von Barbara Camenzind, 08.01.2025
Zauberhafte Stabmusik
Das Trio Colores um den Thurgauer Schlagzeuger Fabian Ziegler hat mit «En Couleur» ein neues, spannendes Album aufgenommen. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
Als ob sich Harry Potter in einem Garten mit tönenden Zauberstäben und geheimnisvollen, bunten Farben verirrt hätte, so beschrieben die Schülerinnen und Schüler der Hemberger Mittelstufe beeindruckt ihre „Hörprobe” der ersten CD des Mallet-Percussion-Ensembles Trio Colores. Die Musizierenden Fabian Ziegler, Luca Staffelbach und Matthias Kessler an den Marimbas, Vibraphonen und Glockenspielen dürfen sich ruhig etwas geschmeichelt fühlen. Es gibt kaum ein kritischeres Publikum als Primarschüler - und sie sind die Zukunft. Auch als Publikum.
Besetzung mit Zukunft
Die in ansprechenden Farben gehaltene CD und ihr ausführliches Booklet ziehen einem hinein in die Klangwelt einer Besetzung, die sich erst zu etablieren beginnt und in den Arrangements französischer Musik des 19. und 20. Jahrhunderts Jahrhunderts impressiv-expressiv spannend zur Geltung kommt. Insbesondere Debussys „Petite Suite“ L. 65 erfährt durch die Besetzung mit den geschlagenen Stäben eine hübsche klangfarbige Erweiterung. Der sonst dauerpastellige Klavierpart Claude Debussys klingt leicht asiatisch, wie ein Gamelanorchester mit Glockenspielperlen. Ganz einfach, weil die Instrumente andere Spektren und Tiefen ausloten.
Die Arrangements, die das Trio bearbeitet hat, sind schöne, stimmige Miniaturen geworden. Am besten gefällt „Scaramouche“ von Darius Milhaud, eigentlich eine Komposition für zwei Klaviere über eine komische Figur der Commedia dell‘arte. Die wirbelnden Schläger passen vorzüglich zum wortgewandten Aufschneider der alten Schaubudenkomödien, wie auch zu den Instrumenten. Es klingt ein bisschen wie Zirkusmusik, kratzt an den Grenzen des Jazz und macht sofort gute Laune, wenn man zuhört.
Ravel mit doppelter Hommage
Oft fragt man sich, wie denn Maurice Ravel mit seinem „Tombeau de Couperin“ dem grossen Barock-Cembalisten klanglich eine Hommage schreiben wollte. Da er das Klavierstück zwischen 1914 und 1917 schrieb, verwiesen die Form auf den grossen Meister und die Gefühle auf seine im Weltkrieg gefallenen Kollegen.
Das Trio Colores bringt mit seiner Spielweise wieder etwas mehr Cembalocharme in das schöne Musikstück, weil der Klang leicht trockener wirkt und die Schläge etwas mehr versetzt klingen. Eine Hommage an Ravels Hommage und Musik, in die man sich zu einer blauen Stunde am Abend gern hineintauchen lässt.
Zusammen mit dem Danse Macabre von Camille Saint-Saëns und der spritzigen Toccata von Germaine Tailleferre ist diese CD die perfekte „Einstiegsdroge“ für Schlagwerkfans, die ihre Hörgewohnheiten in Richtung so genannte Klassik erweitern möchten. Oder Klassikfans, die offen sind für kluge Arrangements mit coolen Instrumenten.
Einen Input über die Aufnahme von „En Couleur“ und ein „Ohr voll“ bekommst du hier:
Das Album & eine USA-Tournee
Trio Colores
En Couleur
aufgenommen 2023 im Angelika Kauffmann Saal Schwarzenberg (A)
erschienen und erhältlich 2024 bei SOLO MUSICA Products und den gängigen Streaminganbietern.
Das Trio ist in den nächsten Monaten viel unterwegs. Am 19. und 20. Januar 2025 feiern sie die Weltpremiere von Avner Dormans Tripelkonzert „In Flux“. Gemeinsam mit dem Staatsorchester Braunschweig und der Dirigentin Delyana Lazarova bringen sie dieses Werk im Rahmen ihres 5. Sinfoniekonzerts auf die Bühne des Staatstheaters Braunschweig.
Im Februar reisen sie in die USA: «Wir sind stolz darauf, als Showcase-Ensemble bei der „Chamber Music America“ Conference in Houston, Texas, aufzutreten. Darüber hinaus werden wir Masterclasses an umliegenden Universitäten geben und die Gelegenheit nutzen, viele neue Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen», schreiben die Musiker in ihrem aktuellen Newsletter.
Mehr über Fabian Zieglers Arbeit als Musiker, kannst du in seiner regelmässigen Kolumne «Zieglers Tournee-Tagebuch» lesen. Alle Beiträge aus der Serie findest du hier.
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