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von Inka Grabowsky, 07.12.2020

Ein 3000 Jahre altes Rätsel

Ein 3000 Jahre altes Rätsel
2018 in Reinach (BL) gefunden und endlich im Thurgau zu sehen: Mondhorn aus der späten Bronzezeit (https://www.archaeologie.bl.ch/entdecken/fundstelle/74/reinacher-kultplatz-ausgrabung-fordert-mondhorner-zu-tage) | © Inka Grabowsky

Im Museum für Archäologie Thurgau sind bis 7. März Mondhörner zu bestaunen. Sie sehen hübsch aus, doch welche Funktion sie hatten, weiss niemand genau. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Einige sehen aus wie eine liegende Mondsichel. Andere erinnern an die Hörner von Rindern. So kamen die Objekte zu ihrem Namen: Mondhörner. Im Laufe der Zeit sprach man auch mal von Nackenstützen oder Feuerböcken - je nach Hypothese zu ihrem Verwendungszweck.

Wie die ursprünglichen Schöpfer in der Spätbronzezeit ihre Arbeiten genannt haben, weiss niemand. „Seit 1851 die ersten Hörner gefunden wurden, rätseln wir, welche Bedeutung sie für die Menschen hatten“, so der Kulturanthropologe Kurt Derungs. „Das ist auch eine spannende Forschungsgeschichte.“

Kantonsarchäologe Hansjörg Brem freut sich über vierzig unterschiedliche Mondhörner in Frauenfeld. Bild: Inka Grabowsky

Kooperation für guten Effekt

Derungs hatte die Idee, gemeinsam mit fünf Museen rund vierzig der über 700 in der Schweiz gefundenen Mondhörner zusammenzutragen und in einer Wanderausstellung zu präsentieren. „In vielen Museen befinden sie sich versteckt in einer Vitrine oder gar im Archiv. Das finde ich schade für so ein interessantes Phänomen.“ Unter anderem beim Thurgauer Amt für Archäologie stiess er auf offenen Ohren.

„Alle hatten Freude, die alten Schätze zusammenzutragen“, sagt Kantonsarchäologe Hansjörg Brem in Frauenfeld.  „Sie sind ein Aufblitzen von einer Welt, aus der es keine schriftlichen Zeugnisse gibt.“ Erst die Kooperation mit dem neuen Museum Biel, dem Museum Burghalde in Lenzburg, der Archäologie Baselland und des Museums für Urgeschichte Zug ermöglichte die Schau. „Allein sind wir jeweils zu klein, um solche Ausstellungen zu machen.“

Zum ersten Mal ausgestellt: Stele, Gefäss, Rillenstein und Mondhorn, die 2018 im Kanton Zug gefunden wurden. Bild: Inka Grabowsky

Premiere für Zuger Fund

Die Objekte sind meist aus Ton geformt, einige auch aus Sandstein geschlagen. Sie alle stammen aus der Zeit von 1300 bis 800 vor Christus. Viele von ihnen fand man in der Nähe von Pfahlbau-Siedlungen – gerade auch im Thurgau. Sie überdauerten die Zeit gut geschützt im Sediment am Seegrund. Es scheint, als seien die Mondhörner nur von bestimmten Gemeinschaften in einer bestimmten Phase genutzt worden, denn entweder findet man in den Resten einer Siedlung gleich mehrere, oder man findet gar keine.

Und offenkundig gehörte es zu einem Ritual, die tönernen Hörner bewusst zu zerschlagen. Das zeigen die Fragmente. „Diverse Neufunde in jüngere Zeit geben Aufschluss zur Ideenwelt rund um die Hörner“, so Hansjörg Brem. „2018 fand man in Zug in einer Grube ein Mondhorn, ein Gefäss, einen Rillenstein und eine anthropomorphe Stele. Für uns Archäologen ist das eine nicht erklärbare Deponie. Und das weisst immer auf einen Kult oder ein Ritual.“ Dieses Ensemble ist in der Wanderausstellung zum ersten Mal zu sehen.

Die Schöpfer haben ihre individuellen Spuren im Ton hinterlassen. Bild: Inka Grabowsky

Attraktive Auswahl

Im dritten Stock des Museums in Frauenfeld sieht man nun neben eigenen Beständen Leihgaben aus Zug, Liestal, Basel-Stadt, Bern, Brugg, Dübendorf, Neuchâtel, Biel und Zürich. „Es ist die grösste Sammlung, die ich so je gesehen habe“, meint Archäologin Simone Benguerel.

„Die Auswahl zeigt die grosse Vielfalt und besonders attraktive Exemplare.“ Jeder Besucher wird ein Mondhorn finden, das ihn besonders anspricht. Hansjörg Brem Herz schlägt höher, wenn er Spuren der Erschaffer sieht: Fingerabdrücke oder Streichungen in dem noch weichen Ton. Kurt Derungs fühlt sich von schlichten Formen angesprochen: „Mit ihrer zeitlosen Ästhetik könnten die Mondhörner noch heute in einer Galerie stehen. Das 3000 Jahre alte Ding ist topmodern.“

Hausaltar oder Fruchtbarkeitssymbol?

Wann immer ein Mondsymbol benutzt wird, liegt – insbesondere für Feministinnen – der Gedanke an Monatsblutungen und damit an die weibliche Fruchtbarkeit nahe. Die Fundsituationen in Siedlungen und Löcher in einigen der Hörner könnten bedeuten, dass sie als aufgehängter Hausaltar genutzt wurden.

Aber vielleicht stimmt ja doch die These, die sich Hansjörg Brem als junger Student zum Spass ausgemalt hat. Demnach wären die Mondhörner quasi Messerbänkli, auf denen man die Stecken beim Cervelatbräteln ablegen konnte. Kurt Derungs freut sich über jede Idee: „Die Ausstellung zum Denken anregen. Hier kann jeder miträtseln.“ 

Hörner und Mondhörner - zeitlos schön. Bild: Inka Grabowsky

 

Die Öffnungszeiten

Die Ausstellung: „Mondhörner. Rätselhafte Kultobjekte der Bronzezeit“ ist noch bis 7. März im Museum für Archäologie in Frauenfeld zu Gast. Danach wandert sie weiter nach Lenzburg, Zug und Biel.

 

Dienstag bis Freitag, 14–17 Uhr 
Samstag und Sonntag, 13–17 Uhr

 

Der Eintritt ist frei.

 

Öffentliche Führung Sonntag, 24.1.21 10.30 Uhr Anmeldung erforderlich.

 

 


 

 

 

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