von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 21.01.2025
Die Angst vor dem Anderen
Das KAFF ist die kulturelle Heimat vieler junger Menschen in Frauenfeld. Trotzdem müssen sie immer wieder um Anerkennung in der Politik kämpfen. Warum eigentlich? (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Manche Dinge kann man nur persönlich nehmen. Zum Beispiel als der Gemeinderat der Stadt Frauenfeld Mitte Dezember dem KAFF (Kulturarbeit für Frauenfeld) eine geplante Zuschusserhöhung denkbar knapp mit 20 zu 19 Stimmen strich, da haben das viele der im KAFF engagierten jungen Menschen sehr persönlich genommen. Wie könnte es auch anders sein, wenn diese Kürzung um 15’000 Franken (von 50’000 auf 35’000) die einzige Kürzung in einem 100-Millionen-Budget sind? „Das war keine finanzielle, sondern eine politische Entscheidung“, ist Gino Rusch auch einen Monat später noch überzeugt. Rusch sitzt im Vorstand des Vereins projektKAFF.
Die Enttäuschung, die sich in den Reihen des KAFF nach dem Entscheid breit machte, hat auch eine Vorgeschichte. Schon den Standort am Unteren Mätteli mussten sich die jungen Menschen gegen hartnäckig sich haltende Vorurteile erkämpfen. Die grosse Angst im bürgerlichen Politiklager: Es könnte mit städtischen Zuschüssen eine zweite Reitschule wie in Bern (die hat gerade ganz eigene Probleme) entstehen. Die gilt als Bastion der linken bis sehr linken Alternativkultur in der Schweiz und alleine der Gedanke daran scheint manche:n konservativen Politiker:in um den Schlaf zu bringen. Dabei hat das KAFF in den vergangenen Jahren nichts getan, was diesen Verdacht auch nur halbwegs bestätigen würde.
Grosses Engagement: Mehr als 3’000 Stunden Freiwilligenarbeit
Die Statistik des Vereins zählt stattdessen eher bemerkenswerte Dinge auf: 90 Veranstaltungen fanden im KAFF 2024 statt, 4’000 Zuschauer:innen kamen zu diesen Anlässen. Und das alles realisiert im Wesentlichen durch ehrenamtliches Engagement: 3’000 Stunden Freiwilligenarbeit hat das KAFF dokumentiert. „Dank dieser Ausrichtung können wir unsere Veranstaltungen zu erschwinglichen Preisen oder sogar kostenlos anbieten, um möglichst vielen Menschen den Zugang zu ermöglichen“, schrieb der KAFF-Vorstand in einer Medienmitteilung nach dem Entscheid des Frauenfelder Stadtrats im Dezember.
Darin schreiben sie auch klar: „Einen nicht-kommerziellen Kulturbetrieb mit mehreren Veranstaltungen pro Woche zu führen, geht nicht ohne Unterstützung. Neben viel Freiwilligenarbeit müssen einzelne kleine Pensen entlöhnt werden.“ Die Zuschusskürzung der Stadt Frauenfeld haben sie im KAFF nicht nur als Misstrauensvotum aus der Politik verstanden, sondern auch als Bedrohung ihrer weiteren Arbeit. „Für das KAFF wäre dieser Betrag essenziell gewesen, um unseren Mengen an Veranstaltungen und Angeboten gerecht zu werden und unsere Arbeit unserem Qualitätsanspruch entsprechend aufrecht zu erhalten.“
Innerhalb des KAFF habe man den Entscheid des Gemeinderats auch als inkonsequent wahrgenommen. «Es ist uns gelungen auch mit Geldern der Stadt Frauenfeld diesen Ort erst aufzubauen und dann werden nicht die Mittel bereit gestellt, die es braucht für den Betrieb. Dabei war immer transparent und klar, welche Mittel dafür notwendig sind. Das erscheint und nicht richtig durchdacht", sagt Gino Rusch gegenüber thurgaukultur.ch
„Das war keine finanzielle, sondern eine politische Entscheidung.“
Gino Rusch, Vorstand KAFF, zu den Zuschusskürzungen im Gemeinderat Frauenfeld.
Ein Spielball zwischen Stadt und Kanton?
Das ganze Jahr 2024 war für das KAFF auch deshalb eine grosse Herausforderung, weil es lange keine Planungssicherheit gab. Die Budgetdiskussionen im Frauenfelder Gemeinderat sorgten dafür, dass Zahlungen aus Leistungsvereinbarungen ausblieben bis zur finalen Verabschiedung des Budgets. „Gleichzeitig hatten wir den Eindruck, dass der politische Kampf zwischen Kanton und Stadt um die Finanzierung von Kultur auf unserem Rücken ausgetragen wurde“, sagt Gino Rusch. Denn: Der Kanton drängte darauf, dass auch die Stadt ihre Finanzierungszusage einhält. Und behielt sich vor, selbst Beiträge zu kürzen, wenn die Stadt dies tue.
Am Ende kam es anders. Nur wenige Tage nach der Kürzung aus der Lokalpolitik, sicherte der Regierungsrat des Kantons dem KAFF seine Unterstützung zu. Der Jahresbeitrag von 80’000 Franken aus dem Lotteriefonds blieb unangetastet. In der Medienmitteilung dazu heisst es: „Seit der Gründung im Jahr 2005 bietet der Verein in Frauenfeld ein alternatives Kulturprogramm für eine junge Zielgruppe und ist eine feste Grösse in der Thurgauer Kulturlandschaft.“
Der Kanton zeigt die Bedeutung des KAFF auf
In Teilen liest sich die Medienmitteilung auch wie eine Antwort auf die Frauenfelder Gemeinderatsentscheidung. Betont wird jedenfalls die positive Wirkung des KAFF. Zum Beispiel hier: „Nebst dem Veranstaltungsprogramm bietet der Verein einen Musikraum, ein Atelier und andere Räumlichkeiten mit Infrastruktur zu günstigen Tarifen für junge Kulturschaffende oder für soziale Organisationen und ermöglicht jungen Freiwilligen auf einfache Weise das Aneignen von Know-how in den Bereichen Bar, Technik und Veranstaltungsmanagement.“
Für das KAFF war das zwar eine schöne Nachricht, es löst aber nicht das Grundproblem der Unterfinanzierung. „Wir haben uns sehr über diese Zusage vom Kanton gefreut, aber diese 80’000 Franken sind Teil unseres Jahresbudgets. Man kann also nicht sagen, dass diese Zuschüsse die ausgebliebenen Zuschüsse der Stadt aufwiegen. Für die Zahl an Veranstaltungen, die wir anbieten und den Qualitätsanspruch, den wir damit verbinden, brauchen wir sowohl die Gelder vom Kanton als auch die von der Stadt“, sagt Gino Rusch im Gespräch mit thurgaukultur.ch
Und jetzt? Entweder Einnahmen erhöhen oder Ausgaben senken
Stellt sich jetzt vor allem die Frage: Welche Konsequenzen werden die finanziellen Einbussen haben? „Wir geben nicht auf. Das KAFF lebt und soll weiterleben“, sagt Gino Rusch. Aber klar sei eben auch: „Wir werden uns beschränken müssen.“ Wie genau das aussehen soll, das werde man intern in den nächsten Wochen beraten.
Eine erste Annäherung daran hatte der KAFF-Vorstand bereits Mitte Dezember skizziert: „Ob Veranstaltungen seltener werden müssen, ob wir auf weitere finanzielle Ressourcen zurückgreifen müssen, wie ein Crowdfunding, KAFF-Merchandise oder eine Soliparty, steht noch in den Sternen. Aber eins ist klar: Wir werden nicht unsere Preise erhöhen, damit das KAFF auch eben dieser Ort für alle bleiben kann.“
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