von Ramona Früh, 03.02.2021
Fast am Ziel
Lange haben sie gesucht, viele Male sind sie gezügelt: Jetzt könnte das Kaff in Frauenfeld endlich ein dauerhaftes Zuhause bekommen. Könnte. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Meret Limacher ist seit Sommer Aktuarin des Kaff. Die 24-Jährige Jugendarbeiterin besuchte als 17- oder 18-Jährige das Kaff regelmässig als Gast, danach begann sie hinter der Bar zu arbeiten, seit letztem Jahr ist sie Mitglied im Vorstand. Eine steile Karriere – total typisch für das Kaff, sagt Meret.
Viele kämen relativ jung als Gast ins Kaff und engagieren sich später für ihr Lieblingslokal. Doch wer auf die 30 zugeht, sollte den Platz schon wieder für Jüngere freimachen, sagt Meret. «Junge Leute im Vorstand zu haben, ist wichtig, das Kaff selber ist ja auch ein Ort für junge Leute, auch 16-20-Jährige.»
«Junge Leute im Vorstand zu haben, ist wichtig, das Kaff selber ist ja auch ein Ort für junge Leute, auch 16-20-Jährige.»
Meret Limacher, KAFF-Aktuarin (Bild: privat)
So wuchs das Kaff in den letzten Jahren zu einer grossen Familie, die sich beim jüngsten und grössten Projekt in der 16-jährigen-Geschichte, «Kaff auf Dauer», wieder zusammengefunden hat. Robin Kurzbein, einer der Kaff-Gründer, ist beim aktuellen Projekt ebenso engagiert wie der Architekt Joel Introvigne, der vor ungefähr sechs Jahren aus dem Kaff-Vorstand austrat, nun aber den Bau entworfen hat.
Geplant ist ein multifunktionaler Konzertsaal
Dass der Architekt ein «Kaffler» sei, habe entscheidende Vorteile, sagt Meret. «Wir waren Feuer und Flamme, als wir gesehen haben, was Joel alles eingeplant hat. Wir bauen nun eine Lokalität, die zu uns passt.» Das vorherige Lokal an der Grabenstrasse 57 war nicht wirklich als Kulturlokal geeignet – ein zu langer, zu niedriger Raum mit zu hohen Mietkosten.
Joel Introvigne konnte sein Insiderwissen zugunsten des Projekts nutzen: Geplant ist ein multifunktionaler Konzertsaal mit grosser Bühne, die sich aber auch in eine kleinere Bühne umbauen lässt und damit für Poetry Slams oder Lesungen eignet. Auch der hintere Teil kann umfunktioniert werden und sich gegen aussen öffnen lassen.
Die «Kaffler*innen» wollen mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn der Theaterwerkstatt Gleis 5 und der Busbar «Haltestell» eine Kulturoase auf dem Unteren Mätteli schaffen. «Das Kaff wird dadurch noch diverser und mehr verschiedene Leute ansprechen.»
Kaff auf Dauer – oder doch nicht?
Das Ganze ist als Holzpavillonbau geplant, der sich sogar zügeln lässt. Wie lange das «Kaff auf Dauer» tatsächlich auf dem Unteren Mätteli bleiben kann, ist nämlich noch ungewiss. Der zentrale Standort, mit wenigen Anwohnerinnen und Anwohnern, die sich ob des Lärms gestört fühlen könnten, ist ideal – im Moment zumindest.
Die Stadt gewährt dem Kaff als erster Grundstein des Grossprojektes Murgbogen Baurecht für 5 Jahre. Doch da dies erst der Anfang dieses «Generationenprojektes» ist und sich die Stadt dort stark entwickeln wird, muss das Kaff möglicherweise wieder zügeln.
Also doch kein Kaff auf Dauer? Damit sich die ewige Geschichte der Suche nach einem neuen Standort dann nicht wiederholt, wird der nächste Umzug mit samt dem Haus geschehen. Der Holzpavillon ist nämlich so geplant, dass er einmalig an einem neuen Standort wieder aufgebaut werden kann. Ein sehr grosser Aufwand also für einen kleinen, alternativen Kulturverein.
«Die jungen Leute brauchen einen Ort, wo sie sich treffen und engagieren können. Das Kaff macht Frauenfeld lebendiger.»
Meret Limacher, KAFF-Aktivistin
Wieso hat man nicht einfach gewartet, bis das Kasernenareal frei wird? «Der Zeitplan für die Umnutzung der Kaserne hat sich immer mehr nach hinten verschoben. Das Warten war für uns ein zu grosses Risiko, dass es unseren Verein bis dann nicht mehr gibt.» sagt Meret. «Die jungen Leute brauchen einen Ort, wo sie sich treffen und engagieren können. Das Kaff macht Frauenfeld lebendiger.»
Ganz uneigennützig sei es natürlich nicht, weil sie wie die anderen Vorstandsmitglieder auch selber gerne alternative Kultur geniesse. «Ich habe in Fribourg studiert und dass ich zurückgekommen bin, hängt vor allem mit dem Kaff zusammen. Das Kaff ist für mich mehr als ein Hobby, es ist wie eine Familie.» So sei ihr Engagement für den Verein nicht nur Arbeit, sondern vor allem Vergnügen.
Noch ist die Finanzierung nicht geschafft
Dieser Zusammenhalt war es sicher auch, der dem Kaff bei der Finanzierung des Projekts geholfen hat. Aufgrund der Coronakrise gestaltete sich das Crowdfunding schwieriger als gedacht.
Gegen Ende mussten die Kaffler*innen alle Register ziehen: «Alle Musikerinnen, Musiker und DJs, die in den letzten 5 Jahren im Kaff aufgetreten waren, haben wir mobilisiert. Dazu lancierten wir noch das Solibier, das sehr gut ankam. Es war ziemlich knapp, aber schön zu sehen, was man alles schaffen kann und welche Unterstützung wir in der Frauenfelder Bevölkerung geniessen.»
Hoffnung auf Geld vom Kanton
Am Ende haben 303 Unterstützerinnen und Unterstützer total 107'883 Franken gespendet. Doch noch ist das Finanzierungsziel nicht erreicht: 300'000 Franken muss der Verein selbst aufbringen, durch Eigenmittel, Spenden, Stiftungen und Sponsoring. Weitere 300'000 Franken kommen von der Stadt und weitere 300'000 Franken hoffentlich vom Kanton «Die Drittelsregelung war der ursprüngliche Plan, aber wir warten noch auf die Antwort des Kantons.»
Ist also das Projekt noch gar nicht unter Dach und Fach? «Wir legen so oder so los. Sollte der Kanton weniger geben, müssten wir dann halt schauen. Wir sind zuversichtlich, dass es jetzt klappt», sagt Meret Limacher.
Dieses Video hatte das Kaff für das Crowdfunding produziert
Eröffnung soll im Herbst 2021 sein
Bis zur geplanten Eröffnung im Herbst 2021 ist noch einiges zu tun. Ein komplett neues Betriebskonzept werde geschrieben. «Vielleicht kommt noch ein Café rein oder wir vermieten die Räumlichkeiten zur Nutzung. Unser Ziel ist sicher nicht, dass die Lokalität unter der Woche leer steht.»
Die Ideen und Ziele gehen den Kaffler*innen also nicht aus. So wird schon bald der erste Grundstein gelegt für die Zukunft des alternativen Kulturlokals.
Die Geschichte des Kaff
Der Verein Kulturarbeit für Frauenfeld (Kaff) wurde 2004 gegründet. Zuerst war er an der Zürcherstrasse im ehemaligen Restaurant «Schäfli» untergebracht. Als das Haus später verkauft wurde, fand der Verein an der Murgstrasse in der «Linde» eine Zwischenlösung. Dort konnte er nur an zwei Tagen pro Monat öffnen. Das war dem Verein zu wenig. Der letzte Standort, an der Grabenstrasse 57, war als Kulturlokal zu wenig geeignet. Zudem war der Mietpreis hoch. Der Verein suchte weiter.
Auf dem Unteren Mätteli, heute ein Parkplatz, wurde dem Verein von der Stadt Frauenfeld ein Platz angeboten. Die Stadt will das gesamte Gebiet im Murgbogen, zu welchem auch der Murg-Auen-Park und das Kasernenareal gehören, entwickeln und gewährte dem Kaff als einer der ersten Grundsteine des Grossprojektes Baurecht für 5 Jahre. Doch da dies erst der Anfang dieses «Generationenprojektes» ist und unter anderem noch eine Allee geplant ist, muss das Kaff möglicherweise wieder zügeln.
Das Kaff ist nach wie vor ein wichtiger Ort für alternative Kultur und ein bedeutender Treffpunkt für Jugendliche und junge Erwachsene. Viele kommen als Konzertbesucherinnen und -besucher und gestalten später das Kaff als Mitarbeitende oder Vorstandsmitglieder mit.
An der Rheinstrasse nutzt der Verein nach wie vor Räumlichkeiten für Ateliers, Probenräume sowie für die Autonome Schule Frauenfeld.
Obwohl das Crowdfunding erfolgreich war, ist der Kulturverein weiterhin auf Spenden der Bevölkerung angewiesen. Spenden können direkt auf das Bankkonto des Vereins eingezahlt werden: Verein projektKAFF, Rheinstrasse 14, 8500 Frauenfeld, IBAN: CH05 8080 8006 3123 3486 3
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