von Maria Schorpp, 20.11.2023
Wenn es der Paarberater auch nicht besser weiss
Schaut man von draussen drauf, wird’s schaurig-lustig: Die Frauenfelder Theaterwerkstatt Gleis 5 zeigt in einer Kooperation mit dem Ensemble zapzarap Daniel Glattauers Komödie „Die Wunderübung“ und wirft einen ungetrübten Blick auf den Ehealltag. Nicht zuletzt sind grossartige Songs zu hören. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Ist der Entschluss, zur Paarberatung zu gehen, ein gutes Zeichen? Quasi der letzte Versuch, das Ruder rumzureissen, um dem ehelichen Schiffbruch auszuweichen? Sollte man meinen. Bei Joanna und Valentin sieht es aber nicht danach aus. Sie scheinen sehenden Auges auf das Ende zuzusteuern. Wenn man bei den beiden noch von sehenden Augen sprechen kann. So sehr haben sie sich in ihrem Beziehungskrieg verloren, dass alle Vernunft längst über Bord gegangen ist.
Das klingt ernst, ist es auch, aber wie es in Frauenfeld mitzuerleben ist, kann es nur eine Konsequenz geben: Gelächter. Dort gibt eine Kooperation der freien Bühne Theaterwerkstatt Gleis 5 und des Ensembles zapzarap Gelegenheit, von aussen auf solche Eheszenarien zu blicken. Es scheint, der Autor Daniel Glattauer musste für seine Komödie „Die Wunderübung“ gar nicht so sehr nach den Pointen suchen. Sie ergeben sich allein kraft eines ungetrübten Blicks auf den Beziehungsalltag. Stimmt natürlich nicht ganz, es braucht auch die Stärke, solch ein Desaster beim Zusehen auszuhalten.
Besuch beim Eheberater
Steckt man nämlich mitten drin, wie Joanna und Valentin, ist einem der Zynismus, der sich aus der Enttäuschung speist, zur zweiten Natur geworden. Bei der Analyse der Gründe für die unfrohen Gefühle soll der Eheberater behilflich sein. Mit Betonung auf behilflich. Die beiden scheinen aber zu meinen, er müsse liefern und eben in einer Wunderübung alle Probleme wegzaubern.
Dass hinter der Wunderübung jedoch etwas ganz anderes steckt, wird ein Überraschungscoup am Ende aufdecken. Bis es soweit ist, wird man in der Frauenfelder Theaterwerkstatt gleich neben dem Bahnhof unter der Regie von Florian Steiner quasi gezwungen, wider Willen zu lachen. Marion Mühlebach als Joanna, Jan Hubacher als Valentin und Giuseppe Spina als Paarberater nutzen den Wiedererkennungseffekt im Publikum, um ihm den Narrenspiegel vorzuhalten.
Grossartige Songs mit eigenem Sound
Die Liebe sei ein kurzes Lied, das man in die Länge zieht, heisst es da. Apropos Lied: Nun weiss man auch, weshalb im Bühnenhintergrund Gitarre, Trompete und Akkordeon abgelegt sind. Die drei singen nämlich und machen sich selbst den mitreisenden Sound dazu. Grossartige Songs, die der traurigen Wirklichkeit in der Beratungspraxis ein bisschen überhöhende Romantik mitgeben. Wobei die Arrangements durchaus die Situation widerspiegeln.
Es war ja nicht immer, wie es heute ist. Valentin war nicht immer der Ignorant, wie wahrscheinlich nicht nur sie ihn sieht. Damals, vor 17 Jahren, hat er ihr einen Adventskalender aus Walnussschalen gebastelt. Mit Selbstgedichtetem in jeder Schale. Und dann dieses Lied! „Killing me softly with his song“ aus den 70ern. Ganz grossartig performt.
Rollentausch und Entlastungsversuche
Nachdem nun in Rollenspielen geklärt ist, was die beiden voneinander halten – nicht viel Gutes –, geht’s weiter in der Biografie einer Ehe. Es ist ja nicht so, dass sich beide nicht etwas Entlastung von der Ehe-Tristesse gegönnt hätten. Da war zum Beispiel „Brischit“, eigentlich Brigitte aus Hohenstein. Ein gewisser Guido hat auch mal eine aussereheliche Rolle gespielt. Die dringlichen Einwürfe des Paarberaters, die Rollen zu tauschen, um der Vorwurfsspirale zu entkommen, werden, in Rage, wie die beiden sind, schlicht ignoriert.
Auf die Affairengeschichte folgt übrigens „Je t’aime, moi non plus“ von Serge Gainsbourg und Jane Birkin. An der einen oder anderen Stelle könnte man auf den Gedanken kommen, dass der Text lediglich Anlass für den folgenden Song abgibt. Auf die Sache mit dem Herzen in der Faust folgt „I put a spell on you“. Gehört zur Liebe der Besitzanspruch?
Wohlgetimter Schlagabtausch mit präzisen Pointen
Marion Mühlebach und Jan Hubacher bringen mit ihrem wohlgetimten Schlagabtausch viel Tempo auf die Bühne. Besonders wenn sie per Rollentausch in die jeweils andere Person schlüpfen sollen, wird’s rasant. Wenn es insbesondere um den Sex geht, wem er heute wichtiger ist, wem er mal wichtiger war, und natürlich bekommt auch die weibliche Migräne ihren Auftritt. Glattauers Text geht nicht auf der Suche nach neuen Wahrheiten, er ist perfektes Boulevard mit präzisen Pointen, die bei den dreien zum Amüsement des Publikums punktgenau sitzen.
Von seinen musikalischen Einsätzen abgesehen kommen Giuseppe Spinas grosse Szenen nach der Pause. Gibt er zuvor den etwas hilflosen, soften Therapeuten, bringt er nun mit der Frage aller Fragen – Warum trennen Sie sich eigentlich nicht? – die Wende. Adeles Song „Someone like you“ ist nun an der Reihe, in dem es um zwei Menschen geht, die es getan haben.
Mehr wird hier nicht gesagt. Soviel doch: Eheberater sind dem Geheimnis friedlicher Paarbildung offenbar auch noch nicht auf die Spur gekommen. Das könnte schon beunruhigen, wenn es aber so erheiternd daherkommt wie im Gleis 5, kann man der Sache viel abgewinnen. Vielleicht brauchen wir ja diesen täglichen Adrenalinschub. Den Beatles-Song „Octopussy’s Garden“ ist übrigens auch noch wunderbar interpretiert zu hören und noch das eine oder andere… Macht Spass.
Hier gibt's Tickets
Weitere Vorstellungen bis 21. Januar 2024 (alle Termine in der Übersicht). Karten können auf der Website der Theaterwerkstatt oder per Mail unter karten@theaterwerkstatt.ch reserviert werden.
Von Maria Schorpp
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