von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 23.09.2019
Wohin mit dem Geld?
Kulturförderung ist ein schwieriges Geschäft: Irgendwer ist immer unzufrieden. Warum es sich trotzdem lohnte, auf mehr Dialog mit den Künstlerinnen und Künstlern zu setzen.
Wer Geld zu verteilen hat, kann sich wahlweise sehr beliebt oder auch sehr unbeliebt machen. In welche Richtung das Pendel ausschlägt, hängt immer davon ab, wen man fragt: Die, die Geld bekommen haben oder jene, die leer ausgingen. Institutionen, die Kultur fördern, kennen dieses Dilemma nur zu gut. Was man auch tut, irgendwer findet es immer falsch.
Markus Landert, Direktor des Kunstmuseum Thurgau, hat das mal sehr schön zusammengefasst: „Wer nur die Qualität als Massstab gelten lässt, betreibt reine Elitenförderung. Wer die finanzielle Situation der Kulturschaffenden berücksichtigt, setzt sich der Kritik aus, Sozialarbeit zu betreiben. Wer nur junge Künstlerinnen und Künstler unterstützt, übersieht, dass auch bei vermeintlich arrivierten Positionen der Schub eines Förderpreises entscheidende Entwicklungen ermöglichen kann und dass mit Förderpreisen eben auch eine nicht unwichtige Anerkennung verbunden ist.“
Aus dem Lotteriefonds fliessen bis 2022 fast 44 Millionen in die Kultur
Damit ist die Problemlage der Kulturförderung ziemlich exakt umschrieben. Und trotzdem muss man ja einen Weg finden damit umzugehen. Erst recht, wenn so viel Geld im Spiel ist, wie bei der Förderung des Thurgauer Kulturlebens aus dem Lotteriefonds. Zur Erinnerung: Fast 10,8 Millionen Franken werden von 2019 bis 2022 jährlich aus dem Lotteriefonds in ganz verschiedene kulturelle Projekte fliessen.
In den vergangenen Jahren wurde immer mal wieder darüber diskutiert, ob die Verteilung dieser Mittel gerecht und transparent abläuft. Mit dem Pianisten und Komponisten David Lang stellt das jetzt allerdings erstmals ein Künstler öffentlich in Frage (den ausführlichen Bericht dazu gibt es hier). Für seine Musical-Produktion „Runggle Buur“ in Mammern hätte er gerne 40’000 Franken bekommen, erhalten hat er 20’000 Franken. Dass Lang die Debatte in der Öffentlichkeit führt, ist mutig und richtig. Damit holt er das so wichtige Thema aus dem Murmelbereich heraus. Es gibt jetzt die Chance ganz offen darüber zu reden, ohne Hand vor dem Mund. Wenn dies nicht in ein destruktives Gemotze ausartet, ist das erstmal eine gute Nachricht.
Das Kulturamt hat kluge Mechanismen gegen Routinen eingebaut
Denn: Man kann dem kantonalen Kulturamt nicht vorwerfen, dass es sich des Problems nicht bewusst wäre. Die Verantwortlichen haben in den gesamten Prozess kluge Mechanismen eingebaut, die schleichende Routinen und blinde Flecken verhindern sollen.
Alle Konflikte kann das trotzdem nicht verhindern, dazu sind alle Beteiligten - Förderer wie Geförderte - auch zu sehr Mensch. Was könnte man also besser machen?
Ein Schlüssel: Entscheidungen besser erklären
Jurys müssen entscheiden, das ist ihre Aufgabe. Jedes Votum für ein Vorhaben, ist bei begrenzten Mitteln damit auch ein Votum gegen ein anderes Projekt. Diese grundsätzlichen Spielregeln müssen auch die Kulturschaffenden akzeptieren. Der Punkt aber ist: Sie können es umso besser akzeptieren, je transparenter und nachvollziehbarer die Entscheidungen erklärt werden.
Statt also in einem Entscheid nur grob zu umreissen, warum ein Projekt nicht oder geringer gefördert wurde, könnte man den Betroffenen doch die detaillierte Kritik der beurteilenden FachreferentInnen zukommen lassen. Es wäre auch ein Zeichen der Wertschätzung, weil es deutlich machte, dass sich die Gremien wirklich aufrichtig mit dem Gesuch beschäftigt haben.
Die Populärkultur sollte auch einen Platz in den Jurys haben
Oder: Wenn populärkulturelle Formate wie Musicals gefördert werden sollen, dann wäre es doch auch konsequent in der Jury ExpertInnen für solche Formate zu haben, statt diese von Vertretern der Hochkultur bewerten zu lassen.
Worüber man auch reden sollte: Gibt es so etwas wie ein Zentrum-Peripherie-Gefälle bei der Beurteilung von Gesuchen? Mit anderen Worten: Haben es Projekte aus dem Hinter- oder Oberthurgau schwerer bei den Jurys, als Projekte aus Frauenfeld oder Kreuzlingen? Und wenn ja: Hat das wirklich etwas mit der Geographie zu tun oder liegt es vielleicht auch an der Qualität der eingereichten Gesuche? Aus der aktuellen Kulturförderpolitik des Kantons lässt sich jedenfalls objektiv keine Benachteiligung der Peripherie herauslesen. Trotzdem gibt es im Ober- und Hinterthurgau regelmässig das Gefühl, zu kurz zu kommen. Bei David Lang war das ein Argument, auch im Ringen um das Historische Museum Thurgau wird das immer wieder spürbar. Es wäre klug, dies im Auge zu behalten.
Werden bestimmte Regionen in der Kulturförderung benachteiligt?
Der Fall David Lang zeigt, dass Gerechtigkeit eine schwierige Grösse in künstlerischen Auswahlprozessen ist. Letztlich sollte die Qualität entscheiden. Wenn sich allerdings jemand neunmal vergeblich um einen Förderbeitrag des Kantons bewirbt und gleichzeitig sieht, dass MitbewerberInnen den Beitrag schon dreimal erhalten haben, dann ist das kaum noch zu vermitteln. Dann kann man das fast nur noch als persönlichen Affront wahrnehmen.
Deshalb wäre es vielleicht eine gute Idee, den gesamten Entscheidungsprozess nochmal auf mögliche Schwachstellen zu durchleuchten. Warum zum Beispiel nicht auch in einem Workshop gemeinsam mit den Kulturschaffenden? Das böte Chancen für alle Beteiligten: Förderinstitutionen könnten auf mehr Akzeptanz für Juryentscheidungen hoffen und Künstlerinnen und Künstler erhielten durch diese Einbindung ein Zeichen der Wertschätzung. Wer wollte sich dem verweigern?
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