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von Brigitta Hochuli, 09.03.2011

Louis Chevrolet

Louis Chevrolet
Bild aus Martin Sinzigs Buch über Louis Chevrolet | © shot/tgk

Martin Sinzig hat über den „Mann, der dem Chevy seinen Namen gab“ ein Buch geschrieben. Rechtzeitig zum 100-Jahr-Jubiläum einer grossen Marke.

Brigitta Hochuli

Martin Sinzig wirkt bedächtig und eher emotionslos. Doch sitzt er im schneeweissen Vinyl-Lederpolster seiner eigenhändig restaurierten roten Chevelle Malibu SS (Super Sport) und schnurrt deren V8-Motor, dann zeigt Martin Sinzig Gefühle. „Es isch wiä Musig i de Ohre.“ Sinnlich wie der Sound der Classic Rock-Band Grand Funk Railroad.

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Als fünfjähriges Kind hatte der heute 48jährige Journalist und Bauernsohn aus dem thurgauischen Berg ein Schlüsselerlebnis. Mit über 200 Sachen ging‘s im Oldsmobile des Freundes seines Grossvaters über die Autobahn im Aargau. „Das war der Anfang meiner Leidenschaft und ist mir ewig geblieben.“

Vor Ort recherchiert

Aus der Leidenschaft ist ein Buch geworden. Martin Sinzig, der seit 20 Jahren regelmässig Verwandte in Amerika besucht, hat vor Ort in Detroit, Flint und Indianapolis recherchiert, was aus dem Mechaniker, Autorennfahrer und Konstrukteur Louis Chevrolet (1878-1941) geworden ist, nachdem er aus dem jurassischen La Chaux-de-Fonds zuerst nach Frankreich, dann nach Kanada und in die USA ausgewandert war. Das Werk kommt am 16. April in die Buchhandlungen und gerade richtig zum 100-Jahr-Jubiläum einer grossen Marke, wie es im Beschrieb des Verlags Huber heisst.

In der Schweiz vergessen

Louis Chevrolet war in der Schweiz vergessen gegangen. Erst zum 50. Todestag 1991 sei an ihn erinnert worden, erzählt Martin Sinzig. Da habe sein eigener Amerikatraum konkrete Konturen angenommen. Er wollte mehr wissen über den Mann, denn: „Was für eine Lebensgeschichte!“ Ein Glück, dass Martin Sinzigs Cousinen und Cousins in der Nähe der Chevrolet-Mutterfirma General Motors in Detroit im Staat Michigan wohnen. Ein Glück auch, dass sein früherer Journalistenkollege Hanspeter Ryser bei GM arbeitet und mit Connections half. So startete Sinzig im Sommer 2007 mit seinen Nachforschungen in Archiven, Bibliotheken, bei GM selbst und auf Streifzügen auf Chevrolets Spuren im Mittleren Westen der USA.

Gespräche mit Pinky

Das machte keine Mühe. „In Amerika geht alles sehr ring“, sagt Martin Sinzig. Ihm gefallen die pragmatisch zupackende Art und die Hilfsbereitschaft der Amerikaner. Personen, die den schon mit 63 Jahren verstorbenen Louis Chevrolet noch gekannt haben, hat Sinzig zwar nicht getroffen. Aber Pinky! Der habe noch Chevrolets Witwe gekannt. Die Gespräche mit Pinky, der so heisst wegen seiner rosa Backen, seien die schönsten gewesen. Nach und nach füllte sich so das Idol mit Leben und den Attributen eines jungen Draufgängers, der Tempo und Risiko ebenso geliebt habe wie schöne Frauen und starke Motoren.

Weder verarmt noch anonym

Für sein Buchprojekt bekam Martin Sinzig weder ideell noch finanziell Unterstützung. Er hat denn auch Respekt vor den Menschen, die es lesen werden. Sinzig hat ein gutes Gefühl, weil er weiss, dass sein Buch von Herzen kommt und er der erste ist, der es zum Markenjubiläum auf den Markt bringt. Kurz umrissen hat er auch die Firmengeschichte, vom ersten Tourenwagen bis zum Elektrofahrzeug Chevrolet Volt, dem heutigen Hoffnungsträger des Konzerns. Kommt hinzu, dass Sinzig mit der Vorstellung aufräumt, Louis Chevrolet sei verarmt und anonym gestorben. Vielmehr sei aus dem berühmten Rennfahrer ein geachteter Mann geworden, der bis zum Tod ein mittelständisches Leben geführt habe. Das Faszinierende neben der Karriere: „Es ist die klassische Integrationsgeschichte eines Auswanderers, der dank seiner Siege als Rennfahrer schon bald als Amerikaner vereinnahmt wurde.“

Nur Wasserdampf

Martin Sinzig rast heute nicht mehr mit 200 Sachen über die Autobahn. Mit seiner roten Chevelle Malibu SS nimmt er‘s gemütlich. Und er betont die gute Umweltbilanz. Modelljahr 1964, erstmals zugelassen in der Schweiz am 5. Dezember 1963 in Basel, sei es ein mittelgrosses Fahrzeug mit Leichtbaukonstruktion. Sein Achtzylindermotor verbrauche überland 10 bis 11 Liter, in Stadt und hügeligem Gebiet 12 bis 14 Liter pro 100 km mit Super Bleifrei 98. Und die Abgase? Sicher entspreche die Technik nicht dem heutigen Umweltstandard, aber die Abgaswerte seien erstaunlich gut. „Der sichtbare Ausstoss aus den beiden Auspuffrohren ist kein Schmutz, sondern nur Wasserdampf!“

*****

Martin Sinzig, Louis Chevrolet. Der Mann, der dem Chevy seinen Namen gab, 200 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 39.90 Franken, Verlag Huber Frauenfeld 2011; ab 16. April in den Buchhandlungen in einer Auflage von 3000 Exemplaren

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