von Barbara Camenzind, 21.10.2019
Im Bauch einer grossen Gitarre

Zauber: So lautet das Motto der Konzertreihe «Klangreich» zur neuen Saison. Die Reihe setzt in ihren sechs Konzerten auf viel Saitenmusik und liess zum Auftakt die Funken sprühen.
Das wünscht sich jeder Konzertveranstalter: Bei Saisonbeginn ein fast volles Haus und viele neue Gesichter im Publikum. Der Programmmacher Christian Brühwiler wirkte sichtlich zufrieden. Noch zufriedener wirkten die vier Musiker des EOS Gitarrenquartetts, die entspannt-konzentriert zuerst einmal aussertourlich Boccherinis Fandango in G-Dur in den Raum stellten. Ein Fandango wird nicht getanzt. Er wird positioniert. Als leidenschaftliche Haltung. Die kleine mittelalterliche Kirche war der perfekte Resonanzkörper für die vier Saitenspezialisten. Es war, als sässen wir alle im Bauch einer grossen Gitarre.
Manuel de Fallas drei Tänze (Molinera, Vecinos, Vida breve) entführten die Zuhörenden weit weg von der herbstlichen Föhnwetterlage am Bodensee, nach Südspanien. Der Leidenschaft des Flamenco, diese stets auf den Grundton hinführende Dauerverführung, dem verfielen doch so einige. Maler, wie Pablo Picasso, Literaten wie Hemingway und viele Komponisten. Das Eos Quartett ist Verführer und Verführter zugleich. Die klug ausgewählten Stücke, zu denen auch Leo Brouwers „El Quejio del Poeta Duende“ gehörte, eine kubanische Hommage an Paco de Lucías „Cositas buenas“, entwickelten einen coolen Verve. So wie es in Sevilla oder Granada hätte klingen können. Begeisterte Zurufe jeweils beim Applaus nach einem Stück. Die ansonsten so typische helvetische Reserviertheit haben Marcel Ege, David Sautter, Michael Winkler und Julio Azcano einfach weggespielt. Bald herrschte Sessionstimmung im Raum.
Hommage an Paco de Lucía
Der 2014 verstorbene Flamencogitarrist war ein Meister seines Fachs. Eine Institution, gerade auch als musikalischer Vernetzungskünstler. Jazz, Pop, Klassik, er führte alle Stilrichtungen zum Flamenco. Zum Grundton. Diese Jubiläums-Konzertserie des Eos Quartetts ist deshalb auch ihm gewidmet.
Eos kennt keine Berührungsängste mit grossen Tieren, agierte das Quartett doch 1992 als Vorgruppe von Eric Clapton im Basler St. Jakobsstadion, vor 55’000 Leuten. Auch die Komponisten aus der eigenen Reihe lassen sich hören: Marcel Eges „Flamenco Suite“ ist Feuer und Erde pur. Dann David Sautters „Axa, Fátima y Marién“, eine Fantasie auf „Las Morillas de Jaén“ des Schriftstellers Federico García Lorca. Ein mit geräuschhaft-rhythmischen Einschüben verschachteltes Werk, welches sehr subtil ergänzt wurde durch „Paquiro“, wieder von Marcel Ege, ebenfalls komponiert auf einen Lorca -Text.
Klangreich ist eine kluge, süffige Mischung
Was ist Flamenco? Eine gespielte, getanzte Geschichte der Leidenschaft, des Schmerzes, der Freude. Gemalt, beschrieben, besungen und bespielt führt Flamenco immer zu einem finalen Punkt. Das Eos Guitar Quartet besticht durch Klangschönheit, Leichtigkeit und Feuer. Das klassische Setting liegt ihnen genau so, wie eine Session in der Bodega. Da würde es sich sicher lohnen, die richtigen Tanzschuhe mitzubringen.
Die Verantwortlichen von klangreich können zufrieden sein. Der Einstieg in die Saison 19/20 ist zauberhaft geglückt. Und es ist ein Glück für die Region, gibt es klangreich. Diese kluge, süffige Mischung aus Neuer und alter Musik, Jazz, Improvisation und Vokalmusik, ist extrem sympathisch. Weil stilvoll, aber unschubladisiert. Auf den 24. November, mit „L’incantesimo del Profumo di legno“ - Saxofon trifft Gambe und Lirone, kann man sich jetzt schon freuen.
Weiterlesen: Mehr zum gesamten Programm der Reihe „Klangreich“ gibt es hier.

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