von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 21.11.2024
In acht Schritten zum eigenen Kunstraum
Wer einen eigenen Ort für künstlerische Arbeit sucht, steht erstmal vor vielen Fragen. Wir geben eine Anleitung, wie es leichter werden kann. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Von Michael Lünstroth und Ann Katrin Cooper
1. Spread the news!
Lass alle wissen, dass Du auf der Suche bist, innerhalb und vor allem ausserhalb Deiner Bubble. Es gibt immer wieder Immobilien, die leer stehen und für deren Eigentümer:innen eine kulturelle Nutzung attraktiv ist.
2. Augen auf: Öffentliche und private Leerstände identifizieren
Augen auf beim Spaziergang: Achte auf leerstehende Gebäude in deiner Umgebung. Oft sind Eigentümer:innen offen für temporäre oder langfristige Vermietungen zu günstigen Konditionen, wenn die Räume kreativ genutzt werden. Kommunale Stellen oder Immobilienverwalter können ebenfalls wertvolle Ansprechpartner sein.
3. Wichtiger Check: Was brauchst du? Und was kannst du dir leisten?
Macht keinen Spass, ist aber zwingend notwendig: Bevor Du mit der Suche beginnst, ist es gut, Deine Bedürfnisse zu kennen: Wie gross soll der Raum sein? In welcher Lage? Welche Ausstattung benötigst du? Und natürlich: Wie viel Geld hast du überhaupt zur Verfügung? Eine Überlegung, die ebenfalls wichtig sein könnte, vor allem für potenzielle Vermieter:innen: Suchst du einen Raum für laute Tätigkeiten (z.B. Proben) oder leise Arbeiten (z.B. Malerei)? Und: wie viel Spielraum hast Du, was alle diese Bedürfnisse angeht; denn manchmal findet man Räume, die dann passend gemacht werden können oder die Du Dir mit anderen teilen kannst.
Ann Katrin Cooper ist Expertin in der Suche nach Räumen. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit dem Thema. In St. Gallen lanciert sie jetzt mit POOL eine neue Initiative. In einer alten Industriehalle richtet sie mit weiteren Mitstreiter:innen einen Ort für die freie Szene ein. Der ehemalige Industriebetrieb bietet auf 1600 Quadratmeter Platz für Künstlerinnen und Künstler, Kompanien und Kooperationen. Die zwei Etagen können als Konzeptions- und Arbeitsräume ebenso genutzt werden, für Proben und Workshops und öffentliche Veranstaltungen bis zu 50 Personen. «Wir arbeiten an einer Bewilligung für 300 Personen», schreibt Cooper. Darüberhinaus kann der Raum auch gemietet werden für Veranstaltungen aus Kultur, Bildung, Soziales und für private Anlässe. Trägerschaft des POOLs ist der Verein gemischtes doppel. Ziel des Vereins ist, die Kultur zu vernetzen, sichtbarer zu machen und durch gute Produktionsbedingungen zu stärken. Mehr auf der Website des Projektes: https://www.derpool.ch/
4. Starte die Suche: Recherche auf Internetportalen
Je nachdem, wo du einen Raum suchst, hast du mehr oder weniger Möglichkeiten. Es gibt Städte und Gemeinden, die bieten eigene Raumbörsen an. Wie zum Beispiel Zürich. Hier und hier. Interessant ist auch die Website https://projekt-interim.com Dort werden mögliche Zwischennutzungen vermittelt. Haken an den meisten Plattformen: Es gibt bislang kaum Angebote in der Ostschweiz. Daneben gibt es auch die klassischen Immobilienportale wie Homegate und ImmoScout24, die manchmal Angebote für Ateliers und Proberäume listen. Hier solltest Du spezifische Suchkriterien eingeben, um passende Räumlichkeiten zu finden.
5. Finde Kompliz:innen: Netzwerke und Plattformen nutzen
Hilfreich kann es auch sein, sich auf Plattformen wie Kunstasyl oder findmyband.ch anzumelden. findmyband.ch ist aus einer Maturaarbeit in Kreuzlingen hervorgegangen. Ramon Grunder hat das Portal gegründet. Ursprünglich für Musiker:innen, um Bands zu finden. Aber inzwischen auch mit einer Rubrik zu Bandräumen. Ansonsten gilt: Je mehr du mit anderen Menschen darüber redest, dass du einen Raum suchst, desto mehr Menschen können im Falle des Falles mitdenken. Möglicherweise ergeben sich so auch Synergien und ihr findet gemeinsam einen Raum, den mehrere Bands oder Künstler in einem Sharing-Modell nutzen können. In Winterthur gibt es beispielsweise bandherd.ch Dort können sich Bands tageweise einmieten.
Natürlich kannst du dein Glück auch in den sozialen Medien versuchen, um Tipps und Empfehlungen zu erhalten. In St.Gallen stehen demnächst im POOL-Raum für Kultur auf 1500 m2 zwei grosse Probenräume zur projektweisen Nutzung und drei Ateliers zur Miete zur Verfügung. Bei Interesse kannst du Dich per E-Mail an info@derpool.ch wenden.
In den kommenden Wochen beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Räume. In mehreren Beiträgen beleuchten wir im Magazin verschiedene Aspekte des Themas. Alle Texte werden wir in einem Dossier bündeln. Aber dabei bleibt es nicht. Wir wollen darüber auch diskutieren. Dazu haben wir ein neues Veranstaltungsformat entwickelt. Es heisst „Kultur trifft Politik!. Wir sind überzeugt: Probleme kann man nur lösen, wenn man miteinander im Gespräch bleibt.
Deshalb nutzen wir das Thema „Räume“ um Kulturschaffende und Politiker:innen in den Dialog zu bringen. Was sind die Herausforderungen auf Seiten der Künstler:innen? Woran mangelt es aus ihrer Sicht? Welche Möglichkeiten haben Politiker:innen überhaupt auf diesen Mangel zu reagieren? Wo genau könnten sie ansetzen, um die Situation zu verändern? Und wo sind vielleicht auch Politiker:innen die Hände gebunden?
Darüber wollen wir reden. Am Mittwoch, 27. November, ab 18:30 Uhr, im Apollo Kreuzlingen. Wir diskutieren darüber mit Isabelle Krieg (bildende Künstlerin), Christoph Luchsinger (Musiker), Gino Rusch (KAFF Frauenfeld), Samuel Svec (IG Probelokal Amriswil), Stephan Tobler (SVP-Kantonsrat), Petra Stoios (Stadträtin für Kultur Amriswil), Andreas Netzle (Ex-Stadtpräsident Kreuzlingen und heute Präsident der Jugendmusik Kreuzlingen sowie Peter Surber (IG Kultur Ost).
„Kultur trifft Politik!“ ist aber keine klassische Podiumsdiskussion. Du kannst dich aktiv einbringen. In Workshops arbeiten Kulturschaffende, Politiker:innen und Publikum gemeinsam an Lösungen für die drängenden Raumprobleme. Ziel des Abends ist es, konstruktive Ideen zu entwickeln, die zu einer Verbesserung der Raumnot beitragen. Hast du auch Lust mitzudenken? Dann melde dich jetzt an. Die Veranstaltung ist kostenlos, aber deine Anmeldung hilft uns dabei, den Abend besser planen zu können.
6. Wenn das Geld nicht reicht: Kommunale und regionale Förderprogramme prüfen
Informiere dich über Förderprogramme deiner Gemeinde oder deines Kantons. Es gibt beim Kanton Thurgau seit zwei Jahren auch Mittel für Infrastrukturprojekte. Der Kanton Thurgau kann dadurch Beiträge aus dem Lotteriefonds an Umbauten oder Neubauten gewähren, “sofern es sich bei den entsprechenden Gebäuden um öffentlich zugängliche und kulturell besonders bedeutsame Veranstaltungsorte handelt oder um Bauten, die kulturell besonders bedeutsame Objekte beherbergen”, heisst es in den Förderrichtlinien. Als Beispiel für mögliche Förderungen nennt das kantonale Kulturamt: “Die Infrastruktur von Kulturveranstaltungsorten kann unterstützt werden bei Neuanschaffung von Licht- und Tonanlagen sowie Bühnentechnik.” Als erstes Projekt wurde das Eisenwerk in Frauenfeld mit 580’000 Franken gefördert. Details zu den Kriterien gibt es beim Kulturamt Thurgau. Und hier geht es direkt zum Gesuchsformular.
Die in den Regionen vertretenen Kulturpools könnten ebenfalls gute Anlaufstellen sein. Sie agieren und entscheiden aber je nach Region verschieden. Einen tieferen Einblick in die einzelnen Thurgauer Kulturpools bekommst du hier. Von den meisten Städten und Gemeiden sind derzeit kaum Fördermittel zu erwarten, aber sie können bei der Vermittlung helfen. Oft kennt doch jemand jemanden, der vielleicht gerade einen Raum zu vermieten hat. Gute Ansprechpartner:innen sind oft auch die Kulturbeauftragten, die es in einigen Städten und Gemeinden gibt. Hier eine kurze Übersicht zu den Thurgauer Kulturbeauftragten.
Frauenfeld: Christof Stillhard: Christof.Stillhard@stadtfrauenfeld.ch
Romanshorn: Stefan Krummenacher: stefan.krummenacher@romanshorn.ch
Amriswil: Andreas Müller: a.mueller@amriswil.ch
Kreuzlingen: Claudia Thom: claudia.thom@kreuzlingen.ch
Weinfelden: Valentin Hasler (Präsident der Kulturkommission): valentin.hasler@gmx.ch
7. Mehr Networking: Kontakt zu Kulturvereinen und -institutionen aufnehmen
Tritt mit lokalen Kulturvereinen, Museen, Schulverwaltungen und anderen Institutionen in Kontakt. Diese Organisationen haben oft Informationen über verfügbare Räume oder können dabei helfen, geeignete Räumlichkeiten zu finden. Manche Institutionen bieten auch temporäre Nutzungsmöglichkeiten für Projekte oder Ausstellungen an.
8. Der letzte Schritt: So stellst du erfolgreiche Gesuche
Stelle, dort wo es möglich ist, offizielle Gesuche bei deiner Gemeinde oder regionalen Kulturämtern, um finanzielle Unterstützung oder die Zuweisung von Räumen zu beantragen. Bereite eine überzeugende Bewerbung vor, die dein Projekt und dessen Mehrwert für die Gemeinschaft darstellt. Wichtig dabei: was genau wollt ihr in welcher Form umsetzen? Wer ist die Zielgruppe Eures Vorhabens, wer profitiert davon? Was ist der Mehrwert für die Community, Gemeinde, die Region? Und wie stellst Du sicher, dass die Zielgruppe auch erreicht und eingebunden wird? Und, hier kommen die Räume wieder ins Spiel, welche Rahmenbedingungen braucht ihr auf infrastruktureller Seite, um dieses Vorhaben zu realisieren?
Denke dabei an Grösse, Lage, barrierefreien Zugang und die grundlegenden Sicherheitsvorkehrungen (Entfluchtung, Brandschutz), die stark von der Grösse Deines Projekts abhängig sind. Am Ende ist es wichtig, dass neben allen wichtigen Fakten auch Deine Motivation und die Dringlichkeit des Projekts deutlich wird. Wenn Gesuche und Anträge stellen nicht Dein Steckenpferd sind, gibt es von verschiedenen Seiten Unterstützung: die igKultur Ost vermittelt Expert:innen für Deine Fragen, die Kulturstiftung des Kantons Thurgau hat eine Wegleitung zu Gesuchen veröffentlicht, das Kulturbüro St.Gallen bietet regelmässig Kurse an, online finden sich verschiedene Step-by-Step-Anleitungen und es gibt Workshops zu Projekten mit Wirkung.
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