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von Inka Grabowsky, 15.09.2023

Ein Wochenende für die Kultur

Ein Wochenende für die Kultur
Der Hut auf dem Kopf von Simon Engeli kommt bei der Versteigerung unter den Hammer. | © zVg

Die Frauenfelder Kulturtage vom 22. bis zum 24. September setzen auf ein breites Gratis-Angebot. Jeder und jede soll die Möglichkeit haben zu erforschen, was alles in der der Stadt los ist – und welche Möglichkeiten es auch im Alltag gäbe, wenn man sich nur aufraffen würde. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Es ist nicht überraschend, dass die bekannten Kulturakteure der Stadt sich am Programm beteiligen: Das Naturmuseum erklärt die Welt der Hühner, im Schloss gehen Kinder auf Safari, das Eisenwerk führt durch seine Räume, in der Kantonsbibliothek kann man mit Büchern spielen, im Cinema Luna gibt es Sonntags-Matineen, Marianne Sax bittet zum Literaturclub... 

«Es passiert tatsächlich vieles, das es auch sonst in Frauenfeld gibt», sagt der Leiter der städtischen Kulturamts Christof Stillhard, «aber es findet bei den Kulturtagen konzentriert an einem Wochenende statt.»  Noch etwas ist anders: Niemand verlangt Eintritt für die Attraktionen. 

«Es gab in der Vorbereitung durchaus das Argument, dass nur wertgeschätzt wird, was etwas kostet», so Stillhart, «aber wir wollen während der Kulturtage einfach so viele Menschen wie möglich erreichen.» Wer an den Kulturtagen an Kunst Freude gewonnen hat, geht vielleicht später auch einmal gegen Eintritt in eine Ausstellung oder zu einem Vortrag. 

 

Natürlich ist das Eisenwerk bei den Kulturtagen dabei.

Gut und hausgemacht

In Frauenfeld gäbe es zwar ein reiches Angebot an Kultur, doch das wenigste werde von der Stadt verantwortet, so Stillhard. Die Galerie Baliere ist beispielsweise städtisch, die Museen aber werden von Kanton betrieben. «Wir geniessen ausserdem ein grosses Engagement von Privatleuten oder Vereinen, die kulturelle Angebote schaffen. Und das wollen wir mit den Kulturtagen unterstützen.» 

Die Stadt hat deshalb das Programm koordiniert und macht zentral Werbung für den Anlass. «Bei uns gibt es so viele tolle Sachen direkt vor der Haustür. Das wissen nur zu wenige.» 

Veranstaltung ermöglicht neue Kooperationen

Die Kulturtage bieten einigen der etablierten Akteure die Gelegenheit, für einmal zusammenzuarbeiten und damit ein einzigartiges Angebot zu schaffen. Die Jugendmusikschule tritt bei der Konzertgemeinde auf, das Stadtorchester konzertiert gemeinsam mit dem Vokalensemble Cantucci und Kunstraum und Kunstverein stellen gemeinsam 40 Kunstschaffende aus und beziehen gleich auch den öffentlichen Raum zwischen den beiden Lokalen als Ausstellungsraum mit ein. 

Portraits in allen Variationen

Einige Angebote gibt es so nur während der Kulturtage: Jürg Ganz zeigt seine über Jahrzehnte zusammengetragenen Selbstporträts von Dutzenden Kunstschaffenden. Sein Schaudepot ist üblicherweise nur auf Anfrage geöffnet. Nun kann man von Freitag bis Sonntag zwischen 17 bis 19 Uhr einfach vorbeikommen. 

Wer dabei auf den Geschmack der Portraitkunst gekommen ist, dem sei ein Besuch im Bernerhaus am Samstag ans Herz gelegt. Der Kunstverein hat die Künstlerinnen Carol Isler und Rina Jost engagiert, die Portraits von den Besuchern und Besucherinnen anfertigen. «Ein Porträt dauert bei mir im Schnitt 5-10 Minuten», erzählt Rina Jost. «Ich arbeite je nach Situation und Nachfrage vor Ort mit Tusche, Buntstiften oder Alkoholmarkern.» Anschliessend können die Portraitierten das DinA5 Werk mit nach Hause nehmen, als Geschenk vom Kunstverein. 

«Es ist tatsächlich furchtbar anstrengend», so Jost mit einem Lächeln. «Ich finde es aber eine schöne Abwechslung von meiner Arbeit im Atelier, die ja oft alleine stattfindet.» Sie schätze den direkten Austausch und das Feedback des Publikums. Ausserdem gäbe es immer wieder lustige und schöne Momente. «Das Zeichnen ist körperlich anstrengend, aber noch anspruchsvoller scheint es mir, sich in kurzer Zeit auf so viele neue Gespräche und Leute einzulassen.» 

 

Die Deutschlehrerin mit Susanne Odermatt und Patrick Boog im Bürgersaal am 22.9. um 18 Uhr

Erwartbares gegen den Strich gebürstet  

Wenn an 35 Standorten in Frauenfeld innerhalb von drei Tagen Kultur geboten wird, dann sind Überscheidungen unausweichlich. Am Freitagabend ab 18 Uhr beispielsweise gibt es «Die etwas andere Stadtführung», in der Frauenfelds Kriminalgeschichte thematisiert wird. True Crime ist schliesslich ein Trend. 

Dummerweise läuft zeitgleich (18 -19-15 Uhr) im Rathaus Susanne Odermatts Stück «Die Deutschlehrerin», organisiert von Theaterverein. Man muss sich also entscheiden – und kann gar nicht anders als den Eindruck gewinnen, dass in Frauenfeld wirklich viel los ist. 

Einzigartige Souvenirs 

Gut, gibt es ganztägige Attraktionen, die den Zeitplan etwas entzerren: Die Theaterwerkstatt Gleis 5 etwa öffnet Freitagabend und Samstag tagsüber die Tür für einen Blick hinter die Kulissen. Das wäre ja an sich schon interessant, aber ein Flohmarkt von Requisiten und nicht mehr benötigen Kostümen macht den Termin noch attraktiver: «Nach über zehn Jahren platzen die Lager der Theaterwerkstatt aus allen Nähten», so Simon Engeli. 

Das Material für die Stücke werde eine Weile aufgehoben, denn auch alte Stücke blieben eine Weile im Repertoire. «Einiges haben wir auch aus sentimentalen Gründen aufbewahrt, aber auf anderes kann man wirklich verzichten, zum Beispiel auf die Sorgenwolken, die im ersten Stück von Puppenspiel ‹Frau Meier, die Amsel› um den Kopf der Frau Meier schweben. Die Puppen werden wir nie abgeben, aber die Sorgenwolken eben schon.» Das Stück ist ebenso ausgespielt wie das «Decamerone». «Das war ein einmaliges Sommerprojekt – und wir werden das Team nie wieder so zusammenbekommen.» Deshalb trennt sich die Theaterwerkstatt vom Federhut des verliebten Grafen. 

Die Requisiten, an denen eine Geschichte hängt, werden im Rahmen einer Auktion angepriesen. «Giuseppe Spina wird den Ofen anpreisen, auf dem gerade noch in ‹Brennende Geduld› Gemüsesuppe gekocht wurde. Ich verkaufe ein E-Geige, mit der ich lange gespielt habe. Und weil ich weiss, was sie Wert ist, gibt es die nicht unter 400 Franken.» Der Erlös des Verkaufs soll schliesslich in die Verschönerung des Foyers der Theaterwerkstatt fliessen. Das braucht einiges an Geld.

 

Der Herd aus „Brennende Geduld“  wird versteigert, damit das Foyer der Theaterwerkstatt schöner werden kann. Bild: zVg

Natürlich nicht ohne die neue Streetart

Frauenfeld war im Frühsommer der Schweizer Hotspot für Streetart. Vielfältige Wandgemälde gehören seit dem Streetart-Festival zum Stadtbild. Die Führungen am Freitag- und Samstagnachmittag (Beginn 16.30) werden hilfreich sein, um alle Facetten der 6 Murals, 14 Jam-Panels und 15 Kunstinstallationen zu verstehen. Die Führung ist gratis, aber anmelden muss man sich trotzdem: www.thurgau-bodensee.ch 

Selbst Kunst schaffen kann man am 23.9. ab 9 Uhr beim Workshop der Street-Artistinnen Taina und Elf (ebenfalls buchbar unter: www.thurgau-bodensee.ch). Die beiden waren Kuratorinnen des Festivals. Dieses Angebot kostet wegen des Materials 85 Franken. «Wir bieten die Workshops auch sonst an, aber dann nur für Gruppen. Bei den Kulturtagen können sich jetzt ausnahmsweise Einzelpersonen anmelden», so Taina. Inbegriffen sind eine 90-minütige Führung – inklusive Backstage Infos und Anekdoten, wie die Künstlerin grinsend verspricht - und 90 Minuten kreative Arbeit. 

Beim Workshop wird im Lindenpark auf die Jam Panels gesprayt. Das Bild bleibt bis zum nächsten Workshop stehen, allerdings längstens bis Ende September, dann werden die Holztafeln abgeräumt. «Bei der Streetart geht es nicht um Ruhm für die Ewigkeit», meint Taina. Als bleibende Erinnerung gibt es ein kleines Bild, das jeder selbst herstellt und mit nach Hause nehmen kann. «Ausserdem ist die Wirkung des Erlernten nachhaltig. Die Teilnehmenden können gleich nach dem WS losziehen, und ihre eigenen Werke schaffen.» 

 

Taina gibt Führungen und Workshops zu Streetart. Bild: Inka Grabowsky

Viele Gründe für die Teilnahme

Die Gründe, als Teilnehmer die Kulturtage zu besuchen dürften so vielfältig sein wie die Angebote der Institutionen. Umgekehrt haben auch die Kunstschaffenden alle ihre eigenen Beweggründe: «Ich freu mich auf die Kulturtage. Kulturförderung ist immer wichtig!», sagt Taina. 

Rina Jost formuliert: «Als Kulturschaffende freut es mich natürlich, dass die Vielfältigkeit der Branche während den Kulturtagen eine breite Plattform in Frauenfeld bekommt und besser sichtbar wird. Es freut mich besonders, wenn es gelingt, auch neue Leute für das hiesige Kulturschaffen zu begeistern.» 

Und Simon Engeli meint: «An den Kulturtagen spüren wir, dass die Theaterwerkstatt Teil eines Netzwerks in Frauenfeld ist. Das ist ein gutes Gefühl.»

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