von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 14.12.2017
Römische Playmobil-Welten

Grosse Geschichte mit kleinen Figuren: Das Archäologische Landesmuseum in Konstanz zeigt zum 10. Mal eine Ausstellung mit Playmobilfiguren. Mit Akribie, Detailliebe und viel Humor.
Wie sie da so sitzen, die kleinen Männchen, mit ihren Handtüchern um die schmalen Plastikhüften, den Silberpokalen in ihren Händen, könnte man fast meinen, das Leben vor etwa 2000 Jahren war ein einziges Wellnessprogramm. Früchte in Schalen, herrliche Mosaike auf dem Boden, entspannte Stimmung. Ja, in manchen Momenten war das Leben bei den Römern wohl nicht so furchtbar schlecht. Das zeigt jetzt eine neue Ausstellung im Archäologischen Landesmuseum (ALM) in Konstanz, die das römische Leben vom 1. bis 4. Jahrhundert nach Christus nachzeichnet. Und das nicht irgendwie, sondern mit Hilfe von Playmobilfiguren werden einzelne Szene nachgestellt, wie eben jene eingangs geschilderte Badeszene. Dabei steht sie nicht nur für sich, sondern an ihr kann man auch erkennen, wie die Dampfbäder damals funktioniert haben. Vielleicht ist dies das wesentliche Merkmal dieser Ausstellung: Humor, Detailliebe und Wissensvermittlung gehen hier immer Hand in Hand.
Video: Wie die Ausstellung Lust macht auf Wissen
Bereits zum zehnten Mal baut das ALM nun schon grosse Geschichte mit kleinen Figuren nach. Was am Anfang noch als Idee gedacht war, um die besucherschwachen Wintermonate zu überbrücken, hat sich längst verselbstständigt. Pfahlbauten, Kelten, Konzil, Ritter, es gibt fast nichts aus der Archäologie, was die Macher in den vergangenen Jahren nicht schon auf diese Weise veranschaulicht hätten. Jetzt also die Römer. „Römisch way of life“ nennt das ALM die Schau und sie ist gewissermassen auch eine Schwester-Ausstellung zu der aktuell im Museum für Archäologie in Frauenfeld gezeigten Schau „Stadt, Land, Fluss. Römer am Bodensee“. Hier wie dort wird archäologisches Wissen aus der Region präsentiert. Allein die Vermittlungsweise unterscheidet sich. Der Anspruch ist ansonsten derselbe: „Wir wollen die Erkenntnisse aus der Archäologie wissenschaftlich exakt wiedergeben“, sagt denn auch Patrick Rau vom ALM im Gespräch mit thurgaukultur.ch Nur weil dies in Konstanz mit Playmobilfiguren geschehe, bedeute dies ja nicht, dass es belanglos sein müsse.
"Die Playmobil-Ausstellungen sind wissenschaftlich exakt, aber auch unterhaltsam": Patrick Rau vom Archäologischen Landesmuseum (ALM) Konstanz. Bild: Michael Lünstroth
In der Tat: Auf zwei grossen Plattformen haben die Macher etliche Szenen aus dem römischen Leben nachgebaut. Nicht die Legionäre stehen im Fokus, sondern das alltägliche Leben der Römer und Römerinnen, Landarbeiter, Sklaven, Gutsherren, Priestern und Kindern. Es gibt Modelle römischer Holzbrücken, römischer Strassen und ebenfalls solche von Kneipen, Tempeln, Wohn- und Badehäusern, Schiffen und einer römischen Erntemaschine. Hunderte kleine Playmobilfiguren tummeln sich in den Szenen, es gibt so viel zu entdecken, dass die Augen manchmal gar nicht hinterher kommen. Im Wesentlichen sind es fünf Lebenssituationen, die die Ausstellungsmacher nachgebaut haben: ein Zollposten mit Stationssoldaten, ein Friedhof, ein römischer Gutshof, ein Tempelbezirk und die Siedlung Tasgetium, die dort entstand, wo heute Eschenz liegt. Entlang einer mit Kies bedeckten Strasse bauten die Bewohner von Tasgetium schmale, dicht nebeneinander liegende Häuser aus Holz, Lehm und Stein, in denen man wohnte, arbeitete und Handel trieb. Das Playmobil-Modell zeigt das römische Leben in einer Buntheit, das man fast meint, das Knistern aus dem Lehmofen, das Werben der Händler, das Klirren der Amphoren und das Schnauben der Pferde, hören zu können.
Man kann Stunden hier verbringen und entdeckt immer noch Neues
Auf einer eigenen Plattform kann man Einblicke in das Leben auf einem römischen Gutshof bekommen. Derlei Höfe befanden sich meistens im Umland grössere Siedlungen, alleine das Hofareal war teilweise mehr als fünf Hektar gross, die Bewirtschafttungsfläche lag zwischen 40 und 80 Hektar. Eine abstrakte Zahl, aber wenn man sich vorstellt, dass 80 Hektar mehr als 100 Fussballfelder sind, wird die Dimension greifbarer. Wie es in diesen Villa rustica zuging, zeigt die Ausstellung in vielen Facetten. Und nicht nur das. Sie erklärt auch, wie es um das Zusammenleben der Religionen stand, wie Werkzeug hergestellt, Brücken gebaut, Handel getrieben und geliebt wurde. Die Inszenierungen sind so aufwändig gestaltet, dass das ALM rund ein Jahr vor Ausstellungsbeginn mit der Arbeit beginnen muss. Die meisten Figuren stammen zwar aus dem Playmobil-Sortiment, aber einzelne Elemente bauen die Ausstellungsmacher entweder selbst nach oder lassen es über einen 3D-Drucker produzieren. „Die grösste Freude ist es immer, die einzelnen Szenen zu stellen“, sagt Patrick Rau vom ALM. Dabei entstehe dann auch viel von dem Witz, den die Ausstellungen immer ausmachten.
Die Mühe der Macher lohnt sich: Man kann problemlos Stunden in dieser bunten Welt verbringen und entdeckt immer noch was Neues. Vielleicht ist das eine der grössten Leistungen der Ausstellung: Dass sie zwar wissenschaftlich exakt arbeitet, aber trotzdem nicht bierernst daher kommt. Und: Dass sie für Kinder wie Erwachsene funktioniert und jeder auf seine Weise angesprochen wird. Es empfiehlt sich allerdings die Ausstellung mit einer Führung zu besuchen. Zwar gibt es Erklärtafeln zur Schau, aber die sind zum einen recht kurz geraten, und zum anderen lässt sich in einer Führung das römische Leben nochmal anders erleben und nachempfinden.
Playmobil? Interessiert sich kaum für die Ausstellung
Wer nun eine grosse Marketing-Aktion des Herstellers Playmobil hinter der Ausstellung vermutet, liegt falsch: „Bei unserer ersten Playmobil-Ausstellung hat uns das Unternehmen mit 3000 Euro unterstützt, inzwischen gibt es das nicht mehr. Auch die einzelnen Figuren kaufen wir selbst zum Einkaufspreis bei Playmobil ein“, sagt Patrick Rau. Aufgeben wolle man diese Form der Wissensvermittlung trotzdem nicht. Das Format ist einfach zu beliebt.
Vielleicht liegt das auch an dem bei jeder Playmobil-Ausstellung wiederkehrenden Zug, der die Plattform umkreist. Egal ob Kelten, Pfahlbauten, Konzil oder jetzt die Römer - auf den Zug wird nicht verzichtet, auch wenn das historisch nicht korrekt ist. „Aber die Kinder mögen die Bahn, deshalb bauen wir sie immer wieder ein“, erklärt Patrick Rau.
Termin: Die Ausstellung ist bis zum 24. Februar 2019 im Archäologischen Landesmuseum (Benediktinerplatz 5, Konstanz) zu sehen. Geöffnet: Dienstag bis Sonntag und feiertags: jeweils 10 - 18 Uhr. Eintritt: 5 Euro; Kinder (zwischen 6 und 18 Jahren): 1 Euro; jüngere Kinder kommen kostenlos ins Museum. Jeden 1. Samstag im Monat Eintritt ins gesamte Haus inklusive Sonderausstellung frei. Das komplette Begleitprogramm zur Ausstellung gibt es hier
Weiterlesen: "Wir bieten mehr als alte Steine": Ein Interview mit ALM-Direktor Jörg Heiligmann können Sie hier lesen
Mehr Bilder aus der Ausstellung:
Das Archäologische LandesmuseumDie Geschichte: Das Archäologische Landesmuseum (ALM) wurde 1992 in den Räumen eines früheren Benediktinerklosters eröffnet. Das Bild links zeigt den modernen Anbau für die Schifffahrtsgeschichte. Seit Türöffnung wurden hier und an anderen Orten insgesamt 206 Ausstellungen gezeigt. Das ALM war federführend an mehreren grossen Landesausstellungen beteiligt. Zuletzt zum Beispiel 2016 in den Zweigmuseen Bad Buchau und Bad Schussenried mit der Schau "4000 Jahre Pfahlbauten" Allein in dem Haus in Konstanz verzeichnete das Museum nach eigenen Angaben bis einschliesslich Januar 2017 799 135 Besucher. In die sieben in Baden-Württemberg verteilten Zweigmuseen kamen weitere rund 1,4 Millionen Menschen. Die grossen Landesausstellungen besuchten demnach etwa 820 000 Gäste. Unter dem Strich macht das zusammen rund drei Millionen Besucherinnen und Besucher. Interessant dabei: rund 50 Prozent der Besucher in Konstanz sind Kinder und Jugendliche. Und noch eine Zahl: In 25 Museumsjahren gab es 11772 Führungen, davon waren 4310 für Schulklassen.
Anfahrt: So finden Sie das ALM
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