von Inka Grabowsky, 20.06.2023
Jetzt mal Ruhe hier!
Vom Stillsitzen zur aktiven Teilhabe: Das Schulmuseum in Amriswil widmet sich in der neuen Wechselsaustellung der Geräuschkulisse im Klassenzimmer. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
«Als ich in den sechziger Jahren zur Schule ging, wagten wir nicht zu hinterfragen, was der Lehrer erläuterte», erzählt Rita Nüesch-Widmer, die Verantwortliche für das Ressort «Ausstellungen» im Schulmuseum. «Er stellte Fragen, wir antworteten. Eine konstruktive Gesprächskultur, die heute Ziel ist, gab es noch nicht. Wie diese Entwicklung verlaufen ist, zeigen wir hier.»
Das Schulmuseum präsentiert die Geschichte der Kommunikation im Klassenzimmer seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Dabei geht es um die Themenbereiche Reden, Schweigen und Zuhören. Und weil jeder Mensch bei der Kommunikation eigene Schwächen und Stärken hat, dürfen die Besucher sich spasseshalber einem Test unterziehen, der sie dann zum zuverlässigen Gürteltier oder zum fleissigen Biber erklärt.
Papagei, Fuchs, Strauss oder Bär stehen bei der Bestimmung des Kommunikationstyps auch zur Auswahl. «Wir standen vor der Herausforderung, ein Kommunikationsmodell leicht verständlich zu erklären», sagt Yvonne Joos, die Leiterin des Ressorts «Vermittlung» und Mitinitiantin des Museums. Sie ist selbst Germanistin und räumt ein, dass das Spiel etwas plakativ ist. «Je nach Gruppe, die hier eine Führung bucht, können wir die Kommunikationsmodelle mehr oder weniger wissenschaftlich vertiefen.»
Aus Bern übernommen
Es ist die fünfte Wechselausstellung in der 21-jährigen Geschichte des Schulmuseums, die erste in Kooperation mit einer anderen Institution. Die Amriswiler haben die Ausstellung vom Schulmuseum Bern gekauft, überarbeitet und mit eigenen Anschauungsobjekten ergänzt.
«Wir wollten unseren Rhythmus von neuen, grösseren Wechselausstellungen erhöhen und dabei bot sich thematisch die Kooperation mit unserem Partnermuseum in Bern an», so Rita Nüesch-Widmer. «Es ist auch ein Wagnis», meint Yvonne Joos. «Wir hatten naturgemäss keinen Einfluss auf die Schwerpunktsetzung der Themen.»
Ausstellung soll fortlaufend ergänzt werden
Sie illustriert das am Beispiel der Texttafeln, die sich mit der Reformpädagogik befassen. «Die Berner haben – sicher auch aufgrund der Nähe zu Frankreich – ein Portrait von Celestin Freinet gewählt, der um 1920 eine partizipative Pädagogik entwickelte. Mir persönlich wären Fröbel oder Montessori wichtiger gewesen.»
Das Museumsteam hat sich allerdings vorgenommen, die Ausstellung, die über zwei bis drei Jahre zu sehen sein soll, immer mal wieder zu ergänzen. Maria Montessoris Ideen zur Kommunikation in der Schule haben also noch eine Chance.
Zusätzliche Objekte und Geschichten gesucht
Es gibt viel zu lesen in der Ausstellung, aber auch viel zu bestaunen oder auszuprobieren – zum Beispiel eine Bach’sche Waage, mit der der Erfinder August Bach Anfang des 20. Jahrhunderts erreichen wollte, dass Schülerinnen und Schüler durch gemeinsames Experimentieren eine Lösung für ein mathematisches Problem entwickeln.
Andere Objekte fehlen Yvonne Joos noch, eine historische «Liegende Acht» beispielsweise, mit der man in der Montessori-Pädagogik Kinder zur Ruhe bringt und – ganz ohne Computerspiel – die Hand-Auge-Koordination trainiert. «Wir würden aber auch gerne Anderes zeigen, was etwas mit der Thema Kommunikation im Klassenzimmer zu tun hat. Dafür sind wir auf die Erinnerungen und Leihgaben der Bevölkerung angewiesen», sagt Joos.
Wer «nur» eine Geschichte, nicht aber ein Anschauungsobjekt zur Verfügung stellen möchte, kann das über TiM – Tandem im Museum - tun.
Kein-Mucks-Monster und Redestab
Im Museumsgarten basteln zur Vernissage Kinder eigene Exponate. Ihre niedlichen «Kein-Mucks-Monster» sitzen mal auf und mal im Konfi-Glas. «Wenn es im Klassenraum leise sein soll, dann darf es raus», erklärt die neunjährige Serafine. Das Monster von Lisa ist auf besonders brave Schulkinder angewiesen: «Es ist für das Glas zu gross, deshalb bleibt es draussen», sagt die Achtjährige.
Als nächstes könnten die Mädchen einen Redestab verzieren. Nur wer bei einer Diskussion dieses Zepter in der Hand hält, darf seine Meinung äussern. Im Rahmen der Ausstellung können Schulklassen, die sich mit dem Thema Kommunikation auseinandersetzen, solche Workshops buchen. Für Jugendliche reicht das Angebot bis zum Debattier-Training.
Die Öffnungszeiten
Das Schulmuseum in Amriswil ist für individuelle Besucher jeweils mittwochs und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Gruppen können nach Anmeldung jederzeit Führungen durch das Haus und Workshops im alten Schulzimmer oder im Rahmen der neuen Ausstellung buchen.
Von Inka Grabowsky
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