von Ramona Früh, 02.09.2021
Leben für das Buch
Die Weinfelder Buchtage finden dieses Jahr zum 5. Mal statt. Initiantin Katharina Alder macht vieles aus dem Bauch heraus, nicht nur das Programm des Festivals. Sondern so entstanden ihre Buchhandlung in Weinfelden, die Buchtage und nun neu dieses Jahr auch der Weinfelder Buchpreis.
Katharina Alder, wie ist es, zum 5. Mal ein kleines Literaturfestival auf die Beine zu stellen?
Eigentlich wie immer, nur ein bisschen grösser. Im ersten Jahr hatte ich es ja einfach mal ausprobiert, kurzerhand ein kleines Literaturfestival auf die Beine gestellt und die Leute hatten Freude. Letztes Jahr fanden bereits die vierten Weinfelder Buchtage statt – genau eine Woche vor dem Lockdown. Mit Abstand und Masken.
Wegen Corona haben wir die diesjährige Ausgabe auf den Herbst verschoben. Und nun ist es fast wie ein neues Festival: Es sind doppelt so viele Autorinnen und Autoren wie früher, es gibt Veranstaltungen im Rathaus und neu auch im Theaterhaus, wir haben das Ticketsystem ausgebaut. Kurz: Alles hat sich gewandelt, ist grösser und professioneller geworden. Und dann ist noch der Buchpreis dazugekommen.
Sie verleihen an den Buchtagen den 1. Weinfelder Buchpreis und finanzieren das Preisgeld erst noch selber.
2020 war so ein schwieriges Jahr. Als Buchhandlung hatten wir zu Beginn noch Entschädigung erhalten und nachher hatten wir so ein gutes Geschäftsjahr. Aber die Neuerscheinungen blieben im geschlossenen Laden liegen. Sie wurden wenig beachtet, und das fand ich extrem schade. Ich wollte deshalb von dem Geld, das wir in der zweiten Jahreshälfte 2020 wettmachen konnten, etwas weitergeben.
Die Jury Ihres Buchpreises besteht aus Studierenden des Master-Studienprogramms Deutsche Literatur: Theorie – Analyse – Vermittlung (TAV) der Universität Zürich. Weshalb?
Ich studiere selber noch an der Uni in diesem Masterstudiengang. Alle Jurymitglieder sind im selben Studiengang, der das Ziel hat, Brücken zu schlagen zwischen universitärer Literaturwissenschaft und dem öffentlichen Literaturbetrieb. Der Studiengang ist wahnsinnig lässig und macht Spass. Als ich überlegt habe, wer den Buchpreis jurieren könnte, dachte ich, dass das genau etwas wäre für diese Studentinnen und Studenten.
Katharina Alder organisiert die Weinfelder Buchtage zum 5. Mal. Auf die Autorin Valerie Fritsch freut sie sich ganz besonders. | Bilder, links: zvG, rechts: Martin Schwarz
Das ist ziemlich besonders, nicht?
Ja, das ist so. Aber genau das, was sie machen, Was macht einen Text aus, wie wird Sprache verwendet und was macht das mit dem Text und letztlich mit dem oder der Rezipientin. Was sind die Stärken und Schwächen eines Textes. Das macht man unter anderem in diesem Studiengang: textnahe Kritiken schreiben.
Im Mai haben die Jurymitglieder die Bücher bekommen und im Juli nun erstmals getroffen und ausgetauscht über die Texte, die jeweils anderen Einschätzungen der Texte angehört. In diesen Tagen treffen sie sich nochmals und entscheiden, wer den Preis erhält und weshalb.
Nominiert sind Regina Dürig mit «Federn lassen», Judith Keller, «Oder?», Seraina Kobler, «Regenschatten», Anaïs Meier, «Über Berge, Menschen und insbesondere Bergschnecken» und X Schneeberger, «Neon Pink & Blue». Wie kam diese Auswahl zustande?
Ich habe die Liste zusammengestellt. Grundsätzlich sind es alles Schweizer Autorinnen und Autoren, die noch nicht so etabliert sind und keine grosse mediale Präsenz für ihre Werke erhalten haben. Es ist nicht der Sinn, dass die ausgewählten Bücher Bestsellerpotential haben, sondern dass sie in gewissen Bereichen herausgestochen sind. Es sind auch keine Bücher für den breiten Publikumsgeschmack, sondern literarisch wertvolle Bücher, was sich natürlich nicht grundsätzlich gegenseitig ausschliesst.
Und weshalb haben sie die Autorinnen und Autoren nicht einfach zum Festival eingeladen, sondern extra einen Preis ins Leben gerufen?
Es ist doch cool, wenn man einen Preis erhält. Es gibt auch andere Festivals, die das machen. Im Thurgau macht das aber noch niemand. Das ist das Tolle hier, man kann im Thurgau so viel machen und hat keine Konkurrenz.
Mit der Idee zur Gründung der Buchhandlung klappentext in Weinfelden war das ähnlich?
Ja, das war eine Schnapsidee an einem Donnerstagnachmittag. Viele sagten: «Spinnsch, wieso machst du das?» Aber Literatur lag mir als Schauspielerin nicht so fern, zudem steckte ich ja mitten im Germansitikstudium. So passt es schon. Die Buchhandlungsskills habe ich mir angeeignet, auch Marianne Sax aus Frauenfeld hat mir am Anfang sehr geholfen. Die Leute haben Freude am Laden, sie kommen gerne. Sie merken, dass ich das gerne mache.
Wie entsteht das Programm der Buchtage?
Ich orientiere mich an dem, was ich persönlich mag, was wir in der Buchhandlung viel verkauft haben, und daran, wen die Leute gerne sehen möchten. Dann habe ich dieses Jahr eine Facebook-Umfrage gemacht und nach Wünschen gefragt. Usama Al Shahmani und Max Küng wurden gewünscht, nicht nur, aber auch deshalb habe ich die beiden eingeladen. Valerie Fritsch war mein Wunsch, auf sie freue ich mich extrem. Und Arno Camenisch kommt fast jedes Jahr. Die Leute lieben ihn, es ist so schön am Sonntagmorgen und macht Spass. Ich gebe kein besonderes Profil, das Programm entsteht nach Lust und Gemüt.
Was ist neu dieses Jahr?
Abgesehen vom Buchpreis vernetzen wir uns dieses Jahr stärker. Wir veranstalten erstmals im Theaterhaus. So vergrössern wir uns und haben durch mehr verschiedene Locations auch mehr Festivalfeeling. Neu ist auch, dass Gallus Frei drei Lesungen moderiert. Darauf freue ich mich und das nimmt mir auch etwas Druck. Er macht so viel für die Literatur in Amriswil und beim Bodmanhaus und hat sich angeboten, auch in Weinfelden dabei zu sein.
Worauf freuen Sie sich am meisten?
Auf alles, auf die Leute, die lesen, diejenigen, die besuchen, auf die Gespräche und unbeschwerte Stunden.
Weinfelder Buchtage und Buchpreis
Die Weinfelder Buchtage finden vom 9. bis 12. September an verschiedenen Orten in Weinfelden statt. Weitere Informationen und das vollständige Programm gibt es hier: www.buchtage.ch
Erstmals wird dieses Jahr der Weinfelder Buchpreis verliehen. Die Auszeichnung prämiert ein im vergangenen Jahr erschienenes Werk einer Schweizer Autorin oder eines Schweizer Autors. Der Sinn davon ist, noch weniger bekannte Schrifsteller:innen in den Fokus des Literaturbetriebs zu rücken und ihnen eine finanzielle Unterstützung hinsichtlich ihrer Arbeit zu bieten. Der Preis ist mit 4'000 Franken dotiert und wird von der Buchhandlung klappentext in Weinfelden gestiftet.
DIe Lesung der Nominierten findet am Samstag 11. September 2021 um 17:45 im Theaterhaus Thurgau statt. Weitere Informationen gibt es hier.
Weitere Beiträge von Ramona Früh
- Kultur für alle und zum mitmachen (18.09.2021)
- Fast am Ziel (03.02.2021)
- Der Problemlöser (23.11.2020)
- So klingt der Thurgau (31.08.2020)
- Familienbande (31.08.2020)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Literatur
Kommt vor in diesen Interessen
- Interview
- Vorschau
- Belletristik
Kulturplatz-Einträge
Ähnliche Beiträge
Wirklichkeit ist, was du daraus machst!
Michèle Minelli hat ein neues Buch vorgelegt, das schwer aus der Hand zu legen ist. Man will einfach wissen, wie es endet. Wer das noch nicht wissen will, der lese diesen Text nicht bis zum Schluss. mehr
Sanfte Radikalität
Die Aargauer Autorin Barbara Schibli stellt ihr zweites Buch vor: «Flimmern im Ohr» erzählt von einer Frau, die mitten im Leben steht und dennoch einen Blick zurück auf ihre wilden Jahre wirft. mehr
Familiengeschichte im Zeichen des Kolonialismus
Mit „The White Rasta“ erforschte die Autorin Dominique Haensell ihre Herkunft. Ein Teil des Buches entstand während eines Stipendiums im Literaturhaus Thurgau. Dort liest sie am 24.Oktober daraus. mehr