von Jochen Kelter, 08.04.2020
Ein Schneckenhaus für AutorInnen
Prosa, Lyrik, Illustrationen: Der neue Thurgauer Caracol Verlag will sich trotz der Krise im Verlagswesen behaupten. Unterdessen denkt der ebenfalls noch junge Frauenfelder Saatgut Verlag wegen der Corona-Krise über eine Verschiebung seiner ersten Publikation von Juni in den Herbst 2020 nach.
Die Krise des Verlagswesens grassiert zumindest im gesamten deutschen Sprachraum, natürlich auch in der Schweiz und nicht zuletzt in der Ostschweiz. Im Thurgau gab es mit den Verlagen Libelle, Benteli, Huber und Niggli bis vor ein paar Jahren noch gleich mehrere professionelle Verlage, die auch Belletristik verlegten. Sie alle wurden aufgegeben oder verkauft.
Das Geschäft mit anspruchsvoller Literatur und Gedichten war nicht mehr rentabel, ein Umstand, den sich die Verlagsbranche durch überhöhte Renditeerwartungen zu einem Teil selbst zuzuschreiben hat. Übrig geblieben ist allein der Waldgut Verlag des mittlerweile über 80-jährigen Verlegers, Gestalters und Autors Beat Bechbühl, die Frage ist, wie lange noch.
Der Frauenfelder Verlag Saatgut startete vergangenes Jahr
Aber nun gibt es einen Lichtstreifen am Horizont oder besser gesagt, gleich zwei. Bereits im vergangenen Jahr wurde in Frauenfeld der Verein Saatgut gegründet, der sich zum Ziel gesetzt hat, im eigenen Verlag gleichen Namens Bücher in den Bereichen Literatur, Kinderbuch, Kunst und Kultur zu verlegen, zwei bis drei pro Jahr, wie es heisst. Thurgaukultur.ch hat bereits im vergangenen Jahr ausführlich über den Verlag berichtet. Die Corona-Krise hat auch die Pläne des Verlags durcheinander gewirbelt.
Das erste eigene Buch - ein grossformatiges Kinderbuch des Thurgauer Autors Willi Tobler über den Maler Adolf Dietrich – sollte eigentlich Anfang Juni erscheinen und auf dem Frauenfelder Bücherfest präsentiert werden. Da derzeit nicht absehbar sei, ob das alles stattfinden kann «überlegen wir uns eine Verschiebung der Bucherscheinung auf den Herbst 2020», schreibt Cornelia Mechler, Verlags-Mitgründerin auf Nachfrage von thurgaukultur.ch. Finanziell sei der Verlag von der derzeitigen Lage noch nicht beeinträchtigt, so Mechler weiter.
Einen anderen Weg als Saatgut haben die Autorin Irène Bourquin und die Lektorin Isabella Looser eingeschlagen, die bis Dezember letzten Jahres für den Waldgut Verlag gearbeitet haben. Die Zusammenarbeit scheiterte wohl letztlich an dem Plan, eine GmbH zu gründen, um dem Verlag eine solidere finanzielle Basis zu verschaffen. Eine bessere materielle Absicherung hätte Verleger Beat Brechbühl wohl gut gebrauchen können, aber offenbar befürchtete er, dadurch in seinem Verlag nicht mehr das alleinige Sagen zu haben.
Im Spätsommer sollen bei Caracol die erste Bücher erscheinen
Also beschlossen die beiden Frauen, zusammen mit ein paar Weggefährten selbst eine GmbH und Anfang März ihren eigenen Verlag in der Nähe von Frauenfeld in Nachbarschaft der Kartause Ittingen in Warth zu gründen.
Der Verlag hat jetzt also eine Verlegerin, eine Lektorin, dazu einer Hersteller, jemanden für den IT-Bereich sowie eine Person, die sich um Veranstaltungen kümmert. Und er hat auch einen Namen: Caracol , das ist Spanisch und bedeutet Häuschenschnecke oder Schneckenhaus. So hiess ein Maya-Observatorium in Mexiko. Jetzt soll es ein Haus für Autoren und Autorinnen werden.
Geschichten von Reinhard Albers mit eigener Typografie
Im Spätsommer sollen die ersten Bücher erscheinen. Es gibt drei Buchreihen, eine für Prosa, eine für Lyrik und die Reihe WortArt mit besonderem Layout und eigenen Illustrationen. Die ersten Titel sind auch schon bekannt. In der Prosa-Reihe sind zwei Titel vorgesehen, einer stammt aus der Feder von Ruth Erat, die beim Verlag für Veranstaltungen verantwortlich ist, und jener der Verlegerin Irène Bourquin selbst, also eine Art von Prosa-Ping-Pong, sowie ein Prosaband von Erica Engeler.
In der Reihe WortArt sind drei Geschichten von Reinhard Albers mit eigener Typografie und eigenen Illustrationen geplant. Und in der Lyrik-Reihe ein Band von Thomas Heckendorn sowie Gedichte mit dem Titel «Fremd bin ich eingezogen» des Autoren dieses Textes.
Von Jochen Kelter
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