Seite vorlesen

von Inka Grabowsky, 16.09.2022

Sieben Wochentage, sieben Todsünden

Sieben Wochentage, sieben Todsünden

«Tanz dem Tag entlang» heisst das Musiktheaterstück, das der Autor Hans Gysi und der Komponist Ulrich Gasser gemeinsam verfasst haben. Es beruht auf einem Gedicht-Zyklus von 2015, in dem Gysi dem Charakter eines jeden Wochentags nachspürt. Uraufführung ist am 23. September.

 

«am freitag kommt der blick abhanden für das besondere dieses tages immer öfter passiert das am freitag (...)

aus «Tanz dem Tag entlang»

 

Das schildert Hans Gysi zwar in seinem «Freitag»-Gedicht, doch genau das wird ihm am Freitag, dem 23. September, nicht passieren. Denn er wird an diesem Tag im Theaterhaus Thurgau die Uraufführung seines neuen Stücks «Tanz dem Tag entlang» feiern. Initiiert hat das Projekt Ulrich Gasser, Flötist, Komponist und bis 2004 Musiklehrer an der PMS Kreuzlingen.

«Wir kennen uns schon lange, aber nachdem ich Hans in seinem Stück ‹Milchruusch› gesehen hatte, wollte ich unbedingt etwas mit ihm zusammen machen.» Gasser suchte gezielt in den Büchern des Autors und Schauspielers nach Texten, die sich für eine Vertonung anbieten würden. Fündig wurde er im Gedichtband «generalprobe» aus dem Jahr 2015. Gysi portraitiert darin jeden Tag der Woche, erforscht Vor- und Nachteile und gibt ihm eine Stimmung. «Die Texte sind vorgelesen noch besser», so Gasser. «Und am besten sind sie, wenn Hans Gysi sie liest.»

 

Schon 2015 erschien der Gedichtband „generalprobe“, in dem sich die Wochentag-Gedichte finden. © Inka Grabowsky

 

Musik potenziert, Schauspiel illustriert

Um diesen Genuss noch zu steigern, hat Ulrich Gasser Musik zu den Wochentagen geschrieben. «Es gibt vielfältige Motive, auch mal schräge Klänge. Die Musik verschafft einen humorvoll gelassenen Zugang zum Thema» erklärt er. Die Zuschauer begleiten die Künstler auf der Reise durch die Woche, vom freundlichen Beginn bis zum Kampf am Ende. Sie erleben, wie Menschen (oft vergeblich) versuchen Zeit und Leben zu meistern. «Meine Texte werden durch die Musik potenziert», meint Hans Gysi. «Es ist toll für mich zu sehen, wie sie beginnen zu leben.»

Auf der Bühne wird Gysi begleitet vom Akkordeonisten Jürg Luchsinger und der Sopranistin Catriona Bühler. «Sie verkörpert jeden Tag eine andere Rolle, von der verschlafenen Hausfrau über die Serviertochter bis zur abgekämpften Kirchgängerin», so Gasser. Gysi ergänzt: «Ich als alternder Vorleser beobachte die junge Frau. In jeder Szene gibt es ein Spannungsverhältnis durch kleine Interaktionen.» Melancholie und Situationskomik dürfen sich vermischen.

 

Ulrich Gasser schuf Musik, die das Publikum eine Stunde fesseln soll. © Inka Grabowsky

 

Grosser Aufwand

Das Projekt habe er zunächst als Geschenk empfunden, erzählt Gysi. «Wenn ein Komponist einen eigenen Text aufnimmt, ist das ein schönes Gefühl. Aber ich hatte anfangs auch viel Respekt vor der Arbeit.» Inzwischen habe sich herausgestellt, dass sie zu bewältigen sei. Die sieben Originalgedichte wurden etwas gekürzt und gleichzeitig um Bezüge zu den sieben Todsünden erweitert. Sie zu inszenieren ist Teamwork, auch wenn Gysi als Regisseur fungiert. Gasser meint: «Ich hatte beim Komponieren schon eine Vorstellung und sehe nun zu, dass die Lieder auch optisch überzeugen.» Catriona Bühler habe ebenfalls Ideen zu ihren Rollen beigesteuert.

 

Vom freundlichen Montag geht’s bergab. © Inka Grabwosky

 

Eine kleine Tournee bis in den März 2023

Drei Personen stehen beim «Liedzyklus plus» oder der «szenischen Lesung mit Musik» eine Stunde auf der Bühne. Trotz seiner langjährigen Erfahrung sei es eine Hausforderung gewesen, die Musik so zu gestalten, dass die Zuschauer konzentriert dabeiblieben, so Gasser. «Die Verbindung zwischen gesprochenen und gesungenen Anteilen ist heikel.» Auf der organisatorischen Seite braucht es Kostüme für die Sängerin, Requisiten, Bühnenbild und Beleuchtung.

Und all das muss gut transportabel sein, denn die Gruppe will nach der Uraufführung im Weinfelden noch im Zürcher Keller62 (10.11.22), im Kult-X Kreuzlingen (2.12.22), im Theater am Gleis in Winterthur (29.1.23), im Phönix Theater Steckborn (18.2.23) und schliesslich im Rathaus für Kultur Lichtensteig (17.3.23) Station machen. «Wir haben es auf diese sechs Vorstellungen limitiert, weil wir dann über Stiftungen und Sponsoren so weit finanziert sind, dass alle Beteiligten ihre Honorare bekommen», sagt Ulrich Gasser pragmatisch.

 

«Tanz dem Tag entlang»

Uraufführung am 23. September, 20.15 Uhr

im Theaterhaus in Weinfelden

Eintritt 30 Franken

weitere Informationen dazu hier.

 

 

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Bühne
  • Literatur

Kommt vor in diesen Interessen

  • Vorschau
  • Schauspiel
  • Lyrik
  • Musiktheater

Werbung

Fünf Dinge, die den Kulturjournalismus besser machen!

Unser Plädoyer für einen neuen Kulturjournalismus.

Unsere neue Serie: «Wie wir arbeiten»

Unsere Autor:innen erklären nach welchen Grundsätzen und Kriterien sie arbeiten!

15 Jahre Kulturkompass

Jubiläumsstimmen und Informationen rund um unseren Geburtstag.

#Kultursplitter im Dezember/Januar

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

Wir suchen Verstärkung!

Wir suchen eine/n SocialMedia-Redaktor:in in einem Pensum von cirka 20 Prozent. Weitere Informationen hier...

"Movie Day": jetzt für 2025 bewerben!

Filme für das 12. Jugendfilm Festival können ab sofort angemeldet werden. Einsendeschluss der Kurzfilme für beide Kategorien ist der 31.01.2025

21. Adolf-Dietrich-Preis 2025

Bewerbungsschluss: 28. Februar 2025

Ähnliche Beiträge

Bühne

Immer weiter tanzen

Das Performance Duo Schmalz/Gombas aus Tägerwilen hat mit «Fruits of life» einen Band voller Poesie in Bild und Sprache herausgebracht. Daran mitgewirkt haben internationale Künstler:innen. mehr

Bühne

Fettnapf Theaterkritik

Geschmacksrichter, Schönrednerei, auf den Punkt gebracht: Auch im Thurgau – wie überall – ist die Theaterkritik eine heikle Disziplin. Unser Autor beschreibt Lust und Tücken der Sparte. mehr

Bühne

Herr Fässler besiegt die Angst

Therapeutin trifft auf Zyniker: In der Theaterwerkstatt Gleis 5 in Frauenfeld ist mit „Herr Fässler und die Stürme der Liebe“ zu erleben, wie sich eine Puppe von ihrer Puppenspielerin emanzipiert. mehr