von Aline Ostergaard, 02.05.2022
Eine Ode ans Theater
Zum 10-jährigen Bestehen beschenkt die Theaterwerkstatt Gleis 5 ihr Publikum, und auch ein wenig sich selbst, mit einem eigenen Stück. Es thematisiert die Lust und Frust der Bühnenkunst. Premiere ist am 6. Mai. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Die Frauenfelder Theaterwerkstatt ist seit ihrer Gründung vor 10 Jahren zur etablierten Kulturinstitution im Kanton Thurgau geworden. Dies soll im Jubiläumsjahr mit einer besonderen Inszenierung gefeiert werden. Welche Form würde sich da anbieten?
Mit «Deus ex Machina» wurde die kreative Antwort gefunden. Ein Stück, das entgegen seinem Namen alles andere als eine göttliche Komödie ist, sondern eher eine überspitzt erzählte Geschichte aus dem Inneren eines Theaterbetriebs.
Am Anfang steht...eine Pressekonferenz
Doch damit eine Inszenierung überhaupt entstehen kann, braucht es neben Einfallsreichtum auch einen gemeinsamen Konsens. Und genau dieser droht den Figuren in «Deus ex Machina» zum Verhängnis zu werden.
Das Stück beginnt mit einer geplanten Pressekonferenz, an der ein Theaterstück präsentiert werden soll. Unglücklicherweise haben die Figuren zum damaligen Zeitpunkt überhaupt kein Stück geprobt, das sie der Presse zeigen könnten. Nicht einmal auf ein Stück an sich hat man sich geeinigt. Ein Puppenspiel, ein Musical oder doch lieber ein griechischer Klassiker? Die Meinungen gehen diesbezüglich in alle Richtungen und die Stimmen werden lauter.
«Gipfeli» als Reizwort
Sogar das unschuldige Wort «Gipfeli» wird zum Reizwort in der aufgeladenen Stimmung. Missverständnisse führen dazu, dass mehrere Figuren Gipfeli für das Team mitbringen. Eine gut gemeinte Tat, die die Grenzen der Toleranz und die Abgründe der Kommunikation offenlegt. Immerhin können sich die Figuren im Laufe der Handlung auf ein Stück einigen.
Ob dieses Stück tatsächlich erfolgreich über die Bühne gehen wird – die Hauptprobe ist ein Desaster – ist dann auch die handlungsbestimmende Frage von «Deus ex Machina».
Dabei will das Stück mehr sein als ein selbstreferentieller Akt über das Theatermachen. Auch gesellschaftliche Diskurse und Trends aufzugreifen, mit viel Humor angereichert versteht sich, scheut das Ensemble nicht: «Ou, ier und eui huere Doodle. Die füll i scho lang nüme uus», ruft Joe Fenner aus.
Doch wird er kommen, dieser «Deus ex Machina»?
Die dramaturgische Bezeichnung «Deus ex Machina» geht auf das griechische Theater zurück und meint einen unerwarteten, im richtigen Moment auftauchenden Helfer oder allgemein die Lösung in einer Notlage.
Dank einer Bühnenmaschinerie erschien diese Gottheit in der Antike auf der Bühne, dieser «Gott aus der Maschine». Aufgrund der näher kommenden Premiere unter Zeitdruck, zerstritten und mit den Nerven am Ende, kann auch im Stück der Theaterwerkstatt nur noch ein «Deus ex Machina» helfen.
Neupositionierung in der Stille der Pandemie
So handlungsunfähig und auf einen «Deus ex Machina» angewiesen, ist das sechsköpfige Team im echten Leben ganz und gar nicht. Das Kollektiv hat auch dieses Jahr viel vor und konnte bereits im letzten Jahr mit der Einführung eines literarischen Podcasts mit Innovation glänzen.
Die Corona-Pandemie wurde nicht nur dafür genutzt, neue Formate ins Lebens zu rufen, sondern auch interne Strukturen zu professionalisieren. Zurück aus der kulturellen Zwangspause zeigt sich das Team motiviert und stolz: «Es wird dieses Jahr rekordverdächtige 70 Veranstaltungen geben», berichtet Giuseppe Spina.
Von der Realität inspiriert, mit viel Humor überspitzt
Das Team der Theaterwerkstatt versteht ihr Jubiläum als Landmarke. Als Möglichkeit, die letzten zehn Jahre Revue passieren zu lassen und das Theatermachen an sich kritisch zu reflektieren. «Wir hatten Lust ein Stück übers Theatermachen zu machen», fasst Engeli seine Motivation für das Stück zusammen. Entstanden ist daraus aber kein trockener historischer Abriss, sondern ein kreatives Kunstwerk. Es soll durch viel Humor bestechen, aber ohne Selbstbeweihräucherung und ohne Insider-Orgie auskommen.
«Wir nehmen uns nicht zu ernst», ist sich das Team einig. Und trotzdem sehen die Schauspielerinnen und Schauspieler keinen Erfolg als selbstverständlich an. «Jedes Stück ist ein Wagnis», verrät Rahel Wohlgensinger.
Ein Wagnis mit fast kathartischer Wirkung, wenn man dem Team so zuhört: «Für uns ist das Stück auch eine Art Therapie», sagt Spina lachend. Tatsächlich fordere so eine Koproduktion allen Beteiligten viel ab. Dies würde bei der Lektüre des E-Mailverkehrs zwischen den Teammitgliedern deutlich werden, fügt Spina hinzu.
Kreative Kreationen im Kollektiv als Erfolgsrezept
So ein enges, kreatives Zusammenarbeiten gehört trotz Konfliktpotential zum Erfolgskonzept der Theaterwerkstatt und ist wohl mit ein Grund für den Erfolg des Hauses. Denn Entscheidungen werden demokratisch gefällt, eine Intendanz des Theaters gibt es nicht.
Hinzu kommen eine institutionelle Offenheit und interdisziplinäre Kooperationen. Das Bühnenbild, eine klassische griechische Landschaft, wurde von der Künstlerin Carole Isler gestaltet, die ihr Atelier in der ehemaligen Lokremise führt.
Isler selbst, in deren Werk das Motiv des Theaters immer wieder vorkommt, empfindet die Kooperation als auch das Zusammenleben mit der Theaterwerkstatt unter einem Dach als «sehr inspirierend und motivierend».
Von Aline Ostergaard
Weitere Beiträge von Aline Ostergaard
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- Der ganz normale Theaterwahnsinn (09.05.2022)
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