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von Brigitta Hochuli, 29.05.2018

Kult-X in WM-Stimmung: Das etwas andere Public Viewing

Kult-X in WM-Stimmung: Das etwas andere Public Viewing
Einstimmung auf das Public Viewing Serbien-Schweiz am 22. Juni: Adrian Langenegger und Valentin Huber (v.li). | © Brigitta Hochuli

Am 22. Juni findet im Kreuzlinger Kult-X das Public Viewing des WM-Fussballspiels Serbien-Schweiz statt. Musikalisch begleitet von Balkan- und Appenzeller-Musik, organisiert vom Kulturverein kultling.

Sie machen ein wenig Theater. thurgaukultur hat zur Veranschaulichung ihres Vorhabens um einen Auftritt mit einem Fussball gebeten. Mitgebracht haben Valentin Huber ein Akkordeon und Adrian Langenegger einen Volleyball. Zum Gaudi führen sie auf der abbruchreifen Rampe zum Kreuzlinger Kulturzentrum Kult-X eine kleine Session durch.

Adrian Langenegger ist Maschinenbau-Ingenieur und macht eine gute sportliche Figur; Valentin Huber spielt ausgezeichnet Akkordeon. Eine Videoaufnahme ihrer kleinen Performance zu veröffentlichen, verbietet Huber unter Androhung einer zivilrechtlichen Klage. Er lacht. Schliesslich sei er nicht nur Lehrer, sondern auch Jus-Student. Und vorallem wolle er Goran Kovačević keine Konkurrenz machen.

Denn darum geht‘s: Goran Kovačević wird im Duett mit dem Saxofonisten Peter Lenzin und zusammen mit dem Appenzeller Space Schöttle am 22. Juni im Kult-X das Public-Viewing des WM-Spiels Serbien-Schweiz bespielen.

Gekickt beim FC Schaffhausen

Der Akkordeonist, Komponist und Dozent Goran Kovačević ist auch Fussballer. Bis zum 20. Lebensjahr hat er aktiv beim FC Schaffhausen gespielt. Profi zu werden, war eine Option, bis er sich für die Musik entschied. Noch heute kickt der 47-Jährige, besucht Fussballspiele in ganz Europa, lässt sich bei einer Fernsehübertragung ungern stören. „Ich bin fussballvernarrt.“ Goran Kovačević ist in Schaffhausen geboren und bis zur 2. Primarklasse in Serbien aufgewachsen. Seine musikalischen Wurzeln hat er im Herkunftsland, beim Fussball ist er neutral. „Es ist mir egal, wer am 22. Juni gewinnt. Hauptsache, beide Mannschaften kommen weiter.“ Die Prognose? „Unentschieden!“

Disziplinen verbinden

Valentin Huber und Adrian Langenegger sind Freunde und brauen zusammen das Xlinger Bier. 2015 haben sie den Verein kultling gegründet. Huber gehört auch zum Betreiberteam des Kult-X.


Adrian Langenegger und Valentin im Kult-X-Saal, wo das Fussball-Public Viewing stattfindet. Bild: Brigitta Hochuli

Mit dem Public-Viewing wollen sie „Disziplinen verbinden und Leute zusammenführen“: die genialen Musiker, den Wurst-Metzger, den Bierbrauer, den Techniker und natürlich die Gäste. „Wir wollen den Fussball kulturell oder die Kultur sportlich untermalen“, sagt Valentin Huber. Vorbereitet sind die Organisatoren schon heute. Technische Lösungen für die Live-Übertragung sind angedacht. Die Nachbarn sind eingeladen. „Jetzt muss einzig noch das Spiel gut laufen.“

«Kult-X ist cool», findet Goran Kovačević

Es war Goran Kovačević, der die Idee zum Public Viewing hatte. „Valentin kannte ich schon, als der noch ein Kind war“, erzählt er. Seit vielen Jahren spielt er zu den Stücken des See-Burgtheaters. Und Huber ist der Sohn des Kreuzlinger Intendantenpaars Leopold Huber und Astrid Keller. Das Kulturzentrum Kult-X finde er cool. „Die machen Sachen, die nicht alltäglich sind.“ Im November hat er hier schon den zweiten Konzert-Auftritt in diesem Jahr.

Für das Fussballspiel sollte es aber etwas Unkonventionelles sein. Passend zu den Ländern der Mannschaften wird vor und nach dem Match Balkan-Jazz und Appenzeller Musik gespielt. Und beides spontan kombiniert. Goran Kovačević schwärmt vom Appenzeller Space Schöttl. Töbi Tobler (Hackbrett) und Ficht Tanner (Kontrabass) sprengten die Grenzen der Tradition bis zum Rock und zur freien Improvisation.“Gemeinsam wollen wir zeigen, dass Musik auch über Landesgrenzen hinweg verbindet.“

Und so klingt das Zusammenspiel von Balkan und Appenzell. Goran Kovačević 2016 mit dem „Appenzeller Echo“:

Wie viel der Balkan und das Appenzell miteinander zu tun haben, zeigt ein Blick in die Geschichte. „Die musikalische Verbindung reicht bis in die Zeit der Völkerwanderung zurück, als vor 300 Jahren Ungarn, Rumänen und Serben nach Appenzell kamen“, erklärt Goran Kovačević. „Man sieht es heute noch an den ähnlichen Trachten und den Ohrringen.“

„Versprengte Hunnen“

Die Appenzeller hätten die eigenste der Schweizer Volksmusiken, so Goran Kovačević. Sie habe viele Moll-Passagen und ungewöhnliche harmonische Wendungen. Sie sei im Lauf der Zeit von verschiedensten Einflüssen geprägt worden, etwa auch von der Kaffeehausmusik im 19. Jahrhundert. Streichmusikformationen gebe es sonst nirgends in der Schweiz, das Hackbrett komme aus Indien und das Schweizer Örgeli gebe es bei den Appenzellern nicht. Während Goran Kovačevićs Instrument, das Akkordeon, für den Balkan durchaus das Nationalinstrument sei.

Unter dem Titel „Der Gang zu den Müttern“ (siehe angehängtes pdf), beschrieb der Thurgauer Publizist, Dürrenmatt-Biograf und Jazzkenner Peter Rüedi 1993 in der Kulturzeitschrift „Du“ den modernen „Sound des Alpenraums“. „Der ,Appenzeller Space Schöttl‘ hat, wie der Name sagt, die Füsse im Alpstein und den Kopf in der Milchstrasse und praktiziert einen nicht nur ironischen Reflex von Appenzeller Volksmusik (die, auch in den Streichmusik-Formationen, an die Musik aus dem ungarischen Tiefland erinnert und an die Theorie, die Appenzeller seien ihrer Herkunft nach versprengte und sesshaft gewordene Hunnen).“


Appenzeller Space Schöttl: Töbi Tobler, Hackbrett, und Ficht Tanner, Kontrabass. Bild: pd

 

Essay Gang zu den Müttern.pdf

 

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