von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 18.09.2020
Gegen alle Widerstände
Zwei neue Räume und ganz viel Willenskraft: Das Kreuzlinger Kulturzentrum Kult-X wächst trotz der Zögerlichkeit der Stadt weiter. Eine bemerkenswerte Leistung.
Wer in diesen Tagen in das entstehende Kreuzlinger Kulturzentrum Kult-X blickt, der dürfte staunen, was aus dem Gebäude auf dem ehemaligen Schiesser-Areal geworden ist. Neben dem bereits seit 2019 bespielten Raum, werden dann auch zwei neue Säle der Öffentlichkeit präsentiert. Im Erdgeschoss zieht die Ludothek ein, im ersten Obergeschoss wird neben dem Kino- und Theatersaal ein zweiter Raum eröffnet, in dem ab Oktober unter anderem die Gesellschaft für Musik und Literatur Kreuzlingen ihre Konzerte veranstalten wird.
Der Weg dahin war, wie so oft in der Geschichte des Kult-X, holprig. Eigentlich sollten bereits im Mai die ersten Veranstaltungen im Erdgeschoss laufen, der neue Multifunktionssaal sollte Ende August in Betrieb gehen. Das fiel nicht nur wegen der Corona-Pandemie aus, sondern auch weil notwendige Baubewilligungen fehlten. Die zuständige Stadträtin Dorena Raggenbass schob die Verantwortung dafür zunächst dem Kanton zu, die Gesuche lägen dort zur Begutachtung vor. Tatsächlich waren sie, wie Recherchen von thurgaukultur.ch zeigten, dort im Juni 2020 noch gar nicht eingereicht. Raggenbass musste einräumen, dass die Gesuche noch bei der Kreuzlinger Bauverwaltung liege.
Ohne das grosse Engagement der Ehrenämtler herrschte weiter Stillstand
Inzwischen sind die Gesuche publiziert, bis Ende des Jahres rechnet man mit einer Bewilligung. Weil Kult-X-Chefin Christine Forster aber nicht bis zum Winter mit dem Weiterbau warten wollten, machten sie gewissermassen auf eigenes Risiko weiter - nachdem sie sich das grüne Licht von der städtischen Bauverwaltung geholt hatten. Ausser dem im Budget vorgesehenen Geld für die Sanierung der Wände und der Notausgänge im neuen Multifunktionssaal gab es von der Stadt indes keine zusätzlichen Mittel. Dafür wurden nun unzählige Freiwilligen-Stunden und ein Teil der Zuschüsse des Kantons für die technische Einrichtung eingesetzt. Mit insgesamt 100’000 Franken unterstützt der Thurgau das Projekt.
Eine weitere schwierige Frage vor der das Kult-X steht lautet: Neubau oder Sanierung? Die ursprünglichen Pläne der Architekten sehen vor, dass ein baufälliger Teil im ersten Obergeschoss komplett abgetragen wird und dann ein neuer Raum auf das bestehende Gebäude gepflanzt werden soll. Aussen schnörkellos und klar, innen so ausgebaut, dass Kultur endlich auch unter professionellen Bedingungen möglich wäre. Der Haken an der Sache: Finanziell würde das ein Bau, der ziemlich sicher der Zustimmung eines Volksentscheids bedürfte.
Neubau oder Sanierung? Das Ringen um die beste Lösung
Immerhin: Im Finanzplan 2020 - 2023 der Stadt Kreuzlingen bekommt der Ausbau des Kulturzentrums einen angemessenen Platz: Insgesamt 10 Millionen Franken sollen demnach in den nächsten vier Jahren investiert werden in das Projekt. Das war allerdings vor Corona. Inwieweit sich die städtische Finanzplanung durch die Pandemie verändert, ist noch unklar.
Selbst Christine Forster und Trägervereinspräsident Jean Grädel sind sich nicht mehr sicher, ob ein Neubau die richtige Lösung ist. Die Frage allerdings ist, ob eine aufwändige Sanierung am Ende so viel günstiger werden würde. Die politische Entscheidung darüber ist ohnehin auf 2021 verschoben worden. Erst dann soll der Gemeinderat darüber befinden, wohin die Reise für das Kult-X geht.
Es wäre überfällig das Engagement im Kult-X angemessen zu würdigen
Ganz egal, wie diese Entscheidung ausfällt: Will die Stadt doch mal das wahnsinnige Engagement aller Kult-Xler würdigen, gäbe es eine schöne Chance: Den„Prix Kreuzlingen“ endlich angemessen dotieren und ihn für die nächsten Jahre ausschliesslich an das Team um Christine Forster und Stephan Miliz verleihen. Etwa ab dem Jahr 2030 wäre dann voraussichtlich die Gegenleistung für ihren leidenschaftlichen, mutigen und unbeirrbaren Einsatz für die Stadt erbracht.
Weiterlesen: Zu den Plänen des Vereinspräsidenten Jean Grädel gibt es einen eigenen Beitrag unter dem Titel „Mit vereinten Kräften“
Das Projekt Kult X
Die Vorgeschichte: 2008 hat die Stadt das ehemalige Schiesser-Areal 2008 für 2,1 Millionen Franken gekauft. Nach dem Kauf des Areals 2008 ist erstmal lange nichts passiert. Im Frühjahr 2012 gab es dann Zwischennutzungsversuche mit dem Kultur-im-Shop-Konzept. Initiiert damals schon von der heutigen Projektchefin Christine Forster. Das kam gut an. Mehr als 1000 Unterschriften wurden gesammelt für die Schaffung eines Kulturzentrums. Und dann passierte erstmal wieder: nichts. Ein Jahr später wurde eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, um ein Nutzungskonzept für das Areal zu erstellen. Im selben Jahr liess die Stadt eine Machbarkeitsstudie über das Gesamtareal erstellen. Und dann passiert erstmal wieder: nichts. Ja, sagt Dorena Raggenbass, zuständige Stadträtin für Kulturfragen in Kreuzlingen, es habe immer wieder bedauerliche Denkpausen bei dem Projekt gegeben. Woran das lag? „In der Politik gibt es eben auch zwei Lager zu dem Thema: Die einen, die das Kulturzentrum wollen und die anderen, die nur die Kosten sehen“, räumt Raggenbass ein.
Die Vision: Bildende Kunst, Kino, Theater und Musik sollen eine neue zentrale Heimat in dem Kulturzentrum auf dem ehemaligen Schiesser-Areal bekommen. Es soll Platz für Ateliers, Künstlerwohnungen, Proberäume, einen Konzertraum und einen multifunktionalen Theater- und Kinosaal geschaffen werden. Mit eigener Kulturbeiz und dem Ziel, dass alle beteiligten Projektpartner nicht nur ihr Programm abspulen, sondern gemeinsam auch Neues schaffen: neue Veranstaltungsformate erdenken, Grenzen sprengen und die kulturelle Kraft der Stadt zum Leuchten bringen.
Die Finanzierung: Die Stadt Kreuzlingen zahlt laut städtischem Budget 2020 104’000 Franken pro Jahr für den Betrieb des Kulturzentrums Kult-X. Mehr als die Hälfte davon (64’000 Franken) geht allerdings für die Miete des Gebäudes drauf. Perspektivisch strebt das Kult-X auch eine Unterstützung seitens des Kantons an. Entsprechende Anträge seien beim kantonalen Kulturamt eingereicht, sagt Christine Forster. Insgesamt 100’000 Franken (75’000 für die Infrastruktur, 25’000 für das Programm) habe man beantragt. Inzwischen sind die Gelder auch bewilligt.
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