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von Inka Grabowsky, 27.01.2025

Neuigkeiten auf allen Ebenen

Neuigkeiten auf allen Ebenen
162 mal die Thur, gesehen von Max Bottini | © Inka Grabowsky

Max Bottini, Thi My Lien Nguyen und Isabelle Krieg: Das Jahr 2025 steht im Kunstmuseum im Zeichen Thurgauer Künstler:innen. Auch sonst tut sich einiges in der Kartause Ittingen. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

«Ich habe mehr als mein halbes Arbeitsleben in der Kartause verbracht», sagt der scheidende Procurator Heinz Scheidegger vor seiner letzten Jahres-Pressekonferenz vor der Pensionierung. «Da hat man schon gemischte Gefühle.» Doch er freue sich, mit Mark Ziegler einen guten Nachfolger als Geschäftsführer der Stiftung zu haben. 

Der 45-jährige Hotelfachmann und Betriebswirt ist allerdings kein Neuling, was die Kartause Ittingen betrifft. Er habe als Kind unten in der Mühle gewohnt, dort, wo jetzt das tecum den «Zwischenhalt in klösterlicher Umgebung» anbietet. «Die Kartause stiftet Sinn», sagt er. «Deshalb fasziniert sie mich.» Er wolle das Motto der Stiftung: «Beleben und bewahren» erweitern zu «Beleben, bewahren und entwickeln.» 

Neuer Geschäftsführer in der Kartause

Das «Bewahren» für das laufende Jahr stellt noch einmal Heinz Scheidegger vor: In den Sommerferien geht das Projekt nach und nach alle Dächer zu erneuern, in die nächste Phase. Dieses Mal ist die Remise dran. Beschädigte Ziegel werden ersetzt, die Wärmedämmung ergänzt. Zum «Beleben» werden einmal mehr die Ittinger Pfingstkonzerte beitragen. 

 

Leitet erneut die Ittinger Pfingstkonzerte: die Violinistin Isabelle Faust. Bild: Archiv

Isabelle Faust leitet Ittinger Pfingstkonzerte

Die Künstlerische Leiterin Isabelle Faust widmet die 29. Ausgabe Robert Schumann, dessen Werke in Bezug zu zeitgenössischer klassischer Musik gesetzt werden. Ausserdem beteiligt sich die Stiftung mit eigenen Aktionen am Jubiläum der Rebsorte «Müller-Thurgau». Zum einen ist es 175 Jahre her, das der Züchter Hermann Müller geboren wurde, zum anderen jährt sich die legendäre Schmuggelfahrt vom Arenenberg über den See nach Hagnau zum hundertsten Mal. 

«Wir haben deshalb zehn Winzer gebeten, uns je 200 Kilo Müller-Thurgau-Trauben zu bringen, und daraus ein spezielles Cuvée gekeltert», so Scheidegger. Einige Flaschen wurden bereits ungefiltert abgefüllt und auf dem Wasserrad im  Kartause-Restaurant befestigt. «Nun sind wir gespannt, ob die regelmässige Bewegung die Hefe im unfertigen Wein besonders aktiviert und sich der Wein anders entwickelt.» Bei einem Weinfest am 25. Mai sollen Proben verkostet werden. 

Neu im Ittinger Museum: Ein Themenraum über Weinbau

Das Ittinger Museum widmet dem Weinbau in der Kartause ab 6. April einen neuen Themenraum. Seit dem Mittelalter wurden in Ittingen Trauben gekeltert und in eigener Küferei auch Fässer gebaut. «Der Reichtum des Klosters beruht auf den Weinanbau, der Verarbeitung und dem Handel», so Kurator Felix Ackermann. 

Ansonsten ist er mit der Vorbereitung einer Ausstellung zu Reliquien beschäftigt. «Es geht uns dabei um die Heilserwartungen der Gläubigen durch die Präsenz der Heiligen, aber auch um die Präsentation der sterblichen Überreste. Und wir schlagen eine Brücke in die Gegenwart. Schliesslich sind Autogrammkarten und Trikots von prominenten Fussball-Spielern auch eine Möglichkeit, eine Beziehung zu jemanden aufzunehmen, der nicht körperlich anwesend ist.» Ein Workshop innerhalb der Ausstellung soll die Möglichkeit geben, zeitgenössische «Reliquien» selbst herzustellen. 

 

Mark Ziegler übernimmt die Aufgabe als Procurator der Stifuntung von Heinz Scheidegger. Bild: Inka Grabowsky

Kunstmuseum mit kleinen und grossen Ausstellungen

«Unser Programm ist divers», sagt der Direktor der Museen, Peter Stohler. «Kunst besteht eben nicht aus einem Block.» Mit Max Bottini habe man derzeit eine kleine Ausstellung von einem gereiften Maler. Mit Thi My Lien Nguyen zeige man im Sommer die Werke einer jungen Frau von dreissig Jahren, und mit Isabelle Krieg folge im Herbst eine Künstlerin der mittleren Generation. «Sie findet unter dem Titel ‹unendlich endlich› grosse Zusammenhänge im Kleinen, Unscheinbaren.»  

Max Bottini hat zwischen 2020 und 2023 162 kleinformatige Gemälde der Thur geschaffen. «Insgeheim mag ich den Fluss», sagt der 68-Jährige aus Uesslingen, «auch wenn er in weiten Teilen mehr wie ein Kanal aussieht. Es gibt bereits kleine Teile, in denen die Revitalisierung funktioniert hat und Libellen, Salamander und Bodenbrüter zurückkehren.» 

Gastkuratorin zeigt Sammlung in neuem Licht

Anlass seiner Bildserie war die Isolation während der Corona-Zeit. Er besuchte die Thur, um der Enge des Ateliers zu entkommen: «Mal nachts, mal tagsüber; mal bei Trockenheit und mal bei wüstem Wetter. So ist diese Hommage entstanden.» Ein bequemes Sofa gegenüber der 30-Quadratmeter-Wand erlaubt es, alle 162 Bilder auf sich wirken zu lassen. 

Die Ausstellung zu «Sammeln. Bewahren. Teilen», die Gastkuratorin Miriam Edmunds zusammengestellt hat, mutet besonders gross an. Sie zeigt in sieben Räumen über 800 Werke, die 2022 bis 2024 neu ins Kunstmuseum kamen – sei es als Schenkung oder als Ankauf. «Sie sind alle vertreten, aber nicht unbedingt sichtbar», erklärt sie ihr Konzept. «Einige befinden sich noch in ihren Transportkisten, einige sind gestapelt. Wir wollen den Besuchenden einen Eindruck vermittelt, wie es in unserem Depot aussieht – nur eben etwas durchgestylt.» 

 

Gastkuratorin Miriam Edmunds konnte aus dem Vollen schöpfen und zeigt ihre Auswahl aus Neuzugängen zwischen 2022 und 2024. Bild: Inka Grabowsky

Aussenseiterkunst wird auch 2025 eine Rolle spielen

Wie an den Bilderrechen dort hängen nun Bilder nebeneinander, die nichts anders gemein haben als das Datum ihres Erwerbs. «Wer sich darauf einlässt, erkennt Trends», so Edmunds. «Schenkungen, die wir annehmen, weil sie ein Konvolut ergänzen, können älteren Datums sein. Ankäufe sind eigentlich immer von zeitgenössischen Kunstschaffenden.» Das vergangenen Jahr sei offenkundig «Fotografie-lastig» gewesen, meint sie mit einem Lächeln. 

Ausserdem zu sehen: Die Himmelleiter von Vincent Fournier (ab 27. April), die Privatsammlung Heiner Hoerni (ab 23. Mai) und eine Schau zur Aussenseiterkunst unter dem Motto «Vom selben Stern» (ab 5. Juni).

 

Die Ankäufe 2023 sind divers. Bild: Inka Grabowsky

 

Gedenken an den Bauernkrieg im tecum

Spiritualität ohne ein berührbares Zeugnis ist das Thema des Zentrums «tecum» von der Evangelischen Landeskirche. «Etwas von der Ruhe der Kartäuser klingt hier noch nach», sagt Leiter Thomas Bachofner. «In der Welt herrschen stürmischen Zeiten, da braucht es einen Ort, an dem man die Kunst des Seins lernen kann.» Dazu dient ein vielfältiges Programm

Gleichzeitig aber gedenken die tecum-Organisatoren des Bauernkriegs, der vor 500 Jahren die Region jenseits des Rheins erschütterte. Auf einer Pilgerwanderung am 10. und 11. Mai vom deutschen Hilzingen bis zur Kartause soll erspürt werden, mit welchen Nöten sich die Landwirte 1525 herumplagten. «Die Wanderung erinnert auch an demokratische Gehversuche», so Bachofner. 

 

Thomas Bachofner, Heinz Scheidegger , Mark Ziegler und Peter Stohler präsentieren gemeinsam ds Programm der Kartause Ittingen. Bild: Inka Grabowsky

 

 

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