von Brigitta Hochuli, 14.06.2018
Musikschule Kreuzlingen sucht Verbündete
Den Verantwortlichen der Musikschule Kreuzlingen, Zentrum für Musik und Tanz, machen veraltete Strukturen zu schaffen. Im Interview beschreibt Vorstandspräsident Bernhard Weber, wo’s brennt.
Herr Weber, warum sollen Kinder eine Musikschule besuchen? Wie beantworten Sie die Elternfrage?
Musizieren ist pädagogisch wertvoll. Der griechische Philosoph Platon riet sogar, im ersten Schuljahr ausschliesslich Musik zu unterrichten, weil man nirgends sonst so schnell höre, ob man richtig oder falsch lerne. Das kann man auch auf andere Lernprozesse übertragen. Mein eigener Unterricht als Biologielehrer ist von dieser Bedeutung des Übens, des Fortschritts und des Mutschöpfens beeinflusst.
Der Winterthurer Bernhard Weber ist seit 2003 Prorektor der Pädagogischen Maturitätsschule (PMS) in Kreuzlingen und unterrichtet dort seit seiner Promotion 1991 Biologie. In der Schulleitung befasst er sich unter anderem mit Schulentwicklung, Weiterbildung oder Qualitätsmanagement.
Sein Weg war alles andere als vorgezeichnet. Er verliess vorzeitig die Schule und machte eine Drechslerlehre. „Drechseln war damals genau das richtige“, sagt er. Doch danach zog es ihn nach Griechenland. Ein Jahr lang arbeitete er in einem Heim für behinderte Jugendliche und fertigte mit ihnen Holzspielzeug. Griechenland und die griechische Sprache und Musik gehören für den heute 60-Jährigen Familienvater immer noch zum Leben. In einer Band für griechische Balkanmusik spielt er Gitarre und singt griechische Texte.
Liebt und pflegt griechische Balkanmusik: Bernhard Weber, Vorstandspräsident der Musikschule Kreuzlingen, in seinem Haus in Kreuzlingen. Bild: Brigitta Hochuli
Seit vier Jahren sind Sie Präsident des fünfköpfigen Vorstands der Musikschule Kreuzlingen (MSK). Was hat sie an dieser Aufgabe gereizt?
Einerseits habe ich schon früher gerne Öffentlichkeitsarbeit gemacht, zum Beispiel für den Tierpark oder die Stadtbibliothek Büecherbrugg. Bei der MSK reizte mich die Verbindung von Musik und Pädagogik. Die Aufgabe entspricht mir, und ich kann aus meinen Erfahrungen in der PMS schöpfen, die ihrerseits ein hohes Interesse an der MSK hat. Wir haben vereinzelt gemeinsame Lehrkräfte und anlässlich von Veranstaltungen gegenseitige Kontakte.
Das Engagement als Vorstandspräsident der MSK entspricht einem unbezahlten Zehn- bis Fünfzehnprozent-Pensum. Bernhard Weber schreckt das aber nicht. Es brauche auch etwas Idealismus im Leben. Ausserdem seien seine Söhne jetzt 12 und 17 Jahre alt, der Zeitpunkt zum Einsteigen also günstig gewesen. Als Präsident leitet er die Vorstandssitzungen, entwickelt neue Themen und verantwortet die Strategie der Schule. „Es brennt ständig irgendwo!“
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen MSK und PMS?
Zunächst einmal ein quantitativer. An der staatlichen PMS werden 550 Lernende von ca 100 Lehrpersonen ganztägig unterrichtet. An der MSK erhalten 1100 Schülerinnen und Schüler Einzelunterricht. Fast 1300 sind es, wenn man die Mehrfachbelegungen mitzählt. Die Lehrerschaft teilt sich insgesamt 65 Hundertprozent-Stellen. Zum zweiten gibt es einen grossen rechtlichen Unterschied. Die PMS ist gesetzlich geregelt und entsprechend gänzlich kantonal finanziert. Die MSK ist vor 41 Jahren von einem privaten Verein gegründet worden und immer noch so organisiert. Den jährlichen Finanzbedarf von 2 Millionen Franken decken wir zum Teil mit Elternbeiträgen. Der Kanton bezahlt die Hälfte der Jugendlektionen und die Stadt Kreuzlingen unterstützt uns mit jährlich 150‘000 Franken in Form einer Mietzinsreduktion und mit dem Gebäudeunterhalt.
Ist diese doch aufwendig anmutende Struktur für eine Musikschule denn noch sinnvoll?
Das ist eine berechtigte Frage. Der Verein hat zu viele operative Aufgaben. Zum Beispiel läuft der Budgetprozess mit jeder einzelnen Zahl durch den Vorstand. Da vermischen sich operative und strategische Ebene. Zudem ist der Verein auch Arbeitgeber. Man stelle sich vor, zehn Personen könnten an einer Generalversammlung die ganze Geschäftsstruktur der MSK über den Haufen werfen. Eine Gruppe könnte den Verein übernehmen und theoretisch alle Angestellten entlassen. Eigentlich ist das verantwortungslos.
Der Vereinspräsident spricht von einer unergiebigen Struktur der Schule. Was die Alternative wäre, wisse er allerdings noch nicht. Eigentlich müsste es zwei verschiedene Vereine geben - einen von der GV unabhängigen geschäftsführenden und einen Freundeverein für die Lobby-Arbeit. Oder es bräuchte ein Musikschulgesetz und damit die Legitimation durch das Volk. Ohne gesetzliche Grundlage aber bestehe für alle Beteiligten grosse Unsicherheit. Denn die kantonalen Unterstützungsbeiträge könnten von einem Tag auf den andern gestrichen werden.
Was unternehmen Sie konkret, Herr Weber?
Der Vorstand macht sich zusammen mit der Schulleitung intensiv Gedanken über notwendige Entwicklungen und zukunftsfähige Strukturen. Wie jedes Jahr machen wir im April eine Klausurtagung zu diesen Themen. Immerhin ist es gelungen, ab dem nächsten Schuljahr den Stufenanstieg von 1 Prozent für die Lehrpersonen einzuführen. Das ist aber nach wie vor viel zu wenig. Die Lehrpersonen haben alle einen Master und seit 20 Jahren mehr oder weniger den gleichen Lohn. Ausserdem verdienen sie weniger als ein Primarlehrer und haben ganz schwierige Arbeitszeiten. Leider sind wir im Vorstand zurzeit durch die Alltagsarbeit absorbiert. Doch die Probleme sind erkannt. Wir müssen Verbündete suchen!
***
Das Interview ist erstmals erschienen in der 2. Ausgabe des News-Magazins MiX der Musikschule Kreuzlingen vom Mai 2018.
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