von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 02.06.2023
Ein Treffpunkt für 6000 Menschen
TKB-Projekte, Teil 7: In Weinfelden soll ein Thurgauer Erlebnis- und Kulturzentrum entstehen. Dort könnten dann auch grössere Konzertevents stattfinden. (Lesedauer: ca. 5 Minuten)
Die bislang grösste Eventhalle des Thurgau steht in Kreuzlingen. Rund 6000 Zuschauer:innen passen stehend in die Bodensee-Arena. Eine solche Halle für den Kanton ist zu wenig, findet Gregor Wegmüller. Deshalb hofft der Geschäftsführer der Messe Weinfelden bei der Volksabstimmung zur Verwendung der 127 Millionen Franken aus den TKB-Anteilsscheinen am 18. Juni auf ein „Ja“ von den Stimmbürger:innen. Denn dann könnte sein Plan eines Thurgauer Erlebnis- und Kulturzentrums in Weinfelden einen Schritt weiterkommen.
„Für Konzerte mit namhafteren Künstler:innen muss man heute noch mindestens bis Winterthur oder Zürich fahren. Das muss nicht mehr so sein, wenn wir das Erlebnis- und Kulturzentrum bauen können, denn dann können wir das mitten im Kanton anbieten“, findet Gregor Wegmüller. Auch in Weinfelden könnten dann Events mit bis zu 6000 Zuschauer:innen (stehend) stattfinden, bekanntere Künstler:innen müssten dann keinen Bogen mehr um den Thurgau machen, „weil wir mehr Hallenpotenzial mit entsprechender Grösse anbieten könnten“, folgert Wegmüller.
Das Zauberwort Multifunktionalität - und seine Tücken
Tatsächlich geht die Vision des Erlebnis- und Kulturzentrums über den Konzertbetrieb hinaus. Multifunktionalität lautet das Zauberwort. Und so will die neue Halle auf 3500 Quadratmetern mindestens drei verschiedenen Nutzungsarten gerecht werden. Neben Kulturveranstaltungen (Comedy, Schlager, Musical, Shows, Konzerte) sollen das Wirtschafts- und Sportanlässe sein. „Das Ziel ist, dass die Halle fast jeden Tag genutzt wird“, erklärt Wegmüller. Dazu zählt für ihn auch Trainingsflächen für Weinfelder Sportvereine bereitzustellen. Das sei aber noch in Abklärung.
„Das Ziel ist, dass die Halle fast jeden Tag genutzt wird.“
Gregor Wegmüller, Geschäftsführer Messe Weinfelden
Was bei der politischen Überzeugungsarbeit für das Projekt hilfreich sein kann, macht die konkrete Umsetzung am Ende vermutlich kompliziert. Denn: Wer so verschiedenen Nutzungen wie Sport, Kultur und Tagungen gleichzeitig gerecht werden möchte, der wird jedem einzelnen nur so ungefähr gerecht, ein Kompromiss ist unvermeidbar. Gregor Wegmüller ist zuversichtlich, dass es dennoch eine für alle Nutzer:innen annehmbare Lösung geben wird.
Die gute Nachricht: Es gibt bereits einen Standort
Die gute Nachricht für die Projektbefürworter:innen ist - einen möglichen Standort haben die Initiant:innen bereits. Das Kultur- und Erlebniszentrum soll auf einem Parkplatz am Betriebszentrum der TKB entstehen: „Der Bahnhof ist nur 9 Minuten Fussweg entfernt“, sagt Messe-Geschäftsführer Wegmüller. Mit den bisherigen Eigentümern gebe es dazu bereits eine Absichtserklärung.
Die schlechte Nachricht für das Vorhaben ist: Die Finanzierung enthält einige Variablen, von denen noch nicht absehbar ist, wie sie sich entwickeln werden. Ursprünglich hatten Wegmüller und seine Mitstreiter:innen auf 12 Millionen Franken aus dem TKB-Topf gehofft. Die nachträgliche Reduzierung auf 10 Millionen durch die Spezialkommission und den Kantonsrat habe natürlich Einfluss auf die Gestaltung des Baus, räumt Gregor Wegmüller ein.
Die schlechte Nachricht: Die Finanzierung ist noch wacklig
Aktuell werde mit Kosten von 18 Millionen Franken für den Bau kalkuliert. Neben den 10 Millionen aus den TKB-Anteilen, sollen weitere zwei bis drei Millionen aus den Eigenmitteln der Messe kommen und zusätzlich 3 Millionen von der Stadt Weinfelden. Dieser städtische Zustupf müsste aber in einer eigenen Volksabstimmung, voraussichtlich Ende 2023 oder Anfang 2024, von den Weinfelder Stimmbürger:innen angenommen werden.
Langfristig rechnet Wegmüller mit Betriebskosten von 1,1 bis 1,7 Millionen Franken pro Jahr (je nachdem welche genauen Ausprägungen). Ziel ist es, dass sich das Ganze finanziell selbst trägt. Für den alltäglichen Betrieb will die Messe Weinfelden eine eigene Betriebsgesellschaft gründen, in der sich idealerweise alle Kompetenzen bündeln, die das neue Haus braucht.
Wie das Haus aussehen könnte, ist noch offen
So oder so - das Bau-Budget ist mit 18 Millionen Franken eher bescheiden für ein solches Projekt. Das weiss auch Gregor Wegmüller: „Es wird keinen Prachtbau geben, aber wir wollen architektonisch schon ein Zeichen setzen.“ Die Frage ist, inwieweit man das mit einer multifunktionalen Drei-Feld-Halle schaffen kann.
Ganz grundsätzliche Fragen zur Machbarkeit des Projektes wurden schon in einer Diplomarbeit bewertet. „Das ist eine gute Grundlage für die weiteren Schritte“, findet Wegmüller. Sollte das Volk den Vorschlag am 18. Juni annehmen, würde auch die architektonische Planung fortschreiten in Form einer ersten Vorstudie. Für die städtische Abstimmung müsse man schliesslich zeigen können, wie das neue Haus aussehen soll.
Eine neue Plattform für Kulturschaffende?
Was dem Messe-Geschäftsführer wichtig ist - die neue Halle soll keine Konkurrenz zu bestehenden Institutionen und Anbietern werden. „Dadurch, dass wir die Halle auch aufteilen können, könnten auch regionale Kulturschaffende und Institutionen dort eigene grössere Veranstaltungen machen für die sie bislang keinen Ort haben.“
Für die Thurgauer Kulturtreibenden könnte so auch eine neue Plattform entstehen, ist Wegmüller überzeugt. Die Mindestgrösse für Veranstaltungen im neuen Haus soll bei rund 600 Zuschauer:innen liegen.
Läuft das Kongressgeschäft überhaupt noch?
Da Wirtschaftsanlässe, Tagungen und Messen auch eine Säule der langfristigen Finanzierung sein sollen, stellt sich noch die Frage: Wie läuft das Kongressgeschäft nach der Pandemie überhaupt? Braucht es diese Treffen noch oder kann man das nicht längst alles viel bequemer digital erledigen?
Gregor Wegmüller widerspricht. Und nennt ein Beispiel: „Die Wega hatte in diesem Jahr mehr Besucher als vor der Pandemie. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen jetzt erst recht wieder physische Begegnungen und echte Treffen wollen. Ich bin überzeugt, dass das gemeinsame Erlebnis vor Ort auch weiterhin Zukunft hat“, so der Messe-Geschäftsführer.
Und was wenn, die Abstimmung am 18. Juni negativ ausfällt? „Ohne die TKB-Gelder ist das Projekt voraussichtlich gestorben. Das muss man so klar sagen. Allein aus eigenen Mitteln können wir das nicht stemmen“, sagt Wegmüller.
Ohne TKB-Mittel stirbt das Projekt
Eingeplant sind bislang auch noch Flächen für einen so genannten Thurgau-Markt. „Um die Marke Thurgau noch besser erlebbar zu machen, soll auch eine Art «Thurgau-Markt» angegliedert werden, in dem regionale Spezialitäten und Genussprodukte, sowie aus der Region stammende Heil- und Kosmetikmittel angeboten und präsentiert werden“, heisst es auf der Internetseite zum Projekt.
Das klingt sehr nach dem Konzept des „Markt Thurgau“, des ebenfalls auf der TKB-Liste stehenden Vorhabens aus Frauenfeld. „Nach der Abstimmung am 18. Juni werden wir uns mit den Frauenfelder Kollegen dazu beraten, wer was macht und wo wir uns allenfalls ergänzen können“, sagt Wegmüller.
Abgesehen davon: Der Messe-Geschäftsführer sieht seine Stadt jetzt auch mal wieder am Zug. Weinfelden habe lange kein kantonales Grossbauprojekt mehr bekommen. „Mit der Realisierung des Thurgauer Kultur- und Erlebniszentrums würde auch die Region Mittelthurgau wieder einmal von einem solchen Bau profitieren“, findet Gregor Wegmüller.
Die Serie zum „127-Millionen-Paket“
In den nächsten Wochen bis zur Abstimmung am 18. Juni werden wir bei thurgaukultur.ch die Projekte mit Kulturbezug in einer redaktionellen Serie detaillierter vorstellen. Alle Beiträge bündeln wir im dazugehörigen Themendossier.
Bereits erschienen sind Beiträge zu:
Stiftung Drachenburg und Waagturm Gottlieben (2 Millionen Franken)
Die Projektidee umfasst den Kauf, die Renovation, den Umbau und die Modernisierung der historischen Gebäude Drachenburg, Waaghaus und Rheineck in Gottlieben, um diese und deren Umgebung wirtschaftlich zu beleben und als touristischen und gastronomischen Ort zu erhalten.
Schloss Luxburg (1 Million Franken)
Ziel hier ist die Sanierung des denkmalgeschützten Schlosses Luxburg in Egnach, um einen öffentlichen Ort für Aufenthalt und Begegnung im Sinne der regionalen Nachhaltigkeit zu schaffen
Vermittlungssteg Seemuseum Kreuzlingen (630.000 Franken)
Das Seemuseum Kreuzlingen möchte einen Vermittlungssteg bauen, um die Identifikation mit dem Lebensraum Bodensee zu stärken, das Verständnis für die Umwelt rund um den Bodensee zu fördern und um als generationsübergreifender Freizeit- und Lernort zu dienen.
Wasserschloss Hagenwil Sanierung (1,44 Millionen Franken)
Mit den Geldern soll die Sanierung des Wasserschlosses Hagenwil unterstütz werden, um den Erhalt dieses Kulturdenkmales auf Jahrzehnte hinaus zu sichern.
Schaufelraddampfer (3,13 Millionen Franken)
Bau eines eleganten, ökologischen und klimaneutralen, mit Pellets befeuerten Schaufelraddampfers für Untersee und Rhein. Damit will der Verein «Pro Dampfer» die Freizeit- und Ferienaktivität in dieser Region bereichern.
Pier 8590 Romanshorn (2 Millionen Franken)
Diese Idee beinhaltet die Erstellung eines Piers mit einer Plattform oder einem offenen Pavillon über dem Flachwasserbereich als Abschluss des Hafenboulevards, um den Oberthurgau und den öffentlichen Raum am Hafenbecken aufzuwerten.
Thurgauer Kultur- und Erlebniszentrum Weinfelden (10 Millionen Franken aus dem TKB-Topf angefordert)
Ziel ist es ein Kultur- und Erlebniszentrum für den Thurgau zu schaffen. Mit einem Markt für Nahrungs-, Genuss- und Heilmittel aus dem Thurgau sowie einer Eventhalle für
kulturelle, wirtschaftliche und sportliche Anlässe für die Thurgauer Bevölkerung.
Es folgen bis zum 18. Juni noch:
Markt Thurgau Frauenfeld (20 Millionen Franken)
Hier geht es um die Umnutzung des Kasernenareals in Frauenfeld. Dort soll der so genannte Markt Thurgau eingerichtet werden. Mit den Geldern aus dem TKB-Topf sollen nicht nur die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude als bauliche Monumente erhalten, sondern vor allem auch der öffentliche Zugang sichergestellt und der Ort für den ganzen Kanton belebt werden. Es sollen Betriebe angesiedelt und die frei werdenden Räume, Flächen und Plätze möglichst kostengünstig an Startups, Vereine, Marktbetreibende, Kleingewerbe und Veranstaltende sowie kreative Gastronomen abgegeben werden.
Kloster Fischingen Sanierung (20 Millionen Franken)
Die baudenkmalerische Substanz soll erhalten und belebt werden. Das Kloster soll ein Begegnungsort mit einem attraktiven Besucherzentrum und einer neuen Gartenanlage werden, die weit über den Kanton hinausstrahlen.
Zur gesamten Botschaft des Regierungsrats für die Abstimmung am 18.Juni geht es hier.
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter
- Der vierte Neuanfang im siebten Jahr (19.12.2024)
- „Wir müssen wieder lernen, Widerspruch zuzulassen.“ (16.12.2024)
- Adrian Bleisch gibt Galerie auf (16.12.2024)
- Die Qual der Wahl (16.12.2024)
- Die Welt hinter dem Vorhang (10.12.2024)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Kulturpolitik
Kommt vor in diesen Interessen
- Kulturförderung
- Pop
- Kabarett
- Blues
- Schlager
Ist Teil dieser Dossiers
Ähnliche Beiträge
Neun mögliche Wege aus der Raum-Krise
Wie könnte man den Mangel an Räumen für Kultur im Thurgau beheben? Darüber diskutierten die Gäste des neuen Dialogformats „Kultur trifft Politik!“ in Kreuzlingen. mehr
Der vierte Neuanfang im siebten Jahr
Beim Kreuzlinger Kulturzentrum Kult-X bleibt der Wandel die Konstante: Geschäftsführerin Noemi Signer wechselt ans Theaterhaus Thurgau, Eve Hübscher übernimmt die Leitung ab Januar. mehr
Trübe Aussichten
Wenn die Einnahmen nicht steigen, müssen die Ausgaben sinken: Was das Ergebnis der Budgetberatungen des Kantonsparlaments für die Kultur im Thurgau bedeutet. mehr