von Inka Grabowsky, 21.03.2023
Etwas bleibt
Kathrin Zellweger war eine bemerkenswerte Chronistin des Thurgauer Kulturlebens. Unter dem Titel «Begegnungen» hat Hansjakob Zellweger Portraits und Reportagen seiner 2019 verstorbenen Frau jetzt als Buch herausgegeben. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
«Ich hatte Kathrin gebeten, ihre Texte selbst zusammenzustellen, um die Möglichkeit zu haben, darauf zurückzukommen», sagt Hansjakob Zellweger. «Ich habe sie für ihre Arbeit bewundert, und das sollte nicht einfach vergehen.» Aus dem Archiv der Journalistin hat er 68 Portraits und Reportagen ausgesucht. Schwierig sei das gewesen, meint er.
Nur ein Viertel aller vorliegenden Portraits schafften es in den Band «Begegnungen». «Ausgeschlossen habe ich jene, die für einen bestimmten Anlass geschrieben waren, und ich beschränkte mich auf solche mit Thurgau-Bezug.» Den passenden Partner für die Veröffentlichung fand er mit dem thurgauischen Verlag Saatgut, wo er das Buch in Auftrag gab.
«Die Texte von Kathrin Zellweger eröffnen ein Panorama des Lebens im Thurgau und erzählen dennoch universelle Geschichten.»
Miriam Waldvogel, Verlagsleiterin Saatgut
«Wir waren auf Anhieb begeistert von der Idee», sagt Leiterin Miriam Waldvogel. «Die Texte von Kathrin Zellweger eröffnen ein Panorama des Lebens im Thurgau und erzählen dennoch universelle Geschichten. Das Buch ist eine Momentaufnahme von Thurgauer Persönlichkeiten und Ereignissen, die über die Tagesaktualität hinaus Bestand hat.»
Kaleidoskop thurgauischer Befindlichkeiten
Wie lebt man als Fischer, wie wird man Gefängnisdirektorin, was hatte Peter Stamm 2003 über sein Schriftsteller-Dasein zu erzählen, welchen Herausforderungen sieht sich ein Klauenschneider gegenüber und warum wurde der demnächst pensionierte Markus Landert ursprünglich Museumsleiter?
Auf 237 Seiten finden sich 19 Reportagen und 38 Lebens- oder Berufs-Portraits von bekannten und unbekannten Thurgauern. Sie wurden zwischen 2002 – dem Beginn der Tätigkeit Zellwegers als freie Journalistin - und 2013 in St. Galler Tagblatt, der Thurgauer Zeitung oder auf thurgaukultur.ch publiziert. Zellwegers letzter Text für thurgaukultur.ch erschien im Juni 2017.
Die biografischen Bemerkungen sind jeweils aktualisiert, was zum Beispiel beim Portrait von Simone Keller aus dem Jahr 2006 überaus relevant ist. Die Pianistin hatte damals gerade das Konzertdiplom erhalten, vergangenes Jahr bekam sie den Thurgauer Kulturpreis und den Schweizer Musikpreis.
Zeitlose Literatur
«Im Nachhinein ist gar nicht mehr wichtig, was der Anlass gewesen sein mag, diese Porträts zu veröffentlichen», sagt Kurt Schmid, der einen Nachruf auf Kathrin Zellweger verfasst hatte und deshalb von Verlag für die Buchvernissage als Laudator angefragt wurde.
«Wichtig und beeindruckend ist es viel mehr, was in diesen Begegnungen und Reportagen heute zu lesen ist. Jeder dieser Texte ist eine veritable Kurzgeschichte. Ob es nun um eine Gant auf dem Bauernhof, eine ausgewanderte Architektin, einen kurligen Aussenseiter geht: immer erfährt man in verdichteter Form etwas über das Leben im Thurgau.»
Der Medienwissenschaftler Schmid vermisst die Beiträge Zellwegers zur Thurgauer Kulturszene: «Dabei habe ich ihre Kolumnen auf thurgaukultur im Kopf und auch ihre Beiträge zu den ‹Facetten› der Thurgauer Kulturstiftung. Alles herausragende Texte, mit klarem Blick, ausserordentlicher Einfühlung und positiver Einstellung geschrieben. Und das insbesondere gerade dann, wenn die porträtierte Person aus meiner eigenen Sicht nicht gerade unkompliziert war.»
Herausgegeben aus privatem Interesse
Für Hansjakob Zellweger ist das Buch ein Herzensprojekt, dem er sich im vergangenen Jahr gewidmet hatte – auch zur Trauerbewältigung, wie er einräumt. «Der Tag der Vernissage am 28. März ist für mich schon eine Klippe.» Beschäftigt hätte ihn insbesondere die Recherche der exakten Erscheinungstermine. Die Schlagzeilen der publizierten Artikel entsprechen nicht immer denen im Originaltext der Journalistin. Dann musste er sich mit dem Urheberrecht auseinandersetzen.
«Vorsichtshalber habe ich noch mal bei Sylvia Egli von Matt nachgefragt, die ein Vorwort beigesteuert hat, und die sich als ehemalige Direktorin der Journalistenschule MAZ mit dem Presserecht auskennt. Die jeweiligen Verlage haben aber sehr schnell die Genehmigungen erteilt.»
Wie die Streifzüge einer Katze
Mit der Grafikerin Regula Baumer hat er überlegt, wie man das Buch illustrieren könnte. Die Wahl fiel auf Zeichnungen eine Katze, die an jene «Chili» erinnert, die mitunter auf den Schreibtisch von Kathrin Zellweger gesessen hatte. Die Streifzüge der Katze durch ihr Revier und ihre Konzentration bei der Jagd geben ein adäquates Sinnbild für die Arbeit der Journalistin.
Nun ist der Herausgeber gespannt, wer sich für das Buch interessiert. Aktiv vermarkten will Zellweger «Begegnungen» nicht. «Es geht mir nicht um einen Verkaufserlös, sondern um eine bleibende Erinnerung an Kathrin. Deshalb habe ich auch 150 Bücher der Auflage von nur 650 Stück für mich reserviert. Ich möchte sie an Freunde und Familie weitergeben.»
Vernissage ist ausverkauft
Die Vernissage am Dienstag, 28. März 2023, um 18:30 Uhr in der Kantonsbibliothek Thurgau in Frauenfeld, ist bereits ausverkauft.
Der Medienwissenschaftler Kurt Schmid würdigt das Schaffen von Kathrin Zellweger, die Kulturvermittlerin Judith Zwick liest Auszüge aus dem Buch. Der Abend wird vom Pianisten Elias Bernet umrahmt.
«Begegnungen – Porträts und Reportagen» von Kathrin Zellweger
Herausgegeben von Hansjakob Zellweger
mit Illustrationen von Regula Baumer,
Vorwort von Sylvia Egli von Matt
240 Seiten
ISBN 978-3-9525244-6-6
CHF 34.–
Kathrin Zellwegers Texte auf thurgaukultur.ch
Alle Texte, die Kathrin Zellweger für thurgaukultur.ch verfasst hat, haben wir in einem Autorinnen-Dossier gebündelt. Es findet sich hier.
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