von Brigitta Hochuli, 18.02.2014
Humus und Sichtbarkeit
Brigitta Hochuli
Frau Monstein, Sie sind Churerin, arbeiteten im Aargau und in Zürich, wie geht es Ihnen in Frauenfeld?
Martha Monstein: Grundsätzlich sehr gut. Ich habe bis jetzt viel Neues und viele interessante Menschen kennengelernt, die alle sehr hilfsbereit sind. Zu schaffen macht mir einzig das Ablagesystem der kantonalen Verwaltung mit seinen ellenlangen Strukturbäumen. Das ist fast schon sportlich!
Wie gut kannten Sie den Thurgau vor Ihrem Stellenantritt?
Martha Monstein: Ich komme von der Pro Helvetia. Von da her kannte ich im Thurgau schon einiges: Die Kartause Ittingen zum Beispiel habe ich schon früher immer wieder besucht und etwa die Pfingstkonzerte sind ja weitherum bekannt. Das Bilitz Theater kenne ich schon seit über 20 Jahren, Kontakt hatte ich aber auch mit dem Forum andere Musik oder schon vor sehr langer Zeit mit Kunstschaffenden wie Muda Mathis. Es gibt Vieles, was über den Thurgau hinaus strahlt.
Und wieviele Prozente des Thurgauer Kulturkreises haben Sie seit Stellenantritt bereits abgeschritten?
Martha Monstein: In Prozenten kann ich das überhaupt nicht sagen, das tönt nach Erbsenzählerei! Im Moment bin ich damit beschäftigt, mich in die vielen Dossiers einzuarbeiten und die verwaltungsinternen Abläufe kennenzulernen. Aber in der nächsten Zeit werde ich oft durch den Kanton reisen und so unterschiedliche Veranstaltungen wie die See-Burgtheater-Premiere „Der Zwerg in mir“ im Theater an der Grenze, das Bluesfestival in Frauenfeld, „Die Krönung“ in Aadorf, den Performance-Event „Hecht“ in Gottlieben, das KIK Kaberett in Kreuzlingen oder das Bilitz besuchen. Nicht zu vergessen die Vernissagen in den Museen. Bei Thomas Götz war ich selbstverständlich auch schon, er ist ja eine Institution!
Zuletzt haben Sie bei Pro Helvetia in Zürich unter anderem die Theaterabteilung geleitet, was ist der Unterschied zur Arbeit im Kulturamt?
Martha Monstein: Es ist schwierig, das eins zu eins zu vergleichen. In Variationen ist sicher vieles ähnlich. Bei Pro Helvetia war ich stark involviert in die Gesuchsbegutachtung, machte Vorschläge und Beratungen für Botschaften oder Festivals und habe vor allem auch selber Projekte initiiert. Das wird auch im Thurgau der Fall sein. Aber erst dann, wenn ich spüre, wo Bedarf an Aktivitäten besteht. Bei Pro Helvetia bewegte ich mich nach zwölf Jahren dank meiner Kenntnisse und Beziehungen wie ein Fisch im Wasser, hier muss ich noch besser schwimmen lernen.
Noch können Sie einen unvoreingenommenen Blick auf den Thurgau werfen. Was zeichnet das Kulturamt Thurgau aus? Aus unserer Sicht sind es zum Beispiel das Kulturkonzept, die Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung oder die Initiierung der Kulturpools.
Martha Monstein: Das duale Fördersystem kenne ich sehr gut von meiner Arbeit auf der Fachstelle Kultur des Kantons Aargau. Dort wie hier funktioniert es bestens. Die Kulturstiftung mit ihren Expertinnen und Experten fördert das aktuelle Kulturschaffen und einzelne Künstlerinnen und Künstler, während wir im Kulturamt viel breiter fördern und vor allem für die Veranstalter zuständig sind und mit etlichen von ihnen Leistungsvereinbarungen haben.
Und was halten Sie vom Kulturkonzept und von den Kulturpools?
Martha Monstein: Das Kulturkonzept ist ein ganz wichtiges Instrument. Und entgegen der Meinung, dass man kulturelle Leistungen nicht messen könne, sind hier klare Förderkriterien definiert. Den Kulturpools liegt die Vision zugrunde, die beste Förderform in einem dezentralen Kanton zu finden. Zusammengefasst hat der Kanton Thurgau die Kulturstiftung für die Spitzenförderung, das Kulturamt für die Breitenförderung und die Kulturpools für die speziellen Bedürfnisse der Regionen. Das ist ein sehr cleveres und ausgeklügeltes System mit drei Ebenen analog zu den eidgenössischen Ebenen der Kulturförderung.
Aber auch die kantonalen Museen sind unter dem Dach des Kulturamtes angesiedelt. Was ist genau Ihre Aufgabe in diesem Bereich?
Martha Monstein: Ich sehe meine Aufgabe vor allem als Vermittlerin und Lobbyistin. Ich nehme an, dass ich theoretisch den Museen Vorgaben machen könnte, faktisch sind sie ihre Leiter und Mitarbeiter die Spezialistinnen und Spezialisten, da will ich mich inhaltlich nicht einmischen, sie haben eine grosse Autonomie. Und ja, leider bin ich auch die Überbringerin schlechter Nachrichten, wie zum Beispiel aus aktuellem Grund Sparmassnahmen.
Politisch gibt zurzeit das Kunstmuseum Thurgau zu reden. Welche kulturelle Bedeutung messen Sie ihm verglichen mit anderen Kunstmuseen der Schweiz zu?
Martha Monstein: Es ist gut verankert in der schweizerischen Kunsthauslandschaft. Direktor Markus Landert hat unter anderem als Spezialist für Aussenseiterkunst oder Konzeptkunst ein bestimmtes Profil und pflegt auch Hypes wie aktuell das Künstlerduo Com&Com oder Konzeptkunst wie jene von Tadashi Kawamata oder Joseph Kosuth. Ich würde das Kunstmuseum in Ittingen mit den Häusern in Glarus oder Liesthal vergleichen. Grosse Häuser wie das Kunsthaus Zürich sind nicht unbedingt die direkte Konkurrenz. Deren Jagd nach grossen Namen bedeutet auch eine gewisse Verarmung in der Breite. Und das kann für Ittingen eine Chance sein.
Wann und in welchem Zusammenhang haben Sie zum ersten Mal von den Schwierigkeiten mit dem Erweiterungsprojekt des Kunstmuseums gehört und was denken Sie darüber?
Martha Monstein: Vom Projekt gehört habe ich schon früh, als Martin Heller ins Boot geholt wurde. Im Moment stehe ich aber vor vollendeten Tatsachen und hoffe, dass die Sache bald geregelt ist und das Museum endlich verwirklicht und die Attraktivität gesteigert werden kann. Schliesslich ist ja schon sehr viel Geld investiert worden. Vorerst sind aber die Juristen am Werk.
Verlassen wir das leidige Thema. Eine sehr lebendige und vielfältige Sparte ist im Thurgau das Theater. Manche vermissen Kooperationen zugunsten eines schlagkräftigen professionellen grösseren Theaters. Wäre das eine Option?
Martha Monstein: Die Theater im Thurgau bieten zum Teil ein hochkarätiges Programm und erfüllen eine wichtige Aufgabe. Ich sehe zudem etwa beim Bilitz oder beim See-Burgtheater durchaus eine Art Bündelung. Programme von hoher professioneller Qualität haben auch das Phönix oder das Theater an der Grenze. Für professionelle einheimische Gruppen auf nationalem und internationalen Niveau sehe ich im Kanton aber im Moment nicht genügend Raum. Mehrheitlich gilt das wohl für alle Kunstsparten. Die Erfolgreichen verlassen den Thurgau, einzelne kehren ab und zu zuruck. Doch was ist eigentlich so schlimm daran, wenn man auch von aussen das Gute nimmt?
Kürzlich wurde öffentlich eine Kulturförderung mit Prämien ähnlich wie im Sport ins Spiel gebracht. Was halten Sie von der Idee?
Martha Monstein: Ich meine, der Sport erhält sehr viel Geld und hat ja auch die Möglichkeit des privaten Sponsorings. Dass sich etwa Banken für den Kulturbereich engagieren, finden Sie marginal; die setzen fast nur noch auf Gross-Events. Ausserdem wird im Sport eine Art von Scouting betrieben, das es in der Kultur nicht gibt. Hier ist kein Kind schon der Star von morgen. Man kann Sport und Kultur also nicht vergleichen. Andererseits betreibt zum Beispiel das Sportamt Thurgau genau so wie wir im Kulturamt Breitenförderung und legt somit den wichtigen Humus.
Sport- wie Kulturamt müssen wie Sie bereits angetönt haben auf Geheiss der Regierung ihre Leistungen überprüfen. Wo genau sehen Sie Sparpotenzial?
Martha Monstein: Vorläufig versuchen wir so zu sparen, dass es nicht allzu sehr weh tut. Das geht nur über Verzicht, betrifft aber nicht die Projekte. Wir hoffen, dass diese Sparübung nicht länger andauert.
Sie haben also kein existenzielles Problem?
Martha Monstein: Nein, im Moment nicht. Aber wenn der Abbau schleichend weitergeht, hat das irgendwann drastischere Auswirkungen. Irgendwann müssten wir Personal entlassen, was jetzt noch nicht der Fall ist. Die aktuelle Leistungsüberprüfung tangiert die Bevölkerung nicht.
Wo werden Sie trotzdem neue und eigene Akzente setzen? Peilen Sie einen Leuchtturm an?
Martha Monstein: Wir sind gerade daran, die Arbeit am Kulturkonzept 2016 bis 2018 zu planen, da tauchen erste Ideen auf, wie der Thurgauer Kultur mehr Sichtbarkeit gegeben werden könnte und welches die bestmögliche Förderung ist, um dies zu erreichen. Leuchttürme peile ich nicht an. Leuchttürme sind nur Hüllen, sie sind innen hohl. Wir wollen von innen leuchten.
Kultur soll also über die eigene Region hinaus wahrgenommen werden, das wünschen sich im Thurgau auch viele Künstler. Wie wichtig sind Ihnen diesbezüglich die überkantonale und internationale Präsenz, Zusammenarbeit und Förderung?
Martha Monstein: Es ist interessant, über den Kanton hinaus zusammenzuarbeiten. Ich war schon an der Bodenseekonferenz, wichtig ist auch das Projekt Schule und Kultur, bei dem wir mit St. Gallen und Appenzell zusammenarbeiten. Weiter gibt es die Kulturbeauftragtenkonferenz Ost und die gesamtschweizerische Konferenz, bei der unsere Beiträge gefragt sind. Auf nationaler oder internationaler Ebene ist die Konkurrenz gross und da spielt es dann keine Rolle, ob jemand Thurgauerin oder Thurgauer ist. Für uns spielt es aber eine Rolle, und wir wollen dazu beitragen, dass auch hier auf hohem Niveau und mit Engagement Kultur gedeihen kann. Dafür bieten wir den entsprechenden Rahmen.
Martha Monstein
Martha Monstein hat am 1. Januar 2014 die Nachfolge des Thurgauer Kulturamtchefs René Munz angetreten. Sie leitete zuvor seit 2001 die Abteilung Theater bei der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia in Zürich. Sie ist 57 Jahre alt, verheiratet, Mutter von zwei Kindern und wohnt in Zürich.
Martha Monstein absolvierte in Chur das Lehrerseminar und studierte danach an der Universität Zürich Anglistik, Germanistik und Literaturkritik, wo sie 1986 mit dem Lizentiat abschloss. Ihre Laufbahn im Bereich Kultur begann sie als redaktionelle Mitarbeiterin im Kulturmagazin eines Lokalradios, gefolgt von Engagements als Programmverantwortliche von Zürcher Kulturzentren sowie in der Produktionsleitung und Organisation für Theater- und Tanzgruppen. Von 1993 bis 2001 war Martha Monstein Co-Leiterin der Fachstelle Kultur des Kantons Aargau und lancierte verschiedene Projekte im Bereich Schule und Kultur. Dabei erlebte sie die breite Vielfalt des kulturellen Lebens eines Kantons und holte sich vertiefte Erfahrung im Bereich der kantonalen Kulturförderung und Kulturvermittlung. Berufsbegleitend absolvierte sie einen Nachdiplomkurs in Kulturmanagement und engagierte sich als Stiftungsrätin bei der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. (id/ho)
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Kommt vor in diesen Ressorts
- Kulturpolitik
Kommt vor in diesen Interessen
- Interview
- Bildung
Ist Teil dieser Dossiers
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