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Eine Vision für die nächsten Jahrzehnte

Eine Vision für die nächsten Jahrzehnte
Eine Vision, die Frauenfeld verändern könnte: Die Umnutzung der Stadtkaserne ist eine grosse Chance für die Kantonshauptstadt. Ein Teil des Konzeptes - der Markt Thurgau als Schaufenster für Waren, Dienstleistungen, Start-ups, Kultur und Vereine aus dem Thurgau. | © Stadt Frauenfeld

TKB-Projekte, Teil 9: Wenn die Armee die Stadtkaserne Frauenfeld Ende des Jahres verlässt, entsteht mitten in der Stadt ein neues Quartier. Das Generationenprojekt könnte die ganze Stadt beleben. (Lesedauer: ca. 6 Minuten)

Wer in Frauenfeld ankommt, der sieht das Militär. Ganz egal, ob man sich mit dem Zug oder dem Auto dem Zentrum der Kantonshauptstadt nähert, die Stadtkaserne prägt das Stadtbild. Seit mehr als 150 Jahren steht die Kaserne dort wo sie steht und zum 1. Januar 2024 wird sie sich gravierend verändern. Aus der militärischen wird eine zivile Nutzung, die Stadt Frauenfeld übernimmt das Areal und ist plötzlich in der Lage ein 14’000 Quadratmeter grosse Fläche im Herzen der Stadt komplett neu zu gestalten. 

Kein Wunder schnalzt Christoph Anneler, Bereichsleiter Eigentümervertretung beim städtischen Amt für Hochbau und Stadtplanung, mit der Zunge, wenn er über das Projekt spricht: „Es gibt viele Kasernen in der Schweiz, das spezielle an der Stadtkaserne Frauenfeld ist ihre zentrale Lage. Ich sehe ganz viel Potenzial auf den Flächen. Das neu entstehende Quartier soll ein lebendiger Stadtteil werden“, sagt er an einem Mittwoch im Mai in einem Zoom-Meeting.

Der Traum jedes Stadtplaners

Tatsächlich ist das, was jetzt in Frauenfeld möglich werden könnte, der Traum eines jeden Stadtplaners: Ein neues Quartier mitten in der Stadt, bestens angebunden an den Bahnhof, komplett neu entwickeln zu können. Wo gibt es das heute noch? Oft ist das allenfalls auf der grünen Wiese in den Aussenbezirken möglich, aber das hier? Eine einmalige Chance, sind sie sich bei der Stadt Frauenfeld sicher. 

Diese grosse Chance wollen sie nicht vergeigen und deshalb brüten sie in Frauenfeld schon seit Jahren darüber, was aus der Kaserne werden könnte, wenn die Armee mal auszieht. Bereits 2016 wurden die Gewinnerentwürfe eines Architekturwettbewerbs präsentiert, danach wurde die Planung weiter vorangetrieben. Im vergangenen November wurde der Vertrag zur Übernahme des Areals vom Militär auch vertraglich fixiert. Zum 1. Januar 2024 wird die Stadt neue Eigentümerin und dann fängt die Arbeit erst richtig an. 

 

Ein neues Quartier entsteht: Aus der Stadtkaserne Frauenfeld soll ein Areal für ganz verschiedene Nutzungen werden. Grafik: Stadt Frauenfeld

Restaurant soll bereits Anfang Januar 2023 eröffnen

„Anfang Januar öffnet das Restaurant in der Stadtkaserne (der Wirt des Kanönli übernimmt hier, d. Red.). Wir wollen schnell einen belebten Ort schaffen“, sagt Christoph Anneler. Er sagt aber auch: „Nicht alles wird von Anfang an fertig sein.“ 

Das Ziel sei es im ersten Halbjahr 2024 die ersten Nutzer:innen einziehen zu lassen, im Juni 2024 soll wir die Eröffnung gefeiert und der Ort der Bevölkerung zugänglich gemacht werden.

Ein Anziehungspunkt für die ganze Region?

Die bisherigen Pläne für das Areal klingen so: Die Stadtkaserne soll von einem bislang abgeschotteten Areal hin zu einem offenen Ort für alle werden, erklärte die Stadt Frauenfeld in einer Medienmitteilung im April 2023. Das Quartier soll Anziehungspunkt für die ganze Region werden. Vieles sei dort möglich: „Arbeiten, Bildungs-, Freizeit-, Kultur- oder gastronomische Angebote“, schreibt die Stadt. 

72 Millionen Franken soll das Vorhaben kosten

Die Kosten dafür: 72 Millionen Franken. So lauten jedenfalls die aktuellen Schätzungen der Stadt. „Das ist eine realistische Summe für die Umnutzung des Areals. Aber Stand jetzt ist es schwierig einzuschätzen, was man effektiv davon brauchen wird. Wir investieren die Mittel sinnvoll in die Räume und Flächen, soweit die Finanzierung gesichert ist. Eventuell bleiben dadurch bestimmte Flächen zeitweise ungenutzt oder werden zu einem günstigen Mietzins im bestehenden Zustand zum Ausbau durch die Nutzer:innen vermietet“, sagt Christoph Anneler im Gespräch mit thurgaukultur.ch 

Das Geld dafür soll zum Teil aus den Erlösen vom Verkauf der Anteilsscheine der Thurgauer Kantonalbank (TKB) kommen. Auf 20 Millionen Franken dürfen die Projektverantwortlichen hoffen, wenn die Stimmbürger:innen am 18. Juni dem gesamten Projektkorb aller ausgewählten Vorhaben zustimmen. Beworben hat sich die Stadt um diese Mittel mit dem Konzept „Markt Thurgau“.

 

Vision: So könnte der Markt Thurgau in der Stadtkaserne Frauenfeld mal aussehen. Grafik: Stadt Frauenfeld

Das Konzept „Markt Thurgau“

Es soll so etwas wie ein Schaufenster für Waren, Dienstleistungen, Start-ups, Kultur und Vereine aus dem Thurgau werden. Im Marketingsprech der Initiatoren klingt das dann so: „Der Markt Thurgau bietet ein besonderes Einkaufserlebnis durch das Verknüpfen von nachhaltigem Warenangebot, Handwerkskunst, historischer Architektur und zum Verweilen einladender Gastronomie und Kultur.“ So ist es jedenfalls auf der Website nachzulesen.

Im Erdgeschoss der Stadtkaserne sollen für Kunden und Besuchende gut zugängliche und besonders gefragte Nutzungen entstehen, während in den oberen Geschossen Betriebe aus den Bereichen Gesundheit, Kreislaufwirtschaft und Bildung angesiedelt werden sollen. Im Dachgeschoss könnten Vereine eine neue Heimat finden. 

Interessent:innen können sich jetzt für Räume bewerben

Seit Mitte April können sich Interessent:innen bei der Stadt melden. Dafür hat sie eine eigene Website online gestellt: www.wirsindstadtkaserne.ch Gesucht werden dafür Mieter:innen, „die ein Angebot für eine Mehrheit der Bevölkerung schaffen“, erklärt die Stadt dazu. Wobei die Stadt lieber von Pionier:innen redet als von Mieter:innen, schliesslich seien sie die ersten, die das Areal mit Leben füllen. Die erste Bewerbungsrunde ist bis 18. Juni offen, eine zweite läuft bis zum 17. September. Im August will die Stadt die ersten Nutzer:innen vorstellen.

„Wir wollen unseren Nutzer:innen möglichst viel Flexibilität bieten. Sie sollen ausprobieren dürfen in unseren Räumen. Wenn jemand dann merkt, dass eine Idee nicht funktioniert, profitieren unsere Nutzer:innen von der Möglichkeit zur Vertragsgestaltung ohne Mindestlaufzeiten. Genauso kann jemand auch dauerhaft bleiben, wenn das Konzept aufgeht“, erklärt Christoph Anneler die Idee hinter dem Pionierkonzept. 

 

„Solche Projekte brauchen einen langen Atem und sind nie in einem Wurf fertig.“

Christoph Anneler, Bereichsleiter Eigentümervertretung beim Frauenfelder Amt für Hochbau und Stadtplanung

Neben den Vermietungen kümmere sich das Projektteam derzeit vor allem um viele technische Fragen: „Wer macht die Schneeräumung? Wer übernimmt die Hauswartung? Wie sieht das Schliesssystem aus? Ausserdem bereiten wir das Raumbuch auf, um einen Überblick zu bekommen, was man wo machen kann und welche Räume renovierungsbedürftig sind“, so Anneler. 

Insgesamt rechne er mit einer Zwischennutzungsphase von 8 bis 10 Jahren. „In dieser Zeit können wir Schritt für Schritt das Konzept für den Markt Thurgau umsetzen. Solche Projekte brauchen einen langen Atem und sind nie in einem Wurf fertig“, sagt Christoph Anneler. 

Statt 40 nur noch 20 Millionen aus dem TKB-Topf

Alles wäre vermutlich etwas einfacher, wenn die ursprünglich beantragten 40 Millionen Franken aus dem TKB-Topf geflossen werden. Aber diesen Antrag hatten die TKB-Projektkommission und der Kantonsrat auf die Hälfte gestutzt. Auch weil keines der Projekte mehr Geld als 20 Millionen Franken bekommen sollte, um insgesamt mehr Vorhaben unterstützen zu können. 

Natürlich habe diese Reduzierung  einen Einfluss auf das Projekt, räumt Christoph Anneler: „Wir können nicht mehr alles umsetzen, was wir uns vorgenommen hatten oder zumindest nicht mehr in dem Zeitplan, den wir ursprünglich dachten. Eine konkrete Konsequenz daraus ist auch, dass wir nicht mehr so viele Flächen günstig und unter Marktpreis anbieten können, wie wir eigentlich wollten.“ 

Je mehr öffentliche Gelder, je mehr öffentliche Nutzung

Diese Argumentation folgt der Devise, die Stadtpräsident Anders Stockholm immer vorgegeben hatte - je mehr öffentliche Gelder in die Stadtkaserne fliessen, um so mehr öffentliche Nutzung wird möglich sein.

Und was, wenn die Abstimmung am Sonntag verloren geht? Christoph Anneler überlegt kurz, sagt dann aber sehr klar: „Wenn das Stimmvolk den Projektkorb ablehnt und die 20 Millionen ausbleiben, dann muss sofort der Plan B greifen, dann braucht es einen höheren Gewerbeanteil auf dem Areal. Ansonsten wird es mit der Finanzierung schwierig.“

 

Neue Heimat für einen Stadtsaal? Die Doppelreithalle in der Frauenfeld auf dem Areal der Stadtkaserne. Grafik: Stadt Frauenfeld

Stimmungslage in der Stadt

Die Stimmungslage in der Stadt zum Projekt ist noch ein bisschen diffus. Zwei verschiedene Vereine haben sich gegründet, die die Lager ganz gut repräsentieren. Während der Verein „Stadtzentrum mit Zukunft“ negative Konsequenzen für die Händler:innen und Gewerbetreibenden in der Innenstadt durch die Belebung der Stadtkaserne befürchtet, betont der Verein „Unsere Stadtkaserne“ eher die Chancen, die das Projekt mit sich bringt. 

Tobias Lenggenhager, engagiert sich bei „Unsere Stadtkaserne“. Er sagt: „Unser Verein steht zwischen der Stadt und der Bevölkerung. Wir sehen uns als Vermittler und wollen, dass das neue Areal ein Gewinn für Frauenfeld wird. Schliesslich wird das ein Generationenprojekt werden.“ 

Was er von der Idee des „Markt Thurgau“ hält? Eine gute Idee, findet Lenggenhager. Aber: „In der breiten Bevölkerung verstehen viele noch nicht so recht, was der Markt Thurgau eigentlich sein soll und dass es kein neuer Wochenmarkt ist. Hier muss die Stadt noch viel stärker und klarer kommunizieren.“ 

Auch Platz für Betriebe jenseits des Thurgau?

Eine grosse Herausforderung werde es sein, ausreichend Interessent:innen für die grosse Fläche zu gewinnen. „Die Stadt muss aktiv auf mögliche Nutzerinnen und Nutzer zugehen. Bei der Grösse der Fläche wird man sich allerdings auch für Betriebe ausserhalb des Thurgaus öffnen müssen“, glaubt Lenggenhager. 

Grundsätzlich sei er aber optimistisch: „Wenn im Erdgeschoss attraktive Nutzungen einziehen und möglicherweise die Doppelreithalle zur neuen Stadtsaal umfunktioniert wird, dann bin ich zuversichtlich, dass auf dem Areal etwas Aussergewöhnliches entstehen kann.“

 

Neuer Stadtsaal für Frauenfeld: In der Doppelreithalle auf dem Areal der Stadtkaserne könnte dieser Saal als Ersatz für das Stadtcasino entstehen. Grafik: Stadt Frauenfeld

 

Neuester Trumpf: Ein neuer Stadtsaal in der Doppelreithalle?

Die historische Doppelreithalle (aus dem Jahr 1861) ist der neueste Trumpf der Stadt in Sachen Stadtkaserne. Nach den grossen Debatten um einen möglichen Verkauf des Stadtcasino, schlägt die Stadt nun vor, einen Stadtsaal in die Doppelreithalle auf dem Areal der Stadtkaserne einzurichten. Eine Vorstudie dazu hat die Stadt bereits erstellen lassen. 

Das Ergebnis: Der Bau eines neuen Stadtsaals dort wäre umsetzbar. „Alle Flächen des heutigen Casinosaals hätten auch in der Doppelreithalle und dem nördlichen Nebengebäude Platz“, erklärte das Frauenfelder Amt für Hochbau und Stadtplanung in einer Medienmitteilung Mitte Mai. Es könnte eine weiterer Mosaikstein sein, der das komplette Areal an der Stadtkaserne weiter aufwertet.

„Unser übergreifendes Ziel ist, hier etwas zu ermöglichen, was sonst nicht möglich wäre.“

Christoph Anneler, Bereichsleiter Eigentümervertretung beim Frauenfelder Amt für Hochbau und Stadtplanung

Christoph Anneler bleibt einstweilen gelassen, er kennt sich mit solchen Umnutzungsprojekten aus. Er hat bereits für die SBB Immobilien ein ähnliches Vorhaben begleitet. „Ein solches Projekt ist immer eine Herausforderung. Es braucht Visionen und ein Gespür für Räume, was man wo machen kann. Unser übergreifendes Ziel ist, hier etwas zu ermöglichen, was sonst nicht möglich wäre“, sagt er. 

Die Serie zum „127-Millionen-Paket“

In den nächsten Wochen bis zur Abstimmung am 18. Juni werden wir bei thurgaukultur.ch die Projekte mit Kulturbezug in einer redaktionellen Serie detaillierter vorstellen. Alle Beiträge bündeln wir im dazugehörigen Themendossier.

 

Zu den einzelnen Beiträgen:

 

Stiftung Drachenburg und Waagturm Gottlieben (2 Millionen Franken)

Die Projektidee umfasst den Kauf, die Renovation, den Umbau und die Modernisierung der historischen Gebäude Drachenburg, Waaghaus und Rheineck in Gottlieben, um diese und deren Umgebung wirtschaftlich zu beleben und als touristischen und gastronomischen Ort zu erhalten.

 

Schloss Luxburg (1 Million Franken)

Ziel hier ist die Sanierung des denkmalgeschützten Schlosses Luxburg in Egnach, um einen öffentlichen Ort für Aufenthalt und Begegnung im Sinne der regionalen Nachhaltigkeit zu schaffen

 

Vermittlungssteg Seemuseum Kreuzlingen (630.000 Franken)

Das Seemuseum Kreuzlingen möchte einen Vermittlungssteg bauen, um die Identifikation mit dem Lebensraum Bodensee zu stärken, das Verständnis für die Umwelt rund um den Bodensee zu fördern und um als generationsübergreifender Freizeit- und Lernort zu dienen.

 

Wasserschloss Hagenwil Sanierung (1,44 Millionen Franken)

Mit den Geldern soll die Sanierung des Wasserschlosses Hagenwil unterstütz werden, um den Erhalt dieses Kulturdenkmales auf Jahrzehnte hinaus zu sichern.

 

Schaufelraddampfer (3,13 Millionen Franken)

Bau eines eleganten, ökologischen und klimaneutralen, mit Pellets befeuerten Schaufelraddampfers für Untersee und Rhein. Damit will der Verein «Pro Dampfer» die Freizeit- und Ferienaktivität in dieser Region bereichern.

 

Pier 8590 Romanshorn (2 Millionen Franken)

Diese Idee beinhaltet die Erstellung eines Piers mit einer Plattform oder einem offenen Pavillon über dem Flachwasserbereich als Abschluss des Hafenboulevards, um den Oberthurgau und den öffentlichen Raum am Hafenbecken aufzuwerten.

 

Thurgauer Kultur- und Erlebniszentrum Weinfelden (10 Millionen Franken aus dem TKB-Topf angefordert)

Ziel ist es ein Kultur- und Erlebniszentrum für den Thurgau zu schaffen. Mit einem Markt für Nahrungs-, Genuss- und Heilmittel aus dem Thurgau sowie einer Eventhalle für
kulturelle, wirtschaftliche und sportliche Anlässe für die Thurgauer Bevölkerung.

 

Markt Thurgau Frauenfeld (20 Millionen Franken)

Hier geht es um die Umnutzung des Kasernenareals in Frauenfeld. Dort soll der so genannte Markt Thurgau eingerichtet werden. Mit den Geldern aus dem TKB-Topf sollen nicht nur die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude als bauliche Monumente erhalten, sondern vor allem auch der öffentliche Zugang sichergestellt und der Ort für den ganzen Kanton belebt werden. Es sollen Betriebe angesiedelt und die frei werdenden Räume, Flächen und Plätze möglichst kostengünstig an Startups, Vereine, Marktbetreibende, Kleingewerbe und Veranstaltende sowie kreative Gastronomen abgegeben werden.

 

Kloster Fischingen Sanierung (20 Millionen Franken)

Die baudenkmalerische Substanz soll erhalten und belebt werden. Das Kloster soll ein Begegnungsort mit einem attraktiven Besucherzentrum und einer neuen Gartenanlage werden, die weit über den Kanton hinausstrahlen.

 

Zur gesamten Botschaft des Regierungsrats für die Abstimmung am 18.Juni geht es hier.

 

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