von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 09.11.2020
Gesucht: Der Bauplan für ein Museum
Eine Podiumsdiskussion in Arbon zeigt, dass der Weg zu einem neuen kantonalen Historischen Museum in der Bodenseestadt kein Spaziergang wird. Sondern eher ein jahrelanger Marathon.
Am Ende liess sich Monika Knill, dann doch noch eine konkrete Zahl entlocken: „Wenn alles gut läuft, halte ich eine Eröffnung des neuen Museums in fünf Jahren für möglich“, sagte die Regierungsrätin für Erziehung und Kultur am Samstagmorgen an einer Podiumsdiskussion über den geplanten Neubau einer Dependance des kantonalen Historischen Museums in Arbon.
Das war so etwas wie der zarte Hoffnungsschimmer über einem Vormittag, der vor allem zeigte, wie weit der Weg bis dahin noch ist. Denn Monika Knill machte auch deutlich, dass der Erfolg eines solchen „40 bis 50 Millionen teuren Projekts“, nicht nur vom guten Willen des Regierungsrats abhänge, sondern von vielen Beteiligten: Der Arbeitsgruppe, die bis 31. März 2021 erste Ergebnisse liefern soll, dem Grossen Rat, der dem Vorhaben zustimmen muss und letztlich der gesamten Thurgauer Bevölkerung, wenn das Projekt zur Volksabstimmung kommt: „Das ist ein langer Weg, aber wir sind überzeugt, dass es gelingen kann.“
„Damit Geld gesprochen wird, muss man vor allem eines tun: Das Bedürfnis eines solchen Neubaus nachweisen.“
Andreas Spillmann, Direktor des Schweizerischen Nationalmuseums Zürich (Bild: «Livestream Narrate GmbH»)
Wie genau das gelingen kann, auch um darüber zu diskutieren, war man ja am Samstagvormittag in Arbon in der Webmaschinenhalle (einer, der zwei zur Wahl stehenden möglichen Museums-Standorte) auf dem Saurer-Areal Werk Zwei unter Corona-Bedingungen zusammen gekommen. Andreas Spillmann, Direktor des Schweizerischen Nationalmuseums Zürich, hat vor Kurzem selbst einen Neubau mitgestaltet und formulierte erstmal einen einfachen Auftrag an die Planungsgruppe: „Damit Geld gesprochen wird, muss man das Bedürfnis eines solchen Neubaus nachweisen, also zeigen, dass die Besucherzahlen eine solche Investition rechtfertigen.“ Im Fall seines Zürcher Nationalmuseums sei es so gewesen, dass sie doppelt so viele Ausstellungen gemacht haben als zuvor. Dies sei ein gutes Mittel, um der Politik die Notwendigkeit immer wieder zu verdeutlichen, so Spillmann.
Aber das sei nur die eine Seite. Um die StimmbürgerInnen zu gewinnen, brauche es einen überzeugenden Entwurf. Es müsse eine Mischung sein aus guten Ausstellungen, die einem inspirierende Gedanken ermöglichen, einem schönen Gebäude und einer ansprechenden Gastronomie, beschreibt Spillmann seine Erfahrungen: „Die Leute gehen ins Museum, weil sie sich etwas Gutes tun wollen. Wenn sie sich dort wohlfühlen, dann kommen sie irgendwann auch dorthin, ohne genau zu wissen, was gerade gezeigt wird.“
Warum Geschichte auch immer mit Gegenwart zu tun haben sollte
Was genau in dem neuen Historischen Museum in Arbon gezeigt werden soll, ist indes noch nicht ganz eindeutig formuliert. Bislang heisst es nur, dass Aspekte der Thurgauer Geschichte ab 1798 präsentiert werden sollen, die frühere Geschichte verbleibt im Schloss Frauenfeld. Bis Ende März 2021 soll es hier mehr Klarheit geben. Wie damit umgehen? Wenn es schon zwei Standorte gibt, so Spillmann, dann rate er dazu, beiden ein möglichst eigenständiges Profil zu geben.
Dazu für jeden Ort ein spannendes Programm aus Dauer- und Wechselausstellungen, um die Häuser ständig zu beleben. Und: „Gerade bei historischen Ausstellungen braucht es immer einen Bezug zur Gegenwart, damit klar wird, warum Geschichte auch in der Gegenwart für jeden relevant ist“, erklärte der Direktor des Schweizerischen Nationalmuseums.
Das exakt das die übliche Herangehensweise an Ausstellungen im Historischen Museum sei, darauf wies Gabriele Keck, Direktorin des Hauses hin. Sie selbst hat auch einige Erfahrung mit Museumsbauten. Bevor sie nach Frauenfeld kam, arbeitete sie im Historischen Museum Bern und begleitete dort als Vize-Direktorin einen Erweiterungsbau: „Museen zu planen zählt zu den schönsten Dingen, die man machen kann. Aber dafür braucht es die entsprechenden Ressourcen: Finanziell und personell“, sagte Keck.
„Museen zu planen zählt zu den schönsten Dingen, die man machen kann. Aber dafür braucht es die entsprechenden Ressourcen.“
Gabriele Keck, Direktorin Historisches Museum Thurgau (Bild: «Livestream Narrate GmbH»)
Da knüpfte Andreas Spillmann an. Aus seiner Erfahrung sei es besonders wichtig, die Finanzierungsfragen zwischen Gemeinde und Kanton rechtzeitig und klar zu klären. Damit beide sich am Ende nicht gegenseitig Verantwortung zuschieben können und das ganze Projekt zur Hängepartie werde. Hier machte Monika Knill klar, dass der Regierungsrat in dieser Hinsicht auch Taten von der Region Oberthurgau erwarte. Die Antwort kam prompt: „Dass wir da gefordert sind, ist doch klar“, sagte Stadtpräsident Dominik Diezi.
Als PR-Experte sass Dominik Joos auf dem Podium. Mit seiner Agentur berät er unter anderem den Verband Schweizer Museen. Er weiss, dass die Kommunikation nach aussen über das Vorhaben matchentscheidend sein kann. Sein wichtigster Rat für die nächsten beiden Jahre: „Man muss die Bevölkerung von Anfang an einbinden und möglichst transparent kommunizieren über das Projekt. Nur so schafft man eine Vertrauensbasis, die bei einer Volksabstimmung entscheidend ist“, so Joos.
Die politische Kommunikation über das Projekt sollte aus seiner Sicht so rasch wie möglich starten. Man konnte das auch als Lob an den Oberthurgau im Allgemeinen und Arbon im Speziellen verstehen. Denn: Ohne das beharrliche, jahrelange Drängen von dort wäre die Diskussion um das Museum wohl längst nicht so öffentlich.
„Man muss die Bevölkerung von Anfang an einbinden und möglichst transparent kommunizieren.“
Dominik Joos, PR-Experte (Bild: «Livestream Narrate GmbH»)
Joos wies auch auf die Bedeutung des Zusammenspiels von Tourismus und Kultur hin. Dies sei gerade in einer Tourismus-Region wie dem Bodensee eine grosse Chance, so der PR-Experte. Tourismus-Vertreter einerseits, aber auch Bildungsträger wie Schulen sollte man deshalb frühzeitig einbinden. Und: „Eine klare Digitalstrategie wird ein enorm wichtiger Punkt sein“, so der Kommunikations-Experte. Es sei der Schlüssel dafür, jene BesucherInnen für das Museum zu interessieren, die noch nicht da sind. Schliesslich falle die Entscheidung für oder gegen einen Museumsbesuch daheim, deshalb müssten die Museen dort auch präsent sein, findet Joos.
Natürlich kann man an einer rund 80-minütigen Podiumsdiskussion ein solches Millionenprojekt nicht erschöpfend besprechen. Aber das Verdienst, der von Andrea Vonlanthen souverän moderierten Runde, war, dass die komplexe Dimension des Projektes greifbar wurde. Das wird kein Spaziergang. Eher ein Marathon.
Die grosse Frage: Woher kommt das Geld?
Bauliche, denkmalpflegerische und konzeptionelle Fragen müssen beantwortet werden, Verkaufsgespräche mit dem bisherigen Eigentümer der beiden noch zur Wahl stehenden Standorte, der HRS Real Estate AG, noch geführt werden. Der Kanton muss zudem klären, ob er, wie zunächst angedacht, auf Millionen aus den Verkaufserlösen der Anteilsscheine der Thurgauer Kantonalbank zurückgreifen kann oder ob es eine andere Finanzierung braucht.
Auch in Arbon stehen weitere Entscheidungen an. Für die Stadt geht es ja nicht nur um das Museum, sondern um „das Gesamterlebnis Arbon“ wie es Stadtpräsident Dominik Diezi nannte. Dazu gehört, genau zu überlegen, wie das Areal um das Museum herum gestaltet werden könnte. Wie werden die weiteren Flächen genutzt? Kann man das gesamte Quartier so attraktiv gestalten, dass sich ein stimmiges Ganzes ergibt, ohne die Stadt zu überfordern? Keine ganz einfachen Fragen für eine 15’000-Einwohner-Stadt.
„Wir wollen alle zu den Ermöglichern gehören.“
Monika Knill, Regierungsrätin (Bild: «Livestream Narrate GmbH»)
Allerdings: Bei allen offensichtlichen Hürden und Herausforderungen des Vorhabens wurde an diesem Vormittag in Arbon aber auch deutlich, dass es einen gemeinsamen Willen gibt, das Projekt zu stemmen. „Wir wollen alle zu den Ermöglichern gehören“, sagte beispielsweise Regierungsrätin Monika Knill. Wie das gehen könnte, fasste Gabriele Keck, Direktorin des Historischen Museums, präzise zusammen: „Wir müssen die Herzen der Bevölkerung gewinnen.“
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