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von Brigitta Hochuli, 03.11.2010

Dietrich geht fremd

Dietrich geht fremd
Adolf Dietrich, Winterlandschaft mit Möwen, 1931, zu sehen in der Fondation Saner in Studen bei Biel. | © zVg

In der Fondation Saner in Studen bei Biel sind Bilder von Adolf Dietrich zu sehen. Über ein halbes Dutzend kommen aus der Kartause, dazu ein Grossteil der gezeigten Zeichnungen und Fotografien. Ohne das Kunstmuseum Thurgau wäre die Ausstellung nicht möglich gewesen, sagt dessen Direktor Markus Landert.

Brigitta Hochuli

Herr Landert, unbemerkt von der Thurgauer Öffentlichkeit sind in Studen Bilder von Adolf Dietrich zu sehen. Kommen sie alle aus unserm Kanton?

Markus Landert: Die Ausstellungen von Adolf Dietrich in der Fondation Saner wurde von Rudolf Koella in enger Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Thurgau erarbeitet. In der hochkarätigen Zusammenstellung von Ölbildern sind über ein halbes Dutzend aus unseren Beständen. Auch das Porträt des Vaters aus dem Besitz des Frauenfelder Kunstvereins - ein zentrales Frühwerk Dietrichs - ist in Studen vertreten.

Ist Dietrich in Studen ausser mit Bildern auch noch anderweitig präsent?

Landert: Ja, in Studen wird auch eine repräsentative Auswahl von Fotografien Dietrichs und Zeichnungen gezeigt - mit wenigen Ausnahmen alle aus unseren Beständen. Kurz, die Ausstellung in Studen wäre in dieser Form ohne Werke aus dem Kunstmuseum Thurgau nicht möglich gewesen.

Was ist nun im Kunstmuseum Thurgau von Dietrich überhaupt noch zu sehen?

Landert: Die Leihgaben führen nicht etwa dazu, dass bei uns keine Bilder von Dietrich mehr gezeigt werden könnten. Im Gegenteil: sein Hauptwerk - der Berner Sennenhund Balbo - aber auch das neu erworbene Frühwerk "Dietrich die Treppe hinaufsteigend" wird neben anderen wichtigen Werken Dietrichs weiterhin in Ittingen gezeigt.

Was bedeutet dieses Fremdgehen Dietrichs für das Kunstmuseum Thurgau - sicherheitstechnisch, versicherungstechnisch, finanziell?

Landert: Durch Leihgaben an Ausstellungen entstehen zuerst einmal Kosten. Auch wenn die Versicherungen und die Transporte durch die Leihnehmer bezahlt werden, so müssen die Bilder doch für eine Ausstellung aufbereitet werden. Es braucht Kontrolle, Verpackung und Koordination.

Wie hoch sind denn die Kosten genau?

Landert: Die Kosten, die beim Kunstmuseum anfallen, bestehen vor allem in den Personalkosten, sind also nicht ganz einfach zu beziffern. Andere Museen stellen privaten Organisatoren pauschal Kosten von zwischen 150 und 250 Franken pro ausgeliehenem Werk in Rechnung. Ein paar Dutzend Arbeitsstunden sind von Seiten des Kunstmuseums durchaus investiert worden.

Ein solcher Bilderexport ist also aufwendig. Inwiefern lohnt sich das überhaupt? Studen ist ja nicht New York.

Landert: Es ist die Aufgabe eines Museums, die ihm anvertrauten Werke zu vermitteln, das heisst sie zu zeigen und für Ausstellungen - sofern die restauratorischen Verhältnisse stimmen - zur Verfügung zu stellen. Das Kunstmuseum Thurgau profitiert von Ausstellungen wie jener in Studen insofern, als dass Dietrich einem Publikum im Kanton Bern und in der Westschweiz nähergebracht wird, das wir aufgrund unserer geografischen Lage nur schwer erreichen können. Natürlich würde Dietrich eine Ausstellung im Kunstmuseum Bern oder in einem der Kunstmuseen der Westschweiz verdienen. Aber dies ist
 ja vielleicht der nächste Schritt.

Die Fondation Saner zeigt natürlich auch Bilder von Adolf Dietrich, die nicht aus dem Thurgau stammen.Woher kommen sie sonst noch?

Landert: In den meisten Fällen aus anderen Museen wie dem Kunsthaus Zürich oder aber aus Privatsammlungen. Wichtige Schweizer Sammler haben in den letzten Jahren begonnen, Werke für Ihre Sammlungen zu erwerben. Dietrich gilt heute neben Malern wie Ferdinand Hodler oder Felix Valloton als einer der wichtigen Exponenten der Schweizer Kunst. Wir sind stolz, dass wir einige der bedeutendsten Werke dieses Künstlers, insbesondere aber auch die meisten Dokumente zu ihm verwalten können. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt auch das Verdienst der Thurgauischen Kunstgesellschaft, der der Nachlass gehört, und des Kunstmuseums Thurgau, das den Nachlass verwaltet und bearbeitet. Durch Publikationen und Ausstellungen dieser beiden Institutionen wissen wir heute wesentlich mehr über Dietrich als noch vor 20 Jahren.

Sie sprechen die Publikationen an. Aus Anlass der Ausstellung erscheint im Benteli Verlag ein neuer Band „Adolf Dietrich" mit Texten von Ihnen, Herr Landert, und Kuratorin Dorothee Messmer. Erfährt man da Neues?

Landert: Die Publikation bei Benteli fasst die Erkenntnisse der letzten 20 Jahre übersichtlich zusammen. Die Texte von Dorothee Messmer und mir enthalten für einen Dietrich-Kenner vielleicht nicht neue Fakten. Die Erkenntnisse der letzten 20 Jahre werden aber erstmals stringent zusammengefasst und übersichtlich präsentiert. Der Text von Rudolf Koella stellt das Werk von Dietrich erstmals in einen kunsthistorischen Kontext der Zeitgenossen des Künstlers, was eine durchaus spannende Erweiterung an Interpretationen öffnet. Unbedingt lesenswert, für Dietrich-Kenner ebenso wie für Einsteiger!

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