte aufgebrochen werden, dadurch dass wir eine Musikerin über den Bildschirm dazu schalten, die live auf das reagiert, was der Autor auf der Bühne gerade vorliest. Oder eine Ausstellungsvernissage können wir erweitern um eine Tanzperformance auf dem Bildschirm. Eigentlich gibt es kaum etwas, was nicht möglich wäre“, sagt Andreas Müller.

Alles passiert live: Das Überraschungsmoment ist zentral

Der Witz an dem Projekt ist, dass alles live passiert und die Protagonist:innen auf dem Bildschirm direkt auf das reagieren können, was vor dem Bildschirm passiert. Das Überraschungsmoment ist zentral für die Idee. So soll einerseits eine neue Interaktion zwischen Publikum und Künstler:innen möglich werden, aber andererseits auch eine neue Verbindung zwischen den verschiedenen beteiligten Kulturschaffenden wachsen. 

Ziel sei es zudem, die Thurgauer Kulturlandschaft von einem etwas anderen Blickwinkel zu präsentieren. „Auch für diejenigen, die vielleicht noch nie in einer Galerie waren oder an einer Lesung teilnahmen“, schreiben die Initiatoren in ihrem Dossier. Denn auch für die, die nicht unmittelbar dabei waren, sollen die Interventionen via YouTube erlebbar gemacht werden.

 

Freuen sich auf ihr neues gemeinsames Projekt: Andreas Müller (links) und Florian Rexer. Bild: Michael Lünstroth

 

Die Idee entstand bereits 2019

Entstanden ist die Idee zu „Siijuu“ bereits vor vier Jahren. Beim Strassenfest im Sommer 2019 in Amriswil haben Rexer und Müller ihre „interaktive Scheinwand“ erstmals ausprobiert. „Ohne künstlerischen Anspruch wurden die Besucherinnen und Besucher überrascht und unterhalten. Die Reaktionen waren überwältigend“, erinnern sich die beiden. Aus diesen ersten Erfahrungen haben sie auch gelernt. Die Dramaturgie muss gut durchdacht sein und es braucht eine gute Vorbereitung. „Spontaneität ist gut und wichtig, aber erst in Kombination mit einer exakten Vorbereitung bringt beides den erwünschten Erfolg“, ist Andreas Müller überzeugt.

Damit das Projekt wirklich funktioniert, braucht es vor allem eine zuverlässige Technik. Nicht umsonst schreiben die Initiatoren in ihrem Projektdossier, dass die Technikkosten einen Grossteil des Budgets ausmachen: Kameras, Licht und Ton sowie Techniker. „Im Grunde müssen wir fast immer mit einem kleinen Übertragungswagen unterwegs sein“, sagt Florian Rexer. Für die an den Produktionen beteiligten Künstler:innen sieht das Budget 42’000 Franken vor - für insgesamt sieben geplante Aufführungen.

Kein Understatement: Nationale Medienberichterstattung ist das Ziel

Losgehen soll es im Januar 2024 mit der ersten Produktion. Zumindest dann, wenn „Siijuu“ am 7. Juli das Publikum in Arbon überzeugt. Und wenn nicht? „Dann müssen wir neu rechnen“, sagt Florian Rexer. Ohne die 100’000 Franken der Kulturstiftung sei ein solch ambitioniertes Vorhaben schwer umzusetzen. 

Selbstbewusst genug sind Müller und Rexer jedenfalls. Sie wollen bei der Medienarbeit nicht nur „auf die Thurgauer Printmedien-Landschaft“ setzen, nein, auch „nationale Medienberichterstattung“ wird angestrebt. Für den ersten Trailer zum Projekt haben sie national bekannte Künstler:innen-Persönlichkeiten für sich gewinnen können: Peter Stamm, Bestseller-Autor und Schweizer Buchpreisträger 2018, sowie Simone Keller, Pianistin und Schweizer Musikpreisträgerin 2022. Jetzt müssen sie nur noch das Publikum überzeugen.

Der Trailer zur Idee

 

Der Wettbewerb «Ratartouille» und das Finale

Der Wettbewerb: Die Kulturstiftung des Kantons Thurgau hat „Ratartouille“ vor zwei Jahren erfunden. Damit sollten innovative Veranstaltungsformate gefördert werden. Das Gewinnerprojekt erhält 100`000 Franken von der Kulturstiftung. Ziele des Wettbewerbs sind es neue Ansätze, „die verschiedene Sparten wie Kunst, Musik, Tanz, Literatur miteinander verbinden, das professionelle Kulturschaffen des Kantons Thurgau beleben, Netzwerke über den Kanton hinaus eröffnen sowie experimentellen Charakter haben“ zu unterstützen. Bei der ersten Ausgabe hat das Projekt „Promenaden“ von Richard Tisserand und Reto Müller gewonnen. Mehr dazu gibt es hier.

 

Die Wettbewerber: Drei Projekte wurden für das Finale ausgewählt: San Keller und sein Festival der Vorgärten, Ira Titova und Isabelle Krieg stellen in Kreuzlingen die Frage „Was brauchen wir?“ und suchen so nach neuen Gemeinschaften, sowie „Sijuuu“ von Andreas Müller und Florian Rexer. Das Ziel hier: Gespräche initiieren. Im Zentrum steht dabei ein Bildschirm, den die beiden an verschiedenen Orten im Kanton aufbauen wollen. Auf diesen Bildschirmen sollen „auf bestimmte Kontexte zugeschnittene Theatersituationen“ erzeugt werden. Alle drei Projekte stellen wir bei thurgaukultur.ch vor dem Finale vor.

 

Wer mehr Details zu den Finalist:innen sucht: Die Projektdossiers der drei verschiedenen Ideen sind auch öffentlich:

 

Was brauchen wir?

Festival der Vorgärten

Siijuu


Das Finale: Insgesamt drei Ideen (siehe oben) treten im Finale gegeneinander an. Es findet statt am Freitag, 7. Juli, ab 17:30 Uhr, im Presswerk Arbon. Dort werden alle Projektinitiator:innen ihre Ideen vorstellen. Am Ende entscheidet das Publikum darüber, welcher Vorschlag die 100’000 Franken der Kulturstiftung erhält. Wer live dabei sein will: Anmeldungen sind noch bis 4. Juli möglich:

 

https://www.kulturstiftung.ch/anmeldung

 

Transparenz-Hinweis: Die Kulturstiftung des Kantons Thurgau ist eine von zwei Aktionär:innen der gemeinnützigen Thurgau Kultur AG, die thurgaukultur.ch betreibt. Alle Details zur Struktur und Finanzierung von thurgaukultur.ch findet ihr hier.

 

 

 

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